Wirtschaft

Rohertrags-Monitor Dezember 2012

Betriebswirtschaftliche Analyse der Entwicklung des Apothekenhonorars

Die neue Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV), auch Kombimodell genannt, findet seit dem 1. Januar 2004 für verschreibungspflichtige Fertigarzneimittel (Rx-FAM) Anwendung. Für die darin integrierte Vergütung apothekerlicher Leistungen waren in der Vergangenheit immer "Nullrunden" angesagt; der Kassenabschlag ist, nicht zuletzt aufgrund einer Mehrwertsteuererhöhung (zum 1. 1. 2007) und eines für 2011 und 2012 prognostizierten Fehlbetrages der GKV, der sich als politische Fehleinschätzung herausgestellt hat, in den zurückliegenden Jahren dagegen stets den veränderten Rahmenbedingungen "angepasst" worden. Beginnend mit dem Berichtsmonat August 2011 werden die wirtschaftlichen Auswirkungen dieser in der Vergangenheit fehlenden Honoraranpassung apothekerlicher Leistungen – auf Grundlage der von Insight Health* zur Verfügung gestellten Daten – regelmäßig für die beiden vorangegangenen Jahre und die bisherigen Monate des aktuellen Jahres im Rohertrags-Monitor fortgeschrieben.

Verordnungseinbruch

… trotz signifikanter Zunahme der Zahl der GKV-Versicherten. Die letzten Monate eines Jahres konnten in der Vergangenheit stets überdurchschnittliche Umsatz- und Verordnungszahlen aufweisen; dagegen sind im Dezember des abgelaufenen Jahres Absatz und Umsatz geradezu eingebrochen (vgl. Abb. 1).


Abb. 1: Entwicklung der zulasten der GKV abgegebenen Rx-FAM-Packungen in den Monaten Januar 2010 bis Dezember 2012 (Monatsdurchschnitt 2004 = 100).
Quelle Grafiken: Insight Health und eigene Berechnungen

Gegenüber dem Vergleichsmonat des Vorjahres wurden im Dezember 2012 rund 8,7% weniger Packungen an Rx-FAM zulasten der GKV abgegeben; im Ver-gleich zu 2009 und 2010 betrug der Verlust sogar jeweils annähernd 12%. Im Dezember 2012 wurden (mit 47,1 Mio. Rx-FAM) sogar erstmals weniger Packungen abgegeben (- 3,9%) als im Monatsdurchschnitt eines Jahres (49,0 Mio. Packungen). Der letzte Monat im Jahr war, von der Zahl der zulasten der GKV abgegebenen Rx-FAM her gesehen, hinter dem traditionell verordnungsschwachen August und dem in diesem Jahr ebenfalls – Ärztestreik bedingt – schwachen September, der verordnungsmä-ßig drittschwächste Monat des Jahres. Ein Grund für diesen Verordnungsrückgang ist ohne Zweifel der im Jahre 2012 "arbeitnehmerfreundliche Dezember", hatte dieser Monat doch jeweils drei Werktage weniger als 2011 bzw. 2010. Andererseits waren im Berichtsmonat rund 144.700 (oder 0,21%) mehr Personen in der GKV versichert als im Vergleichsmonat des Vorjahres; der Trend einer Zunahme an GKV-Versicherten hält also unvermindert an. Aufgrund dieser gegenläufigen Tendenzen – weniger Werktage, mehr GKV-Versicherte – ist daher zu vermuten, dass die – ab Januar 2013 nicht länger zu entrichtende – Praxisgebühr zumindest einen temporären Steuerungseffekt gehabt hat. Die Verordnungszahlen in den ersten Monaten des neuen Jahres werden über diese These Aufschluss liefern.

Der Verordnungsverlust an GKV-Rx-FAM im Dezember hat dazu geführt, dass sich die bis einschließlich November leicht positive Absatzentwicklung (von 0,75%) noch ins Negative umgekehrt hat; per Saldo wurden im Jahre 2012 etwa 470.000 Rx-FAM weniger verordnet als im Vorjahr, ein Minus von 0,1%.

