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Es war der Donnerschlag der Woche, nein, der bisherigen ABDA-Geschichte: Die ABDA-Mitgliederversammlung versagt der siegessicher angetretenen amtierenden Präsidentin ihre Zustimmung mit 52:48 Prozent – einen Gegenkandidaten, eine Gegenkandidatin gibt es nicht. Immerhin, da funktioniert die Demokratie noch – die Mehrheit ist, warum auch immer, mit Overwiening nicht zufrieden und wählt sie ab: Gestern noch Blumen, heute die rote Karte. Bei der ABDA-Satzungsänderung mit der Entmachtung des Apothekertags konnten sich die Gegner dagegen nicht durchsetzen: Die Beschlüsse des Apothekerparlaments bleiben zahnlos, zumindest für die nächsten beiden Jahren, das letzte Wort hat die Mitgliederversammlung. Was ist los mit der ABDA, hat das Konstrukt aus Kammern und Verbänden überhaupt noch eine reelle Zukunft? Oder ist die ABDA ein Auslaufmodell? Ist das jetzt der Anfang vom Ende – angesichts eines zunehmenden Apothekensterbens?
9. Dezember 2024
„Wir müssen dringend die wirtschaftliche Kraft der Apotheken stärken“, sagte Hans-Peter Hubmann, der für vier Jahre wiedergewählte Vorsitzende des Deutschen Apothekerverbands im DAZonline-Interview. Wie Recht er doch hat. Die bisher unterfinanzierten Leistungen der Apotheken – er nennt hier beispielhaft den Botendienst, die BtM-Dokumentation, den Notdienst und die Rezepturherstellung – müssten besser vergütet werden. Und was ist mit unserem Fixum? Es muss dynamisiert werden, ja, und was ist mit der 12 Euro-Forderung? Nun ja, mein liebes Tagebuch, die will Hubmann so nicht mehr nennen, er will lieber die geforderte Gesamtsumme sehen. Und jede neue Dienstleistung müsse zum Gewinn der Apotheke beitragen, sagt er. Mein liebes Tagebuch, das hätte eigentlich die Forderung des DAV schon vor Jahren sein müssen, als wir immer mehr Leistungen aufgebrummt bekommen haben, Stichwort Lieferengpass-Management für 50 Cent. Aber nun gut, fordern kann man viel. Und was mögliche Honorarverhandlungen mit dem GKV-Spitzenverband betrifft, wie sie Lauterbach vorhatte, so hätte Hubmann doch lieber einen gewissen Automatismus, andernfalls harte Leitplanken des Gesetzgebers für eine Verhandlung, damit das Honorar nicht geringer ausfällt. DAZ-Vize Anke Rüdinger zeigt sich optimistisch, sie sieht, dass sich die Stimmung bei den Gesprächen mit dem GKV-Spitzenverband wandelt: „Der GKV-Spitzenverband nimmt wahr, dass wir zu neuer Stärke gefunden haben.“ Mein liebes Tagebuch, da hoffen wir mal, dass dieser Eindruck lange hält – und es nicht beim Eindruck bleibt.
10. Dezember 2024
Vielleicht hätte Günther Jauch doch auf das Werbe-Engagement für die Shop Apotheke verzichten sollen: Bei den Apothekenteams hat er eh schon verspielt, laut „Focus“ hätten alteingesessene Apothekerinnen und Apotheker den Moderator mittlerweile „zum Feind auserkoren“. Der Focus-Beitrag legt Jauch mit zur Last, dass immer mehr Apotheken schließen müssen. Der Sächsische Kammerpräsident Göran Donner sieht zumindest eine Mitverantwortung von Jauch, dass so viele Apotheken schließen müssen: Günther Jauch sollte wissen, „dass das mancher Kleinstadt den Todesstoß versetzt“. Mein liebes Tagebuch, mehr als unschön, aber es wird Jauch vollkommen kalt lassen, ob da noch ein paar weitere Apotheken über die Wupper gehen – Hauptsache seine Kasse stimmt.
Der Hessische Apothekerband (HAV) ist nicht mit der Entmachtung der Hauptversammlung des Deutschen Apothekertags (DAT) einverstanden. Auch wenn der DAT bisher schon kein Organ der ABDA war, wie es die ABDA-Präsidentin Overwiening schonungslos deutlich machte, spricht sich der HAV mit Nachdruck gegen die geplante Satzungsänderung der ABDA aus, er werde auf der Mitgliederversammlung dagegen stimmen. Der HAV sieht darin eine klare Schwächung der demokratischen Mitbestimmung und fordert stattdessen eine Reform, die den DAT als entscheidendes Organ mit bindendem Charakter stärkt. HAV-Chef Holger Seyfarth möchte stattdessen eine Satzungsänderung für mehr Demokratie und Verbindlichkeit. Mein liebes Tagebuch, man kann ihm nur zustimmen: Solche undemokratischen Strukturen, wie sie mit der Satzungsänderung zementiert werden sollen, haben nichts in einem zeitgemäßen Verband zu suchen. Ups, ist die ABDA in dieser Form noch zeitgemäß?
