Deutscher Apothekertag 2022

Auf sichere Füße stellen

Antragsberatung zur Berufsausübung gipfelte in Resolution gegen Erhöhung des Kassenabschlags

du | Eines der drängenden Themen für die Sicherung der flächendeckenden Versorgung durch Apotheken ist die längst überfällige Honoraranpassung. Aber auch die neu implementierten pharmazeutischen Dienstleistungen müssen auf solide wirtschaftliche Füße gestellt werden. Darüber hinaus gibt es viele offene Fragen zur Verblisterung und eine intensive Diskussion darüber, ob diese Tätigkeit als honorierte Regelversorgung etabliert werden sollte. Solche Fragen waren in der Antragsberatung unter dem Punkt Rahmenbedingung der Berufsausübung subsumiert. Mit einer Resolution gegen die Erhöhung des Kassenabschlags wurde noch einmal unterstrichen, dass dies die Apotheken weder hinnehmen noch verkraften können.

Erster Antrag des Themenblocks „Berufsausübung“ war gleich ein Leitantrag zur Zukunft der Honorierung der Apotheken. Mit diesem Antrag wird der Gesetz-/Verordnungsgeber aufgefordert, nach vielen Jahren endlich eine sachgerechte Erhöhung des Apothekenhonorars vorzunehmen. Maßnahmen mit gegenteiliger Wirkung sind abzulehnen.

In der Begründung dieses unter anderem vom geschäftsführenden ABDA-Vorstand und mehreren Kammern und Verbänden gestellten Antrags wird darauf verwiesen, dass der Fixzuschlag zuletzt am 1. Januar 2013 um 0,25 Euro auf 8,35 Euro angepasst wurde. Das Apothekenhonorar sei damit seit fast einem Jahrzehnt ohne Anpassung an steigende Personal- und Sachkosten und abgekoppelt von der Inflationsentwicklung.

Foto: DAZ/du

Sammelbecken für das Honorar

Claudia Korf, ABDA-Geschäftsführerin Ökonomie, betonte, dass dieser Antrag als Sammelbecken nicht nur aller in dem Leitantrag subsumierten Einzelanträge zu sehen ist, sondern dass da viel mehr drinstecke. ABDA-Justiziar Lutz Tisch untermauerte dies. „Wir haben bewusst dieses Sammelbecken aufgemacht. Wir werden nicht einfach sagen, wir wollen mehr Geld, wir müssen gezielt schauen, wo wir was erreichen können.“ Bei dem Antrag gehe es nur um die Grundforderung.

Zahlungen gegenrechnen

Angeregt wurde, kommunikative Aspekte einzubringen und vor allem nicht mehr von 8,35 Euro Fixzuschlag zu sprechen, sondern von dem nach Kassenabschlag tatsächlich gezahlten Betrag von 6,58 Euro. Die Zahlen sollten gerechnet werden, welche Erhöhungen hat es seit 2004 gegeben, was wurde dafür geleistet? Dann müsse gegengerechnet werden, was gezahlt wurde. Dazu sind Daten notwendig, die gesammelt werden müssen. Korf verwies auf das derzeit laufende ABDA-Datenpanel, das diesmal deutlich besser angenommen würde. Man arbeite daran, die eigenen Daten zu optimieren. Im Rahmen der Diskussion wurde der Vorwurf erhoben, dass es ein großer Fehler gewesen sei, zu dem 2hm-Gutachten keine klare Gegenmeinung formuliert zu haben. Es würde immer noch die Vorstellung im Raum stehen, bei den Apotheken bestehe ein Einsparpotenzial von 1,2 Milliarden Euro. Dem entgegnete ABDA-Geschäftsführerin Korf, man habe sehr wohl etwas gemacht. Es sei ein Gegengutachten erstellt worden, das man politisch gespielt habe.

