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BfR-Höchstmengenempfehlung (Teil 4)
Nahrungsergänzungsmittel: Welche, wann und für wen? (4)
Welche Nahrungsergänzungsmittel kann man in der Apotheke wann und wem guten Gewissens empfehlen? In Teil 1, 2 und 3 war zu lesen, was in der Beratung von gesunden Erwachsenen (inklusive Schwangeren) und Kindern zu Nahrungsergänzungsmitteln nicht fehlen sollte. Wie sieht es aber bei bestimmten Risikogruppen aus? Zwei Wissenschaftler aus Harvard und das BfR helfen bei der Beratung in der Apotheke.
Anfang des neuen Jahres hat das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) seine Höchstmengenvorschläge für Nahrungsergänzungsmittel (NEM) von 2004 aktualisiert. Sie sollen in Deutschland die Grundlage für die Schaffung von gesetzlichen Regelungen bilden und können jetzt schon für die Beratung in der Apotheke hilfreich sein. In der Apotheke stellt sich aber nicht nur regelmäßig die Frage danach, wie viel sondern vor allem auch welche Nahrungsergänzungsmittel überhaupt sinnvoll sind. Möglichst knapp und praxisnah haben ebenso zu Beginn des Jahres zwei Wissenschaftler aus Harvard im Journal JAMA versucht diese Frage zu beantworten. Grundsätzlich gilt, dass eine ausgewogene Ernährung Nahrungsergänzungsmittel unnötig machen kann. Wer jedoch an Erkrankungen leidet, die die Nährstoffabsorption oder –metabolisierung beeinflussen, kann seinen Bedarf nicht allein über die Nahrung decken.
In diesem Zusammenhang heben die Wissenschaftler im JAMA-Artikel drei Fälle hervor: Nach einer bariatrischen Operation müssten fettlösliche Vitamine, B-Vitamine, Eisen, Calcium, Zink, Kupfer, Multivitamin und –mineralstoffpräparate supplementiert werden. Vitamin B12 muss bei der Perniziösen Anämie supplementiert werden (1-2 mg/Tag oral oder 0,1-1 mg/Monat intramuskulär). Zu den bekannteren Erkrankungen, die eine erhöhte Vitamin-Zufuhr erfordern, zählen Morbus Crohn, entzündliche Darmerkrankungen und Zöliakie: dann seien Eisen, B-Vitamine, Vitamin D, Zink und Magnesium wichtig.
NEM in deutschen Leitlinien zu Adipositas und Darmerkrankungen
Anfang Februar 2018 ist die S3-Leitlinie „Chirurgie der Adipositas und metabolischer Erkrankungen“ neu erschienen. Darin wird mit starkem Expertenkonsens empfohlen, dass spätestens mit der Entlassung nach der OP „die lebenslange Prophylaxe / Supplementation (Multivitamin und Spurenelemente) zur Vermeidung von Mangelernährung begonnen werden“ soll. Der Patient soll darüber schriftlich informiert werden. Die Dosis der Supplementierung hängt dabei vom operativen Verfahren ab. Speziell eingegangen wird in der Leitlinie auf die Supplementation von Protein, Eisen, Vitamin B12, Folsäure, Vitamin B1, Vitamin D und Calcium, Vitamin A, E und K, Zink, Kupfer und Selen, sowie Magnesium. Die in der Leitlinie empfohlenen Dosen überschreiten die vom BfR aktuell empfohlenen Höchstmengen, weil diese nicht für spezielle Risikogruppen sondern für die Allgemeinbevölkerung gelten.