Ja, passt die ABDA noch in die heutige Zeit? Das fragt sich ein einem Gastkommentar auch Prof. Reinhard Herzog. Allein schon das Konglomerat von Apothekerkammern als Körperschaften des öffentlichen Rechts und Apothekerverbänden als Interessensvertretung für die wirtschaftlichen Belange kann doch nur zu einem Zielkonflikt führen. Herzog: „Eine disziplinarische Aufsicht, der hehren Pharmazie und dem Berufsethos verpflichtet, steht nicht zwangsläufig im Einklang mit schnöden kaufmännischen Interessen.“ Eine Verbandsstruktur, die von einer sich selbst im Wege stehenden Dachorganisation befreit wäre, könnte zielgerichteter und kraftvoller aufspielen, so Herzogs Schlussfolgerung. Mein liebes Tagebuch, es wäre in der Tat eine echte Strukturreform gewesen, wenn die ABDA über diese eigentlich unhaltbare Zwitterstellung zwischen Kammer und Verband nachgedacht und eine Reform eingeleitet hätte. Wir wär’s damit: Eine Bundesapothekerkammer als Spitzenorganisation fürs Ethische auf der einen Seite und auf der anderen Seite eine Organisation der Apothekerverbände mit einem Manager an der Spitze, der weiß, wie man wirtschaftliche Interessen gegen Kassenbosse und andere durchsetzt.
11. Dezember 2024
Mit diesem Donnerschlag hatte niemand gerechnet: Gabriele Regina Overwiening, die bereits vor einigen Wochen angekündigt hatte, erneut für das Amt der ABDA-Präsidentin zu kandidieren, wurde von der ABDA-Mitgliederversammlung (dies sind die 34 Mitgliedsorganisationen) nicht wieder gewählt: Nur 48 Prozent der Anwesenden stimmten für Overwiening, 52 Prozent gegen sie. Das gab’s bei früheren Präsidiumswahlen noch nie: Wer im Vorfeld der Wahl ausgeguckt, ausgeklüngelt war, erhielt die Mehrheit der Stimmen. Diesmal war’s anders. Was sagt uns das? Was lief da schief? Overwiening – noch beim diesjährigen Apothekertag wurde sie mit Standing Ovations gefeiert. In ihrer eigenen Kammer (Westfalen-Lippe) wurden ihr Blumen überreicht: Sie hatte vor Kurzem das Bundesverdienstkreuz erhalten; Overwiening habe diesen Orden „so was von verdient“, meinte ihr Vizepräsident Frank Dieckerhoff. Mein liebes Tagebuch, die Stimmung in den Mitgliedsorganisationen dürfte eine andere gewesen sein, mit der Arbeit Overwienings als ABDA-Präsidentin waren nicht alle Mitgliedsorganisationen (und nicht alle Apothekerinnen und Apotheker an der Basis) zufrieden. Nun, es war ja auch eine schwierige Amtszeit: die Lieferengpässe, das fortschreitende Apothekensterben und dann der Kampf gegen Lauterbachs Apothekenreform, um nur einige Eckpunkte zu nennen. Manche sollen auch Overwienings Führungsstil als autoritär empfunden haben und nicht damit zurecht gekommen seien. Man hätte sich durchaus vorstellen können, dass sich eine andere Führungsperson an der Spitze noch energischer, kämpferischer und mutiger gegen politische Vorhaben und politische Ignoranz stellt – vor allem als deutlich wurde, dass Reden nicht mehr hilft. 500 Apotheken weniger im Jahr sind mehr als genug.
