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Von HERA beauftragte Studie
Antibiotikaversorgung verbessern – doch wo anfangen?
Bei 32 Antibiotikaklassen ist die Versorgungssicherheit unter Berücksichtigung von Antibiotikaresistenzen bedroht. Zu dieser Feststellung kam kürzlich eine Studie auf EU-Ebene. Wodurch wird die Versorgung mit diesen Antibiotika gefährdet und wie kann man das Problem künftig lösen? Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass es viel Handlungsbedarf gibt, doch eine Priorisierung kaum möglich ist, weil es zu viele Schwachstellen in den Lieferketten gibt.
Erst im September 2021 hat die Europäische Kommission die „EU-Behörde für die Krisenvorsorge und -reaktion bei gesundheitlichen Notlagen“ (Health Emergency Preparedness and Response Authority) mit dem Namen HERA eingerichtet. In deren Aufgabenbereich fällt auch die Bekämpfung von Antibiotika-Resistenzen und die Frage, wie die Versorgung mit Antibiotika in Zukunft sichergestellt werden kann. Dazu hat die HERA mit einer Machbarkeitsstudie von McKinsey & Company im vergangenen Jahr überprüfen lassen, ob eine verstärkte Lagerhaltung die Antibiotika-Versorgung in Europa künftig sichern – also einen Puffer zwischen Angebots- und Nachfrageseite – bilden könnte.
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Die „Nachfrage“ wird beispielsweise durch außergewöhnliche Infektionswellen (wie im letzten Herbst und Winter) gesteigert. In diesem Zusammenhang wird in der Machbarkeitsstudie, die Ende 2022 veröffentlicht wurde, ein Szenario besonders hervorgehoben, von dem ein besonderes Risiko ausgeht, das aber durch eine verstärkte Lagerhaltung von Antibiotika gemindert werden könnte: ein möglicher und plötzlicher Anstieg von Tuberkulose-Infektionen. Im Rahmen von „rescEU“ sollte demnach ein Vorrat für vier bis acht Wochen mit Antibiotika gegen Tuberkulose angelegt werden – aber nicht nur. Kombiniert werden soll die „rescEU“-Maßnahme mit weiteren (privaten) Beschaffungsvereinbarungen. Denn für antimykobakterielle Substanzen würde in der EU nur ein kleiner Markt bestehen.
Weil komplex und kostspielig – Antibiotika-Vorräte „virtuell“ aufstocken
Doch es ist nicht so, als würde ausschließlich bei der Tuberkulose Handlungsbedarf bestehen. Vielmehr habe man insgesamt 32 kritische Antibiotika-Klassen mit potenziellen Schwachstellen in der Lieferkette identifizieren können. Intransparenz mache es zudem schwer, mit Sicherheit zu dem Schluss zu kommen, dass es für gewisse Produkte keine gesonderte Lagerhaltung bräuchte. Wörtlich heißt es: „Engpässe bei einzelnen Antibiotika-Produkten in der EU sind häufig und werden auch in Zukunft häufig vorkommen.“
Die zuletzt bestehenden Antibiotika-Engpässe sollen sich zwar kaum auf die Gesundheit und Sicherheit von Patient:innen ausgewirkt haben, die Gesundheitssysteme insgesamt würden dadurch aber erheblich belastet. Zudem wird befürchtet, dass künftige Engpässe ernstere Folgen mit sich bringen könnten.
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Am praktikabelsten sei es insgesamt, wenn die Antibiotika-Vorräte im privaten Bereich (also auf Herstellerseite) aufgestockt würden – und zwar auch im Sinne einer „virtuellen Vorratshaltung“. Damit ist gemeint, dass eine transparente Plattform die Verfügbarkeit und Engpässe von Antibiotika offenlegen soll. Denn die tatsächliche physische Vorratshaltung würde zumindest beim derzeitigen Stand der Transparenz der Lieferkette eine so breite Produktabdeckung erfordern, dass sie wahrscheinlich komplex und kostspielig wäre. „Ein solches System könnte den grenzüberschreitenden Verkehr von Antibiotika über bestehende Kanäle erleichtern und sich auf die künftige Europäische Plattform zur Überwachung von Engpässen (ESMP, European Shortages Monitoring Platform) oder das bestehende Europäische Arzneimittelüberprüfungssystem (EMVS, European Medicines Verification System) stützen“, heißt es. Die ESMP soll im Jahr 2025 an den Start gehen. In Deutschland dürfte Securpharm als deutscher Baustein des EU-weiten Netzwerks EMVS besser bekannt sein.