Die Deutsche Gesellschaft für Ernährungsmedizin (DGEM) gibt in Zusammenarbeit mit anderen Fachgesellschaften Leitlinien zur klinischen Ernährung in der Gastroenterologie heraus. In Teil 4 aus dem Jahr 2014 werden chronisch-entzündliche Darmerkrankungen (CED) behandelt. Dort heißt es zum Beispiel: „Isolierter Mikronährstoffmangel bei CED kann durch Supplemente therapiert werden.“ Speziell seien auf Defizite für Calcium, Vitamin D, Folsäure und Vitamin B12 sowie Eisen und Zink zu achten. In einer akuten Phase sollte Eisen jedoch beispielsweise nicht substituiert werden, weil es womöglich pro-entzündlich wirkt. Die intravenöse Gabe wird generell bevorzugt. Grundsätzlich sollen Unter- oder Mangelernährung bei CED konsequent behandelt werden. Nicht empfohlen wird hingegen „die Verwendung von Fischöl bzw. fischölhaltigen Supplementen zum Remissionserhalt der CED.“ Ausgewählte Prä- und Probiotika könnten zur Remissionserhaltung bei Colitis ulcerosa erwogen werden, jedoch nicht bei Morbus Crohn.
In der S2k-Leitlinie Zöliakie wird darauf hingewiesen, dass Erwachsene und Kinder mit unbehandelter Zöliakie häufiger einen Mangel an Mikronährstoffen aufweisen. Gut dokumentiert seien dabei ein Mangel an Eisen, Folsäure, Vitamin A, Vitamin B12, B6 und Vitamin D, sowie Kupfer, Zink und Carnitin. Bei Zöliakie dürfen nur glutenfreie Zubereitungen zum Einsatz kommen. Die Deutsche Zöliakie-Gesellschaft e.V. stellt ihren Mitgliedern eine entsprechende Positivliste zur Verfügung.
NEM in Leitlinien zu Osteoporose und Makula-Degeneration
Auch im Zusammenhang mit Osteoporose oder anderen Knochen-Erkrankungen können in der Apotheke immer wieder Fragen zur Nährstoff-Supplementation aufkommen. Wichtig sind dann Vitamin D, Calcium und eventuell Magnesium, wobei die Datenlage von den JAMA-Autoren als uneinheitlich beschrieben wird.
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Osteoporose-Prophylaxe
Calcium- und Vitamin-D-Präparate ohne Nutzen?
2014 wurde in der DAZ 49 die aktualisierte S3-Leitlinie zu Osteoporose vorgestellt. Bei den Empfehlungen zu Calcium und Vitamin D wird zwischen Patienten mit oder ohne spezifische Osteoporose-Medikation unterschieden: Patienten ohne spezifische Osteoporosetherapie, sollten 800 bis 1000 I.E. Vitamin D3 (20 bis 25 µg) täglich einnehmen. Die Calcium-Zufuhr (aus Nahrung und Supplementen) soll ohne spezifische Osteoporosetherapie rund 1000 mg pro Tag betragen (maximal 2000 mg). NEM seien bei Calcium erst notwendig, wenn die Zufuhr über die Nahrung nicht ausreicht.
Mehr zum Thema altersabhängige Makuladegeneration (AMD)
Im Fall der altersabhängigen Makula-Degeneration (AMD) gibt es spezielle Mikronährstoff-Formulierungen auf dem Markt. Laut JAMA sind spezifische Formulierungen antioxidativer Vitamine, Zink und Kupfer darin wichtig. Ein Schwerpunkt in der DAZ 6/2017 hat sich intensiv mit der AMD auseinandergesetzt: Es gibt Belege, dass die Einnahme speziell zusammengesetzter Nahrungsergänzungsmittel das Fortschreiten von bestimmten Frühformen der trockenen AMD verhindern kann. Eine Auswahl entsprechender Produkte im Handel findet sich in der DAZ 44/2017. Entsprechend der ARED-Studien sollten die NEM wie folgt kombiniert sein: Vitamin C 500 mg, Vitamin E 400 IE, Zink 25 mg, Kupfer 2 mg, Lutein 10 mg, Zeaxanthin 2 mg.
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Ein weiteres klassisches Beispiel aus dem Apotheken-Alltag benennen die JAMA-Autoren mit dem Fall einer Langzeitmedikation. Die Datenlage sei zwar auch hier uneinheitlich, im Zusammenhang mit einer Langzeiteinnahme von Protonenpumpeninhibitoren müsse jedoch an eine Supplementation mit Vitamin B12, Calcium und Magnesium gedacht werden. Bei einer Langzeiteinnahme von Metformin sei Vitamin B12 besonders wichtig.
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