Während die Zahl der zulasten der GKV abgegebenen Rx-FAM im Dezember also um 8,7% unter dem Vergleichswert des Vorjahres lag, betrug der Umsatzverlust nur 5,8%. Folglich ist der durchschnittliche Wert je Rx-FAM (nach Abzug des Kassenrabatts von 2,05 Euro) gestiegen, und zwar von 48,59 Euro (Dez. 2011) auf 50,11 Euro im Berichtsmonat, bzw. um 3,2%. Auf das Gesamtjahr gesehen, hat der Umsatz der Apotheken mit Rx-FAM zulasten der GKV – trotz minimalen Rückgangs der Verordnungszahlen – um 2,5% zugelegt; zugelegt deshalb, weil der Abrechnungspreis je GKV-Rx-FAM um 2,6% angestiegen ist.

Apothekeneinkauf und abgegebene Packungen

… entwickeln sich unterschiedlich. Auch im Berichtsmonat hat sich der Apothekeneinkauf nicht in gleicher Weise entwickelt wie der Absatz. So fiel das Minus beim Apothekeneinkaufswert (lt. AMPreisV) im Dezember mit 5,3% (vgl. Abb. 2) doch wesentlich geringer aus als der Absatzverlust (mit 8,7%). Auf das gesamte Jahr gesehen legte der Apothekeneinkauf sogar noch um 2,9% zu, obwohl die Zahl der zulasten der GKV abgegebenen Rx-FAM-Packungen per Saldo nicht einmal eine positive Entwicklung aufzeigen konnte.


Abb. 2: Entwicklung der Apotheken-Einkaufswerte der zulasten der GKV abgegebenen Rx-FAM in den Monaten Januar 2010 bis Dezember 2012 (Monatsdurchschnitt 2004 = 100).

Apothekenhonorierung bremst Umsatzzuwachs

Die Ausgaben-dämpfende Wirkung des Kombimodells wird besonders deutlich, wenn man die Entwicklung des GKV-Umsatzes der Apotheken mit Rx-FAM (nach Abzug des Kassenrabatts) mit derjenigen des Apothekeneinkaufswertes vergleicht. Immer im Vergleich zum Vorjahr ist der Umsatz im Dezember (mit knapp 2,36 Mrd. Euro) um 5,6% zurückgegangen, der Einkauf hingegen nur um 5,3%. Auf das Gesamtjahr gesehen steht einem Umsatzplus von 2,5% ein Anstieg beim Apothekeneinkauf (lt. AMPreisV) von 2,9% gegenüber.

Wie bereits intoniert, wurden in 2012 damit wieder mehr größere und teurere Packungen als im Vergleichszeitraum des Vorjahres verordnet und abgegeben. Dennoch ist die Diskrepanz zwischen Umsatz- und Absatzentwicklung (2,5% gegenüber - 0,1%) bemerkenswert, weil der Anteil der rabattbegünstigten (und damit eher niedrigpreisigeren) Rx-FAM an den verordneten Packungen insgesamt im selben Zeitraum von 56,3% auf aktuell 60,2%, also um vier Prozentpunkte, angestiegen ist. Das bedeutet, dass im Berichtsjahr von zehn zulasten der GKV abgegebenen Rx-FAM bereits sechs rabattbegünstigt (im Sinne von § 130a Abs. 8 SGB V) gewesen sind. Eine Leistung der Apotheken in Logistik und Kommunikation, die zu Einsparungen aufseiten der gesetzlichen Krankenkassen geführt hat, und die sowohl von den Krankenkassen als auch von der Politik offensichtlich als selbstverständlich angesehen wird. Dabei sind diese Leistungen mit zusätzlichem Aufwand, und folglich mit überproportional gestiegenen Personalkosten, verbunden!

