Foto: DAZ/Alex Schelbert

Deutscher Apothekertag 2022

Klimawandel, Pharmazie und Gesundheit

Impulse zum Schwerpunktthema der diesjährigen Hauptversammlung

dab | In den letzten Jahren ist die Klimadebatte mehr und mehr in den Fokus gerückt. Passend dazu stand der ­Deutsche Apothekertag 2022 unter den Schlagworten „Klimawandel, Pharmazie und Gesundheit“. In insgesamt drei Vorträgen wurde das Thema von einer Expertin und zwei Experten beleuchtet. Der Handlungsbedarf ist dringend – was können Apothekerinnen und Apotheker tun?

Der diesjährige Deutsche Apotheker Tag fokussierte den Themenkomplex „Klimawandel, Pharmazie und Gesundheit“. Am Mittwoch führte Prof. Dr. Markus Rex den Anwesenden die Auswirkungen des Klimawandels auf die Arktis und in der Folge auf den Rest der Welt vor Augen. In einem ­Themenforum am Donnerstag widmeten sich nacheinander die Mediziner Prof. Dr. Claudia Traidl-Hoffmann sowie Dr. Martin Herrmann den Folgen des Klimawandels auf die Gesundheit. Die zentrale Frage war dabei, was Apotheker­innen und Apotheker tun können.

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Prof. Dr. Markus Rex leitete die Polarexpedition Mosaic, die im September 2019 startete.

„Was in der Arktis passiert, bleibt nicht in der Arktis“

Den Einstieg in das Schwerpunktthema übernahm Prof. Dr. Markus Rex, der die Abteilung Atmosphärenphysik des Alfred-Wegener-Instituts, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeres­forschung leitet und Atmosphärenphysik an der Universität Potsdam lehrt. In seinem Vortrag mit dem Titel „Eingefroren am Nordpol – Expedition zum Epizentrum des Klimawandels“ berichtete der Klimaforscher von Mosaic, der größten Polarexpedition in der Geschichte, die er selbst leitete. Der Klimaforscher zeigte dabei auf, wie die Erwärmung der Arktis und der damit verbundene Rückgang von Meereis zur Verschiebung der Wettersysteme beiträgt. Stationäre Warmluftvor­stöße führten zu anhaltenden Hitzewellen in Arktis, Europa und den USA. Umgekehrt brächten arktische Kaltluftaus­brüche winterliche Kaltphasen nach Europa, Nordamerika und Asien. Das zeigt: „Was in der Arktis passiert, bleibt nicht in der Arktis“ – die dortigen Veränderungen betreffen uns alle und erfordern unser Handeln. Rex machte klar: „Erfolgreicher Klimaschutz funktioniert nur auf Basis der Mehrheit einer Gesellschaft“. Dabei trage das Gesundheitspersonal, und somit auch die Apothekerschaft, erheblich zur Meinungsbildung unserer Gesellschaft bei und habe damit eine besondere Verantwortung.

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Prof. Dr. Claudia Traidl-Hoffmann erklärte u. a., welchen Effekt der Klimawandel auf allergene Pflanzen und Pollen hat.

Auswirkungen des Klima­wandels auf die Gesundheit

Das erste Impulsreferat im Themenforum hielt Prof. Dr. Claudia Traidl-Hoffmann, Fachärztin für Dermatologie, Venerologie und Allergologie sowie Inhaberin des Lehrstuhls für Umweltmedizin an der Universität Augsburg. Zu Beginn mahnte sie: „Das Zeitfenster für eine klimaresiliente Zukunft schließt sich“ und machte damit auf die Dringlichkeit des Themas aufmerksam. Die Medizinerin schilderte die Folgen des ­Klimawandels auf die Gesundheit. Die Auswirkungen beziehen sich dabei auf den gesamten Körper. So wirkt sich beispielsweise Hitze nicht nur negativ auf das Herz-Kreislauf-System aus, sondern auch auf das Gehirn und kann zu Aggressivität führen.

Außerdem fördern Umweltverschmutzung und Klimawandel nicht-übertragbare Krankheiten. Dazu gehören Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs, Diabetes sowie Atemwegserkrankungen. Ein wichtiger Aspekt in der Genese stellt die Luftverschmutzung dar. Dabei beschränken sich die Folgen nicht nur auf die Lunge. Schadstoffe durch Verkehrsbelastung stören beispielsweise die Hautbarriere und können eine Neurodermitis verursachen. Diese wiederum kann Allergien begünstigen.

Die größten Auslöser für Allergien stellen allerdings Pollen dar. War die Allergie auf Pollen früher saisonal begrenzt, so gibt es heute keine pollenfreien Tage mehr – auch dies ist auf den Klimawandel zurückzuführen. Die Pollenflugzeiten sind länger, zudem gibt es mehr, aggressivere und neue Pollen. Als Beispiel hierfür führte sie Ambrosia an.

Weitere negative Auswirkungen des Klimawandels auf die Gesundheit sind Todesfälle durch Hitze sowie ein vermehrtes Auftreten von Vektor-vermittelten Erkrankungen, wie Borreliose, deren Auftreten sich in den letzten Jahren verfünffacht hat.