Resolution gegen höheren Kassenabschlag

Letztlich sprach sich die Hauptversammlung des Deutschen Apothekertags einstimmig für die sachgerechte Erhöhung des Apothekenhonorars aus. Nahezu zeitgleich lehnte der Bundesrat die Erhöhung des Apothekenabschlags im Rahmen des GKV-Finanzstabilisierungsgesetzes ab. Rückenwind für die Ablehnung des Kassen­abschlags gab der Apothekertag mit einer mit stehenden Ovationen verabschiedeten Resolution gegen eine Erhöhung des Kassenabschlags.

Die vorgesehene Honorarkürzung würde die Offizinen hierzulande weiter schwächen, statt sie zu stärken – eine Situation, die die Apotheken weder hinnehmen noch verkraften können. (s. Kasten Resolution).

Resolution gegen die Erhöhung des Kassenabschlags

Die im Entwurf des Gesetzes zur Stabilisierung der Finanzen der gesetzlichen Krankenversicherung vorgesehenen Kürzungs- und Reformpläne stehen in einem krassen Gegensatz zu dem im Koalitionsvertrag festgelegten Vorhaben, die Apotheken vor Ort zu stärken. So wird aus der angekündigten Apothekenstärkung eine massive Apothekenschwächung, die die Apotheken weder hinnehmen werden, noch verkraften können.

Nachdem es seit vielen Jahren keine Anpassung der Vergütung gegeben hat, Sach- und Personalkosten zugleich stark gestiegen sind und die hohe Inflation sowie die Preisexplosion auf dem Energiemarkt auch die Apotheken hart treffen, vernichten solche Einsparungen endgültig die wirtschaftliche Grundlage vieler Apotheken.

Diese Gefahr hat der Bundesrat in seiner Sitzung vom 16.09.2022 erkannt und für eine Streichung der geplanten Anhebung des apothekerlichen Kassenabschlags votiert. Die Hauptversammlung der deutschen Apothekerinnen und Apotheker appelliert daher an Bundesgesundheitsminister Professor Karl Lauterbach und die Abgeordneten des Deutschen Bundestages: Folgen Sie dem Votum des Bundesrates!

Ein Pakt für die Mitarbeiter

Mit großer Zustimmung wurde ein Antrag der Apothekerkammer und des Apothekerverbands Schleswig-Holstein mit dem Titel „Mitarbeiterpakt“ verabschiedet. Mit diesem Antrag wurde der Gesetz-/Verordnungsgeber aufgefordert, die Honorierung der Apotheken zu erhöhen, um damit die gestiegenen Gehälter der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu refinanzieren. Die Idee: ein Fonds entsprechend dem Nacht- und Notdienstfonds, der in der Arzneimittelpreisverordnung verankert wird. Der Aufschlag soll an die Tarifanpassungen in den öffentlichen Apotheken gekoppelt werden.

Nettobetrag für Kassenrabatte

Krankenkassenrabatte werden derzeit als Bruttobeträge ausgewiesen. Um von möglichen Änderungen der Umsatzsteuer unabhängig zu sein, wurde der Gesetz- bzw. Verordnungsgeber aufgefordert, den Rabatt nach § 130 Abs. 1 SGB V als Netto­betrag festzuschreiben. Der Antrag wurde mit übergroßer Mehrheit an­genommen.

Verluste durch das E-Rezept ausgleichen – aber wie?

Ein Antrag auf Ausgleich der Verluste aufgrund der Einführung des E-Rezeptes wurde in den Ausschuss verwiesen. Ausgangspunkt für diesen Antrag war die Hypothese, dass mit einer Abwanderung von 10 bis 15% der Rezepte in den Versandhandel zu rechnen ist. Das werden viele Apotheken betriebswirtschaftlich nicht mehr verkraften. Korf warnte: Wer Gewinn mit E-Rezepten macht, werde diesen nicht abgeben. Der Gesetzgeber könne auf die Idee kommen, einen Sicherstellungsfonds einzurichten, um potenzielle Verluste ausgleichen zu können. Sie riet dazu, erst einmal abzuwarten. Die präventive Forderung berge die Gefahr, dass „uns ein Instrument übergeworfen wird, das wir so nicht bestellt haben“: Der Antrag wurde in einen Ausschuss verwiesen.