Apothekenrohertrag im Dauertief

Der Verordnungsrückgang im Dezember hat, der Logik des Kombimodells folgend, zu einem entsprechenden Rohertragseinbruch in den Apotheken geführt. Der absolute Rohertrag aus zulasten der GKV abgegebenen Rx-FAM ist gerade zu jenem Zeitpunkt bei rund 4% unter dem durchschnittlichen Monatswert angekommen, in dem betriebsbedingt stets eine große Zahl an verbindlichen Sonderzahlun-gen fällig wird. Auf das Gesamtjahr gesehen verzeichnen die Apotheken bei einer Quasi-Stagnation bei den Packungen einen absoluten Rohertragszuwachs (lt. AMPreisV) von 0,3% (drei Promille!), der sich einzig und allein aus dem Anstieg des Einkaufsvolumens speist. Trotz erhöhten Beratungsbedarfs (aufgrund des Anteilszuwachses bei den rabattbegünstigten Arzneimitteln) und einem Anstieg der Verbraucherpreise (von rund 2,0 Prozent) konnten die Apotheken aus der Abgabe von Rx-FAM zulas-ten der GKV auch in 2012 nicht die an sich notwendigen Rohertragszuwächse generieren.

Angesichts der aktuellen Diskussion über die Höhe des Kassenabschlags in 2013 lohnt ein Vergleich mit dem Jahr 2010. Im Jahre 2012 wurden zulasten der GKV gut 3,1 Mio. (oder 0,5%) mehr Rx-FAM-Packungen abgegeben als in 2010; der Anteil der rabattbegünstigten Arzneimittel stieg im sel-ben Zeitraum von 51,3% auf mittlerweile 60,2%; und auch die Verbraucherpreise legten innerhalb dieser zwei Jahre um mehr als 4,3% zu. Dennoch sank der zugehörige absolute Rohertrag (lt. AMPreisV) um mehr als 103 Mio. Euro, oder um 2,4%! Insbesondere Auswirkung der gesetzlichen Erhöhung des Kassenabschlags (von 1,75 Euro auf 2,05 Euro).

Nachdem der Rohertrag der Apotheken aus zulasten der GKV abgegebenen Rx-FAM in Prozenten des Umsatzes (= Betriebshandelsspanne) im Oktober (mit 14,87%) ein Zwischenhoch erreichen konnte, fiel er über November (mit 14,84%) bis Dezember auf 14,80%. Damit liegt die Handelsspanne (nach AMPreisV) bereits neun Monate infolge unter 15%. Auf das ganze Jahr gerechnet ist sie mit 14,87% (vgl. Abb. 3) damit zum ersten Mal seit Einführung des Kombimodells unter die 15-Prozentmarke gefallen.


Abb. 3: Betriebshandelsspanne aus zulasten der GKV abgegebenen Rx-FAM in % des Bruttoumsatzes in den Monaten Januar 2010 bis Dezember 2012 (Vergleich: Jahresdurchschnitt 2004).

Mehrwertsteuer bleibt Kostentreiber

Der durchschnittliche Preis der in 2004, im Dezember d. J. und im Gesamtjahr 2012 zulasten der GKV abgegebenen Rx-FAM-Packungen sowie die wertmäßigen Anteile der Wertschöpfungsstufen und deren Entwicklung seit 2004 sind der Tabelle zu entnehmen. Bei einem Zuwachs des Apothekeneinkaufswertes je abgegebener Rx-FAM-Packung von aktuell 25,5% (bzw. um 7,01 Euro) stieg der GKV-Abrechnungspreis (ohne MwSt.) nur um 20,8% (bzw. um 7,22 Euro), weil die Apothekenmarge nur um 2,9% (bzw. um 21 Cent) gegenüber 2004 angewachsen ist. Kostentreiber Nummer eins ist nach wie vor die Umsatzsteuer, die im Vergleichszeitraum um 2,42 Euro (und damit 11,5 Mal (!) stärker als der Apothekenrohertrag) gestiegen ist.