Schließlich ist da auch noch die Satzungsänderung der ABDA, die eine Verschlankung des ABDA-Apparats zur Folge hat, aber auch eine Entmachtung der Hauptversammlung des Apothekertags vorsieht, eine Entmachtung, die einige Kammern und Verbände kritisch sehen und die sich dafür einsetzen, diesen Teil der Satzungsänderung nicht anzunehmen. Overwiening verteidigte diese Entmachtung mit dem Hinweis, es ändere sich eigentlich nichts, da die Hauptversammlung auch bisher nicht demokratisch legitimiert gewesen sei, mit anderen Worten: Die ABDA hatte die Beschlüsse des Apothekertags schon immer nur als Empfehlung gesehen und Unliebsames in Ausschüssen beerdigt. Mein liebes Tagebuch, ob die Haltung Overwienings, die Satzungsänderung so beschließen zu wollen, das Fass zum Überlaufen gebracht hat oder ob die Nein-Stimmen nur eine Art Denkzettel sein sollten oder ob letztlich die allgemeine Unzufriedenheit mit der Präsidentin und ihrer Präsidiumsführung den Ausschlag gaben, werden wir in den Memoiren einer Präsidentin nachlesen können. Die Zeitspanne von himmelhochjauchzender Zustimmung und einem klaren So-nicht-mehr-Weiter kann kurz sein, wie wir gesehen haben. Und Demokratie kann hart sein.
Overwiening hat verstanden, sie wird nicht erneut zur Wahl antreten. Aber ja, sie ist enttäuscht, noch am Morgen der Wahl sei sie sicher gewesen, dass es in dem Gremium einen „offenen Austausch“ gebe, aber letztlich müsse man bei demokratischen Wahlen auf Niederlagen gefasst sein. Vielleicht hatte sie auch Anzeichen übersehen, dass sich durchaus kein überragendes Ergebnis erzielen lässt.
Und noch immer fragen sich viele, ob es wirklich der Wunsch der ABDA-Mitgliedsorganisationen war, Overwiening abzuwählen oder ob man ihr nur einen Denkzettel mit auf den Weg geben wollte in Form eines knappen Wahlsiegs, was sich dann allerdings als zu knapp zeigte. Und man muss sich fragen, warum die ABDA-Mitglieder keine Alternativ-Kandidatin oder -Kandidaten im Vorfeld aufgestellt haben, wenn sie es mit dem Sturz der Präsidentin ernst gemeint haben. Auch dies wäre ein Zeichen von Demokratie, wenn man sich outet und sich zur Wahl stellt.
Es ist wie es ist. Aus so manchem Donnerschlag entsteht etwas gutes Neues. Und so geht’s nun weiter: Die Mitgliedsorganisationen können jetzt neue Personen für die drei ABDA-Spitzenämter vorschlagen, also fürs Präsidium, das Vizepräsidium und die Vertretung der nicht-selbstständigen Apothekerinnen und Apotheker. Innerhalb von sechs Wochen kommt dann die Mitgliederversammlung für eine Neuwahl erneut zusammen: Am 16. Januar 2025 wird wieder gewählt. Bis zur Neuwahl bleiben die gewählten Vorstandsmitglieder nach der Satzung im Amt.
Falls Mathias Arnold, der bisherige Vize-Präsident und Vorsitzender des Landesapothekerverbands Sachsen-Anhalt, bei der Neuwahl wieder antritt, muss laut Satzung der Präsident, die Präsidentin aus dem Reihen der Kammern und nicht aus den Verbänden kommen. Was sollte der- oder diejenige fürs Präsidium mitbringen? Führungserfahrung wäre nicht schlecht, berufspolitische Erfahrung ebenso. Die Person sollte auch redegewandt, durchsetzungsstark sein und den Mut haben, neue Wege zu gehen, mehr Demokratie zu wagen. Mein liebes Tagebuch, die Spannung steigt, wer den Hut in den Ring wirft.
12. Dezember 2024
Aufarbeitung des Wahlausgangs ist angesagt. Unter denen, die hinter Overwiening standen, zeigt sich Unverständnis über das Wahlergebnis, die Rede ist auch von menschlicher Enttäuschung, es sei ein Bärendienst für den Berufsstand, man habe kein Verständnis dafür, in einer politisch hochsensiblen Situation Intrigen zu spinnen und Spielchen zu spielen. Overwienings Gegner dagegen hatten wohl nicht gerechnet, dass Overwiening die Mehrheit nicht erreicht. Mein liebes Tagebuch, Overwiening wird nun ihr Amt bis zu den Neuwahlen geschäftsführend weiter ausüben. Schwierig wird es allerdings, Gespräche mit der Politik zu führen, dafür fehle ihr das Mandat. Und so gesehen kommt dieses Wahldebakel recht ungelegen: In den nächsten Wochen werden die Parteien ihre Wahlprogramme veröffentlichen. Hoffen wir, dass sie das Vakuum in der Apothekerschaft nicht missinterpretieren.