Vergütung für ePA-Einträge

Geht es nach dem Willen der Hauptversammlung, dann sollen in Zukunft Einträge in die elektronische Patientenakte (ePA) vergütet werden, denn nach §346 SGB V hätten Apotheken darauf einen Anspruch. Die gesetzlichen Krankenkassen sind aufgefordert, dazu unverzüglich Verhandlungen aufzunehmen. Die ABDA hat den Auftrag, sich zeitgleich um die notwendigen Abrechnungsformularien und deren technische Umsetzung für die Apotheken zu kümmern. Mit übergroßer Mehrheit wurde zudem einem Antrag zugestimmt, der den Gesetzgeber dazu auffordert, die Voraussetzungen für die Vergütung arzneimittelbezogener DIGA-Einträge in die elektronische Patientenakte zu schaffen. Zudem sollen, so ein weiterer mit übergroßer Mehrheit angenommener Antrag, sogenannte On-Bording-Tätigkeiten wie das Ausstellen von Impfzertifikaten als Dienstleistungen im SGB V verankert und vergütet werden.

Honorar für Hersteller­abschlag-Inkasso

Nahezu 100%ige Zustimmung erhielt der Leitantrag, der ein Honorar für das Inkasso des Herstellerabschlags fordert. Zum einen fordert die Hauptversammlung damit den Gesetz-/Verordnungsgeber auf, festzuschreiben, dass die Apotheken für Ausfälle wie Insolvenzen der Hersteller nicht haften. Zum anderen geht an die gleiche Adresse die Forderung, dass das derzeit unentgeltlich erbrachte Inkasso in angemessener Höhe zu vergüten ist.

Vergütung der pharmazeutischen Dienstleistungen

Auch die Vergütung der pharmazeutischen Dienstleistungen (pDL) muss auf tragfähige Füße gestellt werden. Mit übergroßer Mehrheit wurde ein Antrag verabschiedet, der eine regelmäßige Vergütungsanpassung von bereits bestehenden pDL ebenso fordert wie die Schaffung von Spielraum für weitere pDL.

Kampf gegen Nullretaxationen

Ebenfalls nahezu einstimmig wurde der Leitantrag angenommen, der den Gesetz-/Verordnungsgeber zu entsprechenden gesetzlichen Regelungen zu Retaxationen auffordert, die mit fünf Punkten präzisiert werden. Darüber hinaus soll eine bundesweite Medienkampagne durchgeführt werden, die auf das Problem der unrechtmäßigen Nullretaxationen wegen fehlender Dosierungsangaben auf dem Rezept hinweist. Dadurch sollen die Ärzteschaft, Patienten und Politik gleichermaßen aufgeklärt werden. Ziel ist es, dieses Vorgehen der Kassen zu unterbinden.

Verblisterung als honorierte Regelversorgung

Leidenschaftlich wurde um den Antrag gerungen, der die Anerkennung der Verblisterung als gesonderte honorierte Regelversorgung durch den Berufsstand und die ABDA gefordert hatte. Dabei sollte das Verblistern als eine in allen Arbeitsschritten durch Pharmazeuten qualitätsgesicherte Herstellung als gesondert honorierte Regelversorgung gegenüber Politik, Krankenkassen und Öffentlichkeit propagiert werden. ABDA-Justiziar Tisch betonte, dass man sich seit 2012 mit der Thematik beschäftige: „Wir behindern noch begünstigen das Verblistern!“ Es gebe eine Arbeitsgruppe, die etwas schleppend vorankomme. Ein Problem wird in den Blisterzentren gesehen. Die allermeisten Blisterzentren seien ausgegründete Unternehmen, so Tisch. Sie würden nicht dem Fremd- und Mehrbesitzverbot unterliegen. Die Gefahr bestehe, dass die derzeit noch zwischengeschaltete Apotheke überflüssig werde und ein Großteil der chronisch Kranken dann direkt von den Blisterzentren versorgt würden. Der Antrag habe ein gewisses Risiko, so Tisch. Er ordnete seine Brisanz kurz unter dem des Rx-Versandverbots ein. Diskutiert wurde auch die Frage des Kontrahierungszwangs, sollte Verblistern ein Teil der Regelversorgung werden. Zu bedenken wurde gegeben, dass eine Aufnahme in die Regelversorgung eine Strukturreform nach sich ziehen würde mit Konsequenzen für alle. Denn der vollver­sorgende Großhandel, von dem die Apotheken größtenteils leben, würde geschwächt. Blisterhersteller würden keine Rabatte geben, im Gegenteil, man müsse sie zahlen. Zudem würden die Apotheken bei Inanspruchnahme der Blisterzentren ihren größten Schatz, die Patientendaten aus der Hand geben. „Wir geben damit ein großes Stück unserer Freiheit und Selbstständigkeit aus der Hand – bitte ablehnen!“, so der emotionale Appell eines Delegierten, dem die Hauptversammlung folgte. Der Antrag wurde in dieser Form mit großer Mehrheit abgelehnt. Die Diskussion ist damit nicht beendet, denn es gibt viele Argumente für eine Verblisterung in den Apotheken vor Ort. Nicht zuletzt eine sicherere patientenindividuelle Versorgung. Um hier eine rechtssichere und nicht schädliche Umsetzung auf den Weg zu bringen, müssen viele Facetten berücksichtigt werden. Mit der Ablehnung des Antrags setzt man nun auf die Arbeitsgruppe Verblisterung bei der ABDA.