Durchschnittliches GKV-Rx-FAM
2004
(1)
Dez. 2012
(2)
2012
(3)
(3) – (1)

(4)
(4) in % (1)

(5)
Verkaufspreis laut AMPreisV
42,19 €
52,16 €
51,88 €
9,69 €
23,0%
./. Kassenabschlag
2,00 €
2,05 €
2,05 €
0,05 €
2,5%
= GKV-Abrechnungspreis (brutto)
40,19 €
50,11 €
49,83 €
9,64 €
24,0%
./. Mehrwertsteuer
5,54 €
8,00 €
7,96 €
2,42 €
43,6%
= GKV-Abrechnungspreis (netto)
34,65 €
42,11 €
41,87 €
7,22 €
20,8%
Apo.-Rohertrag aus Festzuschlag
6,38 €
6,38 €
6,38 €
0,00 €
0,0%
Apo.-Rohertrag, kfm. Komponente
0,82 €
1,04 €
1,03 €
0,21 €
25,1%
./. Apo.-Rohertrag insges. (gem. AMPreisV)
7,20 €
7,42 €
7,41 €
0,21 €
2,9%
= Apothekeneinkaufswert
27,45 €
34,69 €
34,46 €
7,01 €
25,5%
./. Großhandelsmarge
*
1,60 €
1,59 €
*
*
= ApU (Abgabepreis des pharm. Untern.)
*
33,09 €
32,87 €
*
*
* ApU (bzw. HAP) liegt für 2004 nicht vor; Quelle: Insight Health und eigene Berechnungen; Hü. ©

Fazit

Nach nunmehr neunjähriger (!) Verweigerung einer Erhöhung ist der Apotheken-Festzuschlag zum 1. Januar 2013 um 0,25 Euro je Packung, also von 8,10 auf 8,35 Euro, angepasst worden. Dies entspricht einer durchschnittlichen jährlichen Steigerung von weniger als 3,8 Promille! Unabhängig von der Notwendigkeit einer in Zukunft zeitnahen, periodischen Anpassung des Festzuschlags reicht das Kombimodell nicht mehr, alle (flächendeckend geforderten!) Leistungen der Apotheken auch nur ansatzweise ausreichend zu vergüten. Da in unserem Gesellschaftssystem auf Dauer aber nur rentabel betriebene Apotheken die ordnungsgemäße Arzneimittelversorgung der Bevölkerung sicherstellen können, müssen neue Elemente der Apotheken-Honorierung – außerhalb der Vergütung für Beratung und Abgabe von Rx-FAM – etabliert werden.


Dipl.-Math. Uwe Hüsgen, langjähriger Geschäftsführer des Apothekerverbandes Nordrhein e.V., Essen, E-Mail: uwe.huesgen@web.de


* Insight Health ist ein führender Informationsdienstleister im Gesundheitsmarkt mit einem breiten Portfolio datenbasierter Services zur Markt- und Versorgungsforschung. Der Erfolg von Insight Health liegt in der Bereitstellung individueller Lösungen für die pharmazeutische Industrie, Krankenversicherungen, Ärztevereinigungen, wissenschaftliche Institute, Behörden, Politik und weitere Entscheider im Gesundheitsmarkt. Weitere Informationen über Insight Health finden Sie unter www.insight-health.de.

Rohertrags-Monitor


Die betriebswirtschaftlichen Auswirkungen der Honorierungssystematik apothekerlicher Leistungen für die Jahre 2004 bis 2010 sind nachfolgendem Beitrag zu entnehmen:

Der Rohertrags-Monitor

Beginnend mit August 2011 werden die Zahlen im Zeitablauf regelmäßig fortgeschrieben. Sie finden den Rohertrags-Monitor …

August 2011 in AZ 2011, Nr. 47, S. 2
September 2011 in AZ 2011, Nr. 49, S. 2
Oktober 2011 in AZ 2011, Nr. 51– 52, S. 2
November 2011 in AZ 2012, Nr. 1– 2, S. 2
Dezember 2011 n AZ 2012, Nr. 7, S. 6
Januar 2012 in AZ 2012, Nr. 13, S. 3
Februar 2012 in AZ 2012, Nr. 17, S. 4
März 2012 in AZ 2012, Nr. 19, S. 2
April 2012 in AZ 2012, Nr. 23, S. 4
Mai 2012 in AZ 2012, Nr. 28, S. 4
Juli 2012 in AZ 2012, Nr. 36, S. 4
August/September 2012 in AZ 2012, Nr. 49, S. 4
Oktober 2012 in AZ 2012, Nr. 51/52, S. 4
November 2012 in AZ 2013, Nr. 3, S. 4



AZ 2013, Nr. 3, S. 4

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.