Foto: DAZ/Alex Schelbert

Deutscher Apothekertag 2022

Ja zum Umweltschutz

... aber nur ein bisschen

ck | Nachhaltig, umweltschonend und klimaneutral waren nur einige Schlagworte in der teilweise emotional geführten Debatte der Anträge zum Themenschwerpunkt 1: Klimaschutz und Nachhaltigkeit. Einig war man sich darin, dass auch die Arbeit in den Apotheken klimafreundlich gestaltet werden sollte, aber es wurden nur wenige Beschlüsse gefasst.

Eröffnet wurde die Diskussion mit der Frage, ob die ABDA einen Nachhaltigkeitsbeauftragten ernennen soll, der sich mit klimarelevanten Problemen für den Berufsstand und Fragen der gesundheitlichen und pharmazeutischen Herausforderungen der Umweltkrise befasst bzw. ob diese Drucksache der Apothekerkammer Hamburg mit der Ziffer 1.10 vorgezogen werden soll: Sei man dafür nicht bereit, könnte man sich viele weitere Anträge sparen, so die Argumentation mit Blick auf das dicke Antragsheft. Letztendlich blieb man bei der ursprünglichen Antragsreihenfolge.

Was kann der Gesundheitssektor tun?

Der erste Leitantrag hatte den Gegenstand „Klimaneutralität und Nachhaltigkeitsprüfung von gesetzgeberischen Maßnahmen im Gesundheits­wesen“. Dazu sollte der Gesetzgeber aufgefordert werden, in allen Gesetzgebungsverfahren des Bundes und der Länder im Gesundheitswesen und in allen anderen Bereichen die Vorhaben auf deren Klimaneutralität und Nachhaltigkeit zu prüfen. Zusätzlich solle an das Bundesministerium für Gesundheit appelliert werden, die benötigten Ressourcen zur Versorgung des deutschen Arzneimittelmarktes mit Arzneimitteln zu ermitteln und Verbesserungen zur Verwendung dieser Ressourcen einzuleiten. Und auch die pharmazeutische Industrie sollte in die Pflicht genommen werden, nachhaltige und umweltschonende Verpackungskonzepte zu entwickeln. In der Diskussion ergriff die ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening das Wort und betonte, dass all diese Forderungen richtig und wichtig seien, aber sie erinnerte auch daran, wie das Motto des Deutschen Apothekertags zustande gekommen ist: „Wir haben uns das Thema auf die Fahne geschrieben und ich hatte es so verstanden, dass wir uns damit beschäftigen wollen, was wir als Apotheker tun können.“ Im Vorfeld habe sie in vielen Vorträgen zum Thema Klimaschutz am meisten die Aussage beeindruckt, dass es schön wäre, und auch das einzig Erfolgversprechende, wenn jeder bei sich schaut, was er tun kann. Das sind dann möglicherweise sehr unterschiedliche Dinge, weil jeder unterschiedliche Schwerpunkte beim Energieverbrauch und Gewohnheiten habe, so Overwiening. Es gibt ganz kleine Gewohnheiten, die – wenn man sie konsequent umstellt – gar nicht das Gefühl von Verzicht mit sich bringen würden und doch zu einer neuen, nachhaltigen Gewohnheit werden kann. Wenn jeder einzelne bei sich schaut, welche Möglichkeiten es gibt, kann in ihren Augen das Ziel des Apothekertags erreicht werden. Wenn die Hauptversammlung der Apothekerschaft aber nur Anträge verab­schiede, die andere zum Handeln auffordern, „dann sind wir nicht glaubwürdig“. Overwiening regte an, eine Resolution zu verfassen, in der alle Anträge zusammengefasst werden, die das BMG und andere adressieren. „Aber wollen wir nicht erst einmal selber sehen, was wir tun können?“ so Overwiening. Unter den Delegierten gab es Zustimmung: Vorgeschlagen wurde, den Leitantrag zurückzustellen, weil man ihm aus den genannten Gründen nicht zustimmen könne, eine Ablehnung jedoch ein fatales Signal sende. Aber es regte sich auch Widerstand: Ohne Partner könne die Apothekerschaft nichts bewegen, vor der eigenen Türe zu kehren, reiche nicht, so die Argumentation einiger Delegierten, man brauche Unterstützung vom BMG und der Indus­trie. Der Leitantrag wurde schließlich in den Ausschuss verwiesen. Gleiches Schicksal ereilte den Leitantrag „Ressourcenverschwendung begrenzen“, der pharmazeutischen Unternehmern und Kosmetikherstellern nahelegt, nicht unaufgefordert Werbematerialien, Schaufensterdekorationen und ähnliche Materialien zu schicken und alternative Konzepte zur umweltschonenderen Herstellung von notwendigen Proben zu entwickeln.