Zum Ende ihres Vortrags verglich Traidl-Hoffmann die ­Klimakrise mit einem „medizinischen Notfall, der sofortiges Handeln erfordert“. Hierbei ist die Energiewende als Erst­linientherapie zu verstehen. Die Edukation der Bevölkerung zum Thema Klimawandel stellt eine adjuvante Therapie dar. „Erzählt es weiter“, war ihre Aufforderung an die Apotheker­innen und Apotheker.

Raus aus der Lähmung und hin zum Handeln

Als dritter Experte trat Dr. Martin Herrmann aus München, Arzt, Psychotherapeut und Berater von Unternehmen und Nichtregierungsorganisationen auf. Er ist Vorsitzender von KLUG, der Deutschen Allianz Klimawandel und Gesundheit e. V., einem Netzwerk von Einzelpersonen, Organisationen und Verbänden aus dem Gesundheitsbereich. In seinem Vortrag ging es darum, wie man vom Wissen um die Klimakrise zum transformativen Handeln gelangt und darum, was Apothekerinnen und Apotheker tun können.

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Dr. Martin Herrmann ist nicht nur Vorsitzender, sondern auch Initiator des Netzwerks KLUG, der Deutschen Allianz ­Klimawandel und Gesundheit e. V.

In der Frage, welchen Beitrag der Berufsstand leisten kann, gehe es um das, „was sonst keiner kann“. Dabei verwies er auf aktuelle Aussagen der Apothekenkampagne. Sätze, wie „Kriegen wir schon hin“ strahlten eine Zuversicht aus. Eine Zuversicht, wie die, zu der die ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening bereits am Vortag in ihrer Eröffnungsrede zum Deutschen Apothekertag ermutigt hatte.

Herrmann verdeutlichte, dass das zentrale Element in der Klimakrise, für das wir handeln sollten, die Gesundheit ist. Bisher hätte der Gesundheitssektor hinsichtlich der Themen Umwelt, Klima und Biodiversität allerdings „geschlafen“. Diese Themen sind aber für alle Disziplinen wichtig und machten große Veränderungen notwendig. Gesundheit ist ein bisher weitgehend blindes Feld in der Klimabewegung und -forschung.

Angesichts der großen Probleme der Klimakrise verfielen viele Menschen in eine Art Lähmung, „das Gefühl nichts machen zu können“. Hier nannte Herrmann wiederum die Zuversicht als eine „wichtige Medizin“.

Um Handeln zu können, muss man zunächst von einem Thema „berührt“ werden – eine Mikrotransformation erleben. Große Transformationen entstehen wiederum aus solchen Mikrotransformationen.

Man muss sich überlegen, welche Rolle man einnehmen will: Vorreiter, Mitmacher, Greenwasher oder Zuschauer?

Der Mediziner betonte auch die Wichtigkeit des ­gemeinsamen Handelns, sowohl auf kommunaler Ebene als auch in Verbänden, in Europa und weltweit. „Gemeinsam handeln macht gesund“, so Herrmann.

Ein Thema, dessen Gefahr oft unterschätzt wird, sind Hitze­wellen. Hier könnten Apothekerinnen und Apotheker zum Beispiel gezielt ihre Risikopatienten ansprechen und aufklären. „Wir sind verantwortlich für unsere Patienten“, betonte der Mediziner.

Traidl-Hoffmann: „Ich beneide Sie“

Am Ende des Themenforums folgte noch eine Diskussion mit Prof. Dr. Claudia Traidl-Hoffmann und Dr. Martin Herrmann. Wenn sich der Berufsstand die Frage stellte, was er tun könne, müsse man sich auch folgende Fragen stellen: „Was können nur wir tun? Was macht uns von unserem Wesen her aus? Wo kommen wir her?“ Grundwerte müssten neu entdeckt und interpretiert werden. Das Credo dabei: „Uns kann gemeinsam etwas gelingen, was keiner alleine kann“. Als Beispiel erzählte Traidl-Hoffmann von einem ­Erfolg aus ihrer ­Arbeitswelt. Sie und ihre Mitarbeiter ­gewannen mit ihrem Labor den Wettbewerb „International Laboratory Freezer Challenge“ zur CO2-Einsparung.

Bei ­allem Einsatz für das Klima erinnerte sie daran, wie wichtig die Glaubwürdigkeit ist, also dass sich das Handeln nicht nur bei der Arbeit, sondern auch im Privaten auswirke.

Traidl-Hoffmann wies auf die Einzigartigkeit dessen hin, was Apothekerinnen und Apotheker tun können: „Ich beneide Apotheker um den Kontakt zu den Patienten und ihre Möglichkeit eine Veränderung zu schaffen.“ Darin stimmte auch Hermann ein und berichtete von seinen positiven ­Erfahrungen in Apotheken und würdigte die Freundlichkeit, die er dort erlebte. „Da können wir Ärzte von Ihnen viel lernen“. Große Transformationen würden am Ende in der Kommune konkret, dort haben die Apotheken einen herausragenden Platz.  |

 

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