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Jedenfalls scheint es so, dass eine verstärkte Lagerhaltung allein keine Lösung sein wird und Handlungsbedarf besteht. Insgesamt müsse vor allem die Transparenz der Lieferkette verbessert werden, aber auch Vorschriften und Kennzeichnungen müssten harmonisiert, Verschwendung (auch im Sinne der Umwelt) reduziert, die Lieferkette diversifiziert und lokale Hersteller sowie kurze Lieferketten unterstützt werden. Es bestehe ein gewisses, aber als gering eingeschätztes Risiko, dass die Antibiotika-Versorgung (auf nationaler Ebene) auch durch Marktrücknahmen von einzelnen Substanzen gefährdet werden könnte. Wie die jüngste Vergangenheit zeigt, aber auch Expert:innen laut der Studie sagen, ist das Risiko, dass bestimmte (pädiatrische) Darreichungsformen statt bestimmter Substanzen fehlen, allerdings größer. Auch hier scheint Transparenz für ein rechtzeitiges Gegensteuern gefragt.
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Auch wenn die Transparenz in den Lieferketten insgesamt zu verbessern ist, können die 32 als kritisch bewerteten Antibiotikaklassen laut Studie dennoch nochmals in Untergruppen unterteilt werden. So gelten 20 davon als besonders relevante Erst- oder Reserve-Therapien für Infektionen mit den häufigsten Erregern, unter denen es Antibiotika-Resistenzen gibt. 13 dieser 20 richten sich zudem als Reserve-Antibiotika gegen schwere und potenziell tödliche Infektionen mit resistenten Bakterien.
Möchte man sich also auf möglichst wenige Antibiotika für die Bevorratung beschränken, um die Machbarkeit zu erhöhen, stünden nach der Studie folgende 13 Klassen (für eine verstärkte Lagerhaltung) auf der Liste:
- Cephalosporine der fünften Generation (Ceftobiprol)
- Siderophor-Cephalosporine (Cefiderocol)
- Cephalosporine mit ß-Laktamase-Hemmern (Ceftazidim/Avibactam)
- Carbapeneme, mit ß-Lactamase-Hemmern (Meropenem/Vaborbactam)
- Monobactam (Aztreonam)
- Polymyxin (Colistin)
- Phosphonsäure-Derivate (Fosfomycin)
- Lipopeptide (Daptomycin)
- Oxazolidinone (Linezolid)
- Eravacyclin
- Glycylcycline (Tigecyclin)
- Sulfonamid-Trimethoprim-Derivate (Cotrimoxazol)
- Substanzen ausschließlich zur Behandlung von Tuberkulose der WHO-Gruppe A-C (Zweitlinien-Therapie)
Während der jüngste Cotrimoxazol-Engpass mit einer solchen Bevorratung also vielleicht hätte verhindert werden können, ist beispielsweise das in der Pädiatrie häufig eingesetzte (und derzeit knappe) Amoxicillin in einer solchen Liste aus 13 Substanzen noch nicht berücksichtigt – auf der Top-20-Liste wäre es mit dabei.
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Neben Engpässen bei den Antibiotika-Fertigarzneimitteln und deren Lagerhaltung ist laut Studie aber auch an die Wirkstoffproduktion und die Produktion von kritischen Zwischenprodukten wie 6-APA für Penicilline oder 7-ACA für Cephalosporine zu denken. Denn: „Der EU-Markt ist stark von einer begrenzten Anzahl von Lieferanten bei Antibiotika, deren Wirkstoffen und Zwischenprodukten, in Ländern außerhalb der EU abhängig“ (siehe Abbildung) und die Zwischenprodukte verschiedener Hersteller sollen sich untereinander nicht ohne weiteres austauschen lassen, heißt es.
Damit bleibt die ganze Lieferengpass-Problematik, auch im speziellen Fall von Antibiotika, wohl wie sie ist – kompliziert.
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