Angenommen wurde dagegen mit großer Mehrheit der Antrag, dass sich Apotheker als Teil des Gesundheits­wesens dafür einsetzen können und sollen, die Arbeit in den Apotheken klimafreundlich zu gestalten. Betont wurde mehrfach, dass aber dadurch nicht die ordnungsgemäße Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln beeinträchtigt werden darf und keine negativen wirtschaftlichen Folgen oder bürokratischer Aufwand einhergehen. Auch sollen die gesundheitlichen Folgen des Klimawandels adäquat in die Aus-, Fort- und Weiterbildung der Apotheker und der übrigen Angehörigen der Apothekenberufe integriert werden, damit Patienten über die Folgen des Klimawandels für ihre Gesundheit und ihre Arzneimitteltherapie informiert werden können.

Ökotoxikologie in den Ausschuss

Auch der Antrag, Angaben zur Ökotoxikologie und zur Abbaubarkeit von Arzneimitteln zu erfassen, wurde in den Ausschuss verwiesen. Kritiker störte vor allem, dass die Angaben Teil der Zulassung werden sollen und dadurch diese erschwert werden. Befürchtet wurden Zeitverzögerungen und eine Zunahme der Lieferengpässe. Der Antrag auf Prüfung rechtlicher Vorgaben bei der Arzneimittelversorgung auf Nachhaltigkeit und Klimaverträglichkeit wurde mit großer Zustimmung angenommen. Aber es wurde der Teil gestrichen, dass damit automatisch eine Novellierung der Apothekenbetriebsordnung gefordert werden soll. Befürchtet wurde, dass dadurch für die einzelnen Apotheken Kosten entstehen, die einfach nicht mehr getragen werden können.

Der Antrag auf Überprüfung und Etablierung von neuen, ressourcen­effizienten Identifizierungsmethoden von Ausgangsstoffen wurde intensiv diskutiert und nach einer redaktionellen Änderung angenommen: der Begriff „digitale Verfahren“ wurde durch „nachhaltige Verfahren“ ersetzt.

Was darf es kosten?

Den Trend, Anträge in den Ausschuss zu verweisen und nicht zu entscheiden, kritisierte die Geschäftsführerin Pharmazie der ABDA, Dr. Christiane Eckert-Lill. Sie zeigte sich angesichts der großen Zustimmung, mit der das Motto für den Deutschen Apothekertag im Vorjahr beschlossen worden war, „irritiert“, dass man einerseits nichts beschließen wolle, bei dem die Apothekerschaft selbst keinen Handlungsspielraum habe. Andererseits werden aber auch immer Gründe gefunden, warum die Apotheker jetzt nicht selbst aktiv werden könnten. Diese Diskus­sion prägte die weitere Debatte, sodass sich die Hauptversammlung kaum zu einer Entscheidung durchringen konnte. Übrigens auch nicht dazu, den eingangs erwähnten Nachhaltigkeitsbeauftragten zu etablieren. Dieser Antrag schaffte es nicht einmal in den Ausschuss. Er wurde nach längerer Diskussion, in der es vor allem um mögliche Kosten ging, per Geschäftsordnungsantrag übergangen. Millionenbeträge, die ABDA-Hauptgeschäftsführer Sebastian Schmitz als Kosten für die Umsetzung dieses Antrags postulierte, könnten zu der Entscheidung beigetragen haben.

Abschaffung der Bon-Pflicht

Schnell war man sich dagegen einig, den Gesetzgeber/Verordnungsgeber aufzufordern, die Bon-Pflicht in den Apotheken und im gesamten Einzelhandel sofort abzuschaffen. Die Verpflichtung zum Ausdruck jedes einzelnen Bons für den Kunden – unabhängig, ob verlangt oder nicht – widerspricht den heutigen Bestrebungen zu mehr Klimaneutralität und Nachhaltigkeit in Industrie und Wirtschaft.

Wie nachhaltig ist eigentlich der Apothekertag?

In der Diskussion wurde auch die Nachhaltigkeit und Klimaverträglichkeit des Apothekertags hinterfragt. Kritisiert wurde das dicke Antragsheft, das noch immer auf nicht recyceltem gebleichten Papier gedruckt ist. In die Überlegungen über einen nachhaltigen Apothekertag passten auch die Ad-hoc-Anträge auf eine digitale Antrags­mappe und einen digitalen Geschäftsbericht, um Papier und Energie zu sparen. Allerdings war man sich uneinig, ob das tatsächlich nachhaltiger wäre. Zumal dann ja allen Delegierten ein Stromanschluss zur Verfügung gestellt werden müsste – so die Forderung. Der Antrag wurde zurückgezogen, die ABDA versteht ihn aber als Auftrag, die Möglichkeiten zu prüfen. Ein weiterer Ad-hoc-Antrag fordert auf, über eine klimafreundliche An- und Abreise zum DAT nachzudenken. Die Antragsteller wollten aber nur einen Impuls geben und zogen den Antrag zurück. Immerhin wurde ein Antrag angenommen, der sich dafür einsetzt, dass die Geschäftsstellen der 34 Mitglieds­organisationen der ABDA sowie die Geschäftsstellen der ABDA selbst mit all ihren Funktionen und Aufgaben ihren ökologischen Fußabdruck verringern. |

 

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