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Deutscher Apothekertag 2022
Vier Gründe, weshalb Apotheken einen erhöhten Abschlag nicht kompensieren können
Eine kommentierende Analyse
1. Mehr und teurere Arzneimittel wären ein viel größeres Problem
Der erhöhte Apothekenabschlag von 2,00 Euro statt 1,77 Euro (jeweils brutto) würde ausgehend von eher niedrig geschätzten 617 Millionen GKV-Rx-Arzneimitteln pro Jahr eine Durchschnittsapotheke jährlich mit einer Rohertragseinbuße von 6400 Euro belasten (siehe „Welche Folgen haben die Sparpläne?“, DAZ 2022, Nr. 27, S. 10). Um dies über den dreiprozentigen Zuschlag auf Rx-Arzneimittel zu kompensieren, müsste der Umsatz mit Rx-Arzneimitteln um etwa 213.000 Euro pro Durchschnittsapotheke steigen. (Bei dieser Abschätzung wird ausgehend von Lauterbachs These unterstellt, dass der Zuwachs aus Hochpreisern entsteht, bei denen der Festzuschlag weitgehend zu vernachlässigen ist.) Gemäß Apothekenwirtschaftsbericht setzte 2021 eine Durchschnittsapotheke 3,079 Millionen Euro um, davon 80,4% mit Rx-Arzneimitteln, also 2,475 Millionen Euro. Demnach müsste dieser Umsatz um 8,6% wachsen, damit die Apotheken die Einbuße beim Apothekenabschlag kompensieren. Das beträfe die GKV und die PKV gemeinsam. Dann müsste aber auch der GKV-Rx-Arzneimittelumsatz in der Gesamtbetrachtung um 8,6% steigen. Demnach müsste das Ministerium also milliardenschwere Mehrausgaben der GKV durch teurere Arzneimittel erwarten. Bei Arzneimittelausgaben von 35,65 Milliarden Euro (für 2021, gemäß Apothekenwirtschaftsbericht, vor Rabattabzug) ginge es um gut drei Milliarden Euro mehr. Dann bestünde dort Handlungsbedarf, aber nicht bei den Apotheken.
2. Umverteilung durch Apothekenschließungen darf nicht zur Kompensation dienen
Das obige Argument würde sich relativieren, wenn viele Apotheken schließen und sich die erwartete Umsatzsteigerung bei den verbleibenden Apotheken aus der Umverteilung ergibt und nicht oder nur in geringem Maß aus höheren GKV-Ausgaben für Arzneimittel. Das widerspricht aber der Idee Lauterbachs, dass die Apotheken die Belastung verkraften. Das sollte als Erklärung also wegfallen.
3. Die prozentuale Komponente wird als Inflationsausgleich dringend gebraucht
Der 3%ige Zuschlag auf Rx-Arzneimittelpreise ist der einzige relevante Teil der Honorierung der Apotheken durch die GKV, der mit höheren Preisen steigt. Nur hier gibt es einen gewissen Inflationsausgleich. Bei einem Umsatzanteil der Rx-Arzneimittel von 80,4% und einem Wareneinsatz von 76,8% (gemäß Apothekenwirtschaftsbericht für 2021) fließen etwa 1,85% des Apothekenumsatzes aus dem preisabhängigen Zuschlag für Rx-Arzneimittel in den Rohgewinn. (Anders als in der Rechnung unter „Erstens“ werden hier alle Rx-Arzneimittel über das ganze Preisspektrum berücksichtigt, weil sie hier alle einen Beitrag leisten.) Die Kosten der Apotheken machen aber im Durchschnitt 16,8% des Umsatzes aus. Also gäbe es für nur etwas mehr als ein Zehntel der Kosten einen Inflationsausgleich, sofern die Rx-Arzneimittelpreise mit der Inflation steigen würden. Das ist allerdings bei den meisten Arzneimitteln unrealistisch – zum Leidwesen der Pharmaindustrie. Dies ist also nur eine kümmerliche Ankopplung an das Wirtschaftsgeschehen, aber jetzt wird jeder noch so kleine Beitrag benötigt, um wenigstens einen kleinen Teil der Kostensteigerungen aufzufangen. Doch nach der Logik des Ministeriums soll dieser Betrag offenbar verwendet werden, um die zusätzliche Belastung durch das Spargesetz zu kompensieren.
4. Teurere Packungen verursachen auch mehr Kosten
Bei der ganzen bisherigen Betrachtung wird unterstellt, dass zusätzlichen Einnahmen durch teurere Rx-Arzneimittel keine zusätzlichen Kosten gegenüberstehen. Doch das ist falsch. Höhere Umsätze führen zu höheren Beiträgen und Prämien. Hochpreiser erhöhen das Bruch- und Retax-Risiko. Sie lösen aufwendige Prüfungen und Schutzmaßnahmen beim Handling aus. Das alles kostet Geld und das steht dann nicht mehr zur Kompensation neuer Einbußen zur Verfügung. Hier liegt ein ähnlicher Irrtum vor wie im Jahr 2012 bei der unzureichend bemessenen Anpassung des Festzuschlags. Damals wurde der zusätzliche Rohertrag durch zusätzliche Packungen als Entlastung gegengerechnet. Damals wurde ignoriert, dass zusätzliche Packungen mehr Arbeit und damit mehr Kosten verursachen. Im Jahr 2022 wird nun offenbar ignoriert, dass der Umgang mit teureren Hochpreisern ebenfalls zusätzliche Kosten verursacht.
Falls das Bundesgesundheitsministerium so gerechnet haben sollte, geht das nicht auf. Doch der Minister hat beim Apothekertag angekündigt, es solle noch mal nachgerechnet werden. Das sollte zu neuen Erkenntnissen führen! |
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