Kommen wir zum Knackpunkt der ABDA-Satzungsänderung, die Entmachtung der Hauptversammlung des Apothekertags. Ein Adhoc-Antrag auf dem Apothekertag hatte der Mitgliederversammlung einen Arbeitsauftrag erteilt, die Satzungsänderung zurückzunehmen und stattdessen die Rolle das Apothekertags uns des Plenums zu stärken. Am 11. Dezember sollte darüber abgestimmt werden, wie es damit weitergeht. Es ist der Initiative von Hessens Kammerpräsidentin Ursula Funke zu verdanken, dass dieser Tagesordnungspunkt in der Mitgliederversammlung vorgezogen wurde, nachdem zunächst geplant war, bereits einige Tagesordnungspunkte zuvor, die Satzungsänderung abzusegnen. Mein liebes Tagebuch, was ist das Ergebnis der Diskussion? Die Satzungsänderung tritt in Kraft. Aber die ABDA-Spitze hat das Problem wahrgenommen, man wolle erstmal evaluieren, wie sich die im Januar in Kraft tretende Satzung mit der neuen Rolle des DAT tatsächlich auswirke. Als Zeitfenster für die Evaluation wurden zwei Jahre anvisiert. Mein liebes Tagebuch, d. h. im Klartext: Bei den nächsten beiden Apothekertagen hat die Mitgliederversammlung letztendlich das Sagen, egal wie die Hauptversammlung entschieden hat. Es wird so verfahren, wie es in der Satzung steht, eine Hauptversammlung ohne Macht, ohne Stimme diskutiert über Anträge rauf und runter und die MV entscheidet dann, was ihr passt oder nicht. Die ABDA macht also weiter wie sie es bisher gewohnt war. Vermutlich wird dann nachträglich der Adhoc-Antrag in einen Ausschuss verwiesen – mein liebes Tagebuch, wir wissen was das heißt. Es ist zum Heulen!
13. Dezember 2024
In der Pharmazeutischen Zeitung macht sich Overwienings Vorgänger und ABDA-Ehrenpräsident, Friedemann Schmidt, so seine Gedanken zum Wahlausgang. War es ein fehlgegangener Warnschuss oder ein geplanter Umsturz? Wieso gab es keine Gegenkandidaten, fragt Schmidt. Normalerweise sei das Procedere eine „Friedenswahl“. Aber dieses Mal habe die Unzufriedenheit überwogen. Schmidt verweist auf die schwierigen Bedingungen, unter denen seine Nachfolgerin arbeiten musste. Und er sieht durchaus die Konfliktlinien in den beiden Säulen der ABDA, den Kammern und den Verbänden. Beide hätten unterschiedliche Interessen – und so sei es eine der wichtigsten Aufgaben eines ABDA-Präsidenten, einer ABDA-Präsidentin, zwischen beiden zu moderieren. Mein liebes Tagebuch, schön, dass dies ein erfahrener Ehrenpräsident selbst anspricht. Liegt es da nicht auf der Hand, dass in finanziell extrem angespannten Zeiten und angesichts jährlich rund 500 Apothekenschließungen solch ein Konstrukt nicht mehr funktionieren kann? Geschwächt sei die ABDA durch den Wahltag allerdings nicht, sinniert Schmidt, denn der Vorwurf der Hinterzimmmerpolitik sei entkräftet worden, demokratische Mechanismen funktionierten. Mein liebes Tagebuch, das kann man so sehen, muss man aber nicht, Ob die ABDA bei der anstehenden Wahl auf Erfahrung an der Spitze setzen soll oder auf einen echten Neustart? Schmidt kann sich wohl einen Newcomer an der Spitze vorstellen, ihm zur Seite erfahrene Berufspolitiker, so lässt er durchblicken, ohne sich an personellen Spekulationen beteiligen zu wollen. Alles in allem: Das Amt wird nicht leichter, es wird kein Job, auf dem man sich ausruhen kann, so Schmidt. Er setze auf eine Persönlichkeit mit einem unverstellten, frischen, optimistischen, zukunftsgerichteten Blick. Mein liebes Tagebuch, uiuiui, richtig, aber das könnte schwierig werden.
5 Kommentare
Ignoranz
von Dr. Radman am 15.12.2024 um 10:56 Uhr
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„Königinnenmord“ ?
von Elisabeth Thesing-Bleck am 15.12.2024 um 9:42 Uhr
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AW: „Königinnenmord
von Uwe Hansmann am 15.12.2024 um 10:41 Uhr
Die Wahrheit
von Ulrich Ströh am 15.12.2024 um 9:04 Uhr
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AW: Die Wahrheit
von Bernd Haase am 15.12.2024 um 9:32 Uhr
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