Beitrag in AOK-Magazin zu EU-weiter Vereinheitlichung

Pharmaziestudium kürzen und Apotheken dem Markt überlassen

Berlin - 19.12.2024, 16:15 Uhr

„Überqualifizierung“ verringern? (Foto: DAZ/Schelbert)

„Überqualifizierung“ verringern? (Foto: DAZ/Schelbert)


Die Regulierung der Apotheken ist in der EU Aufgabe der Nationalstaaten. In einem Beitrag für das AOK-Magazin „Gesundheit und Gesellschaft“ argumentieren die Autoren nun für eine Vereinheitlichung. Als Orientierungspunkt dient ihnen offensichtlich, was der jeweils niedrigste Standard in den von ihnen verglichenen Staaten ist.

„Die Zeit ist reif, einen EU-weit einheitlichen Regelungsrahmen für öffentliche Apotheken einzuführen.“ Das schreiben die Gesundheitsökonomen Gisbert W. Selke, Riccardo Roni und Livio Garattini in einem Beitrag für die derzeitige Ausgabe des AOK-Magazins „Gesundheit und Gesellschaft“.

Dafür vergleichen sie Regelungen in ausschließlich west- und nordeuropäischen Staaten und stellen fest: „Die Interessen der Bevölkerung an einer dauerhaft finanzierbaren Versorgung mit dem Gut Gesundheit stehen potenziell im Widerspruch zu den finanziellen Interessen der im Markt agierenden Apotheker.“ Ihre Lösung: das Pharmaziestudium verkürzen, den Apothekenmarkt liberalisieren und das Honorar für erstattungsfähige Arzneimittel auf den Fix-Beitrag reduzieren.

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Der Vorschlag zur Dauer des Pharmaziestudiums orientiert sich an der kurzen Zeit in den skandinavischen Ländern, wo eine dreijährige Bachelor-Zeit für die Beschäftigung in öffentlichen Apotheken ausreicht. In Ländern wie Deutschland, Frankreich und Italien würde das zu einer erheblichen Verkürzung führen.

Apotheke als Abgabestelle

Die Autoren begründen dies damit, dass die Arbeit in den Apotheken sich in den vergangenen Jahrzehnten „zunehmend darauf verengt, Verschreibungen zu prüfen und die verschriebenen Fertigarzneimittel abzugeben“. Dennoch würden „die Standesorganisationen hartnäckig den Status der Apotheke als etwas Besonderes“ verteidigen.

Studierende würden mit dem verkürzten Studium „zielgerichtet“ vorbereitet, „um die grundlegende Dienstleistung der Arzneimittelabgabe professionell auszuführen“. Gleichzeitig könnte die „Überqualifizierung für ihre Haupttätigkeiten, die sich in der Vergangenheit eingeschlichen hat“ verringert werden.

Die „lokalen Märkte“ regeln

Zur Regulierung von Inhaberschaft, Anzahl und Ort der Apotheken heißt es, diese sollten „den lokalen Märkten“ überlassen werden. Apotheken seien ohnehin bereits „private Wirtschaftsbetriebe“ und die Handelstätigkeit habe „Oberhand über Aufgaben der öffentlichen Gesundheitspflege“.

Als Beispiel wird genannt, dass Inhaber in ihren Apotheken nicht nur Arzneimittel anbieten, sondern auch Erzeugnisse, „die mitunter sogar im Widerspruch zu seiner Fachausbildung stehen (beispielsweise Anti-Aging-Produkte, Nahrungsergänzungsmittel und Homöopathika)“. Zudem hätten Apotheken durch ihr Abgabemonopol „ohne jeglichen Kostenaufwand Zugang zu Kunden“ und die Möglichkeit, ihnen auch andere Produkte zu verkaufen.

„Marketing-Vorteil“ beim Honorar einpreisen

Zur Beschränkung auf den Fixanteil beim Honorar für erstattungsfähige Arzneimittel schreiben die Autoren, dass die Höhe den „Marketing-Vorteil“ – also der Zugang zu Kunden, die Arzneimittel brauchen – in Rechnung stellen müsse. Angepasst werden soll diese nach nationalen Inflationsraten.

Ein variabler Anteil sei nicht gerechtfertigt, da keine Lagerkosten anfallen. Großhändler würden überall in Europa einen täglichen Lieferdienst anbieten. „Weder ist in der Apotheke ein großes Sortiment an Produkten ständig vorzuhalten, noch sind teure Produkte mit größeren Beträgen vorzufinanzieren“, schreiben die Autoren. Weitere Einkommensquellen sollen die Apotheken mit Großhändlern verhandeln.

Abschließend heißt es, dass die Grundcharakteristika in allen EU-Staaten ähnlich wären und die Systeme deshalb leicht zu harmonisieren wären. Sie würden mit ihren Vorschlägen das Ziel verfolgen, „einen dauerhaften und nachhaltigen Ausgleich zwischen den privaten Wirtschaftsinteressen öffentlicher Apotheken und den öffentlichen Interessen der Gesundheitssysteme zu finden“.


Matthias Köhler, DAZ-Redakteur
redaktion@daz.online


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2 Kommentare

Womit verdienen die Geld?

von Stefan Haydn am 19.12.2024 um 19:41 Uhr

Ist ja schön, wenn angebliche Experten ihre Ahnungslosigkeit so offensichtlich offenbaren und ihren Status als Experte damit quasi selbst in Frage stellen.

Problematisch ist leider nur der Kollateralschaden der für die Patienten in der Versorgung, auch monetär, angerichtet wird.
Was machen die Experten, wenn der Großteil der Pharmazeuten ihnen den Vogel zeigt und erst gar nicht mehr für die Arzneimittelversorgung zur Verfügung stehen will?

Das mit den Lagerkosten war mir jetzt auch neu. Die Experten könne sich ja gerne mal mein nicht vorhandenes Lager und den Wert anschauen.

Gott, man kann echt mit Ahnungslosigkeit und Dreistigkeit viel Geld verdienen!

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AOK- Ideen

von Roland Mückschel am 19.12.2024 um 17:49 Uhr

Tja, da fällt mir auch nix mehr ein.
Wir leben doch in einem Multiversum.

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