Versorgung mit Grippe­impfstoffen

Inzwischen ist die Grippeschutzimpfung in Apotheken in die Regelversorgung übernommen worden. Um die Apotheken für diese Dienstleistung angemessen zu honorieren, soll die ABDA Daten erheben, die Auskunft über die Höhe der in den Apotheken entstehenden Aufwände geben. Auf dieser Basis sind ABDA/DAV aufge­fordert, eine Anhebung der Honorare auszuhandeln, bei der ein Ansatz von 1,17 Euro pro Minute für Apothekerinnen und Apotheker sowie 0,87 Euro pro Minute für qualifiziertes bzw. geschultes Personal berücksichtigt werden soll. So fordert es ein Leitantrag, mit dem auch der Gesetz/Verordnungsgeber aufgefordert wird, die Vergütung der Apotheke für die Beschaffung, Vorratshaltung und Versorgung der Ärzte mit den Grippeimpfstoffen finanziell auskömmlich zu gestalten und für die finanzielle Rückerstattung nicht genutzter Grippeimpfstoffe Sorge zu tragen. Der Antrag wurde mit übergroßer Mehrheit angenommen.

Aufwand bei Nichtverfügbarkeit

Die Krankenkassen sollen dazu verpflichtet werden, den Arbeits­aufwand zu erstatten, der den Apotheken bei Nichtverfügbarkeit von Arzneimitteln entsteht. Ein entsprechender Antrag wurde nahezu einstimmig angenommen.

Arzneimittel der besonderen Therapierichtungen

Nicht abgestimmt wurde der Antrag, der die Abschaffung der Sonderstellung der Arzneimittel der besonderen Therapierichtungen in der GKV zum Inhalt hatte. In einer kurzen Diskussion wurde das Problem des Wirksamkeitsnachweises diskutiert, das zu Kollateralschäden bei der Phytotherapie führen könnte. Denn im Antrag hieß es, dass für Arzneimittel der Alternativmedizin die gleichen Anforderungen gestellt werden sollten wie für jedes andere Arzneimittel auch. Dem Geschäftsordnungsantrag „Übergang zum nächsten Antrag“ wurde zugestimmt.

Entbürokratisieren und Präqualifizierung abschaffen

Mit übergroßer Mehrheit wurden die Leitanträge zur Entbürokratisierung und zur Abschaffung der Präqualifizierung verabschiedet. In Sachen Präqualifizierung wird der Gesetz-/Verordnungsgeber aufgefordert gesetzlich festzuschreiben, dass Apotheken für die Versorgung Versicherter gesetzlicher Krankenkassen ohne Präqualifizierungszertifikat die Voraussetzung erfüllen, wenn es sich um apothekenübliche Hilfsmittel handelt, für die keine handwerkliche Zurichtung erforderlich ist. |

 

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