Nach Tamoxifen-Versorgungsengpass

Pro Generika fordert Frühwarnsystem für Engpässe unverzichtbarer Wirkstoffe

Stuttgart - 31.05.2022, 07:00 Uhr

Braucht es mehr und bessere Kommunikation zur Verhinderung von Arzneimittel-Lieferengpässen? (Foto: Schelbert)

Braucht es mehr und bessere Kommunikation zur Verhinderung von Arzneimittel-Lieferengpässen? (Foto: Schelbert)


Es ist ruhig geworden um Tamoxifen und dessen Versorgungsengpass. Jedoch zeigt sich laut Pro Generika am Beispiel Tamoxifen ein Systemversagen, weil niemand rechtzeitig wahrnahm, dass sich immer mehr Unternehmen aus der Versorgung zurückzogen. Allerdings soll schon zwei Jahre vor Beginn des Engpasses klar gewesen sein, dass sich der Markt in der Tamoxifen-Herstellung ändern wird. Werden solche Fälle von unseren aktuellen Meldesystemen derzeit wirklich nicht erfasst?

Seit dem 9. Mai gilt die Versorgungslage mit dem Brustkrebsarzneimittel Tamoxifen als stabilisiert. Ein Blick in die Lieferengpass-Liste des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) verrät aber, dass der eigentliche Lieferengpass noch bis Ende Juni oder sogar Ende des Jahres anhalten wird. In dieser Liste bietet das BfArM eine Übersicht über Meldungen, die durch die pharmazeutischen Unternehmer selbst erfolgen und „auf der im Pharmadialog erklärten Selbstverpflichtung zur Meldung von Lieferengpässen für versorgungsrelevante Arzneimittel“ basieren. Sind Wirkstoffe – wie Tamoxifen – also auf der Liste der versorgungsrelevanten Wirkstoffe gelistet und 

„1. für sie sind im Arzneimittelinformationssystem des Bundes drei oder weniger

  • Zulassungsinhaber oder
  • Endfreigebende Hersteller oder
  • Wirkstoffhersteller für verkehrsfähige Arzneimittel hinterlegt oder 

2. für sie ist bereits in der Vergangenheit ein Versorgungsmangel eingetreten oder

3. sie werden auf der Substitutionsausschlussliste geführt“,

gilt also die Selbstverpflichtung zur Meldung von Lieferengpässen, weil sie dann als „versorgungskritisch“ gelten. Tamoxifen steht erst seit dem 18. Februar 2022 auf der Liste der versorgungskritischen Wirkstoffe, mit der Begründung: „Versorgungsmangel in der Vergangenheit“. Außerdem heißt es beim BfArM zur Selbstverpflichtung zur Meldung von Lieferengpässen:

„Des Weiteren unterliegen alle Arzneimittel der Selbstverpflichtung zur Meldung von Lieferengpässen,

  • die gemäß § 52b Absatz 3a AMG der Meldeverpflichtung an Krankenhäuser unterliegen, sowie
  • verschreibungspflichtige Arzneimittel mit einem Marktanteil von 25 % und mehr.“

Zum aktuellen Tamoxifen-Engpass schreibt das BfArM auf seiner Seite, dass der Wirkstoff Tamoxifen „Bestandteil der Liste versorgungsrelevanter Wirkstoffe“ ist und, dass „Arzneimittel mit diesem Wirkstoff, deren Marktanteil 25 Prozent und mehr beträgt“, der Selbstverpflichtung zur Meldung unterliegen. Und so sei das BfArM im Januar 2022 über das Online-Portal über die eingeschränkte Verfügbarkeit informiert worden – in einem Umfang, sodass damals eine „umgehende Kritikalitätsprüfung“ erfolgt sein soll. Heute wissen wir, dass sich ein Versorgungsengpass nicht mehr verhindern ließ. 

Vonseiten des Verbandes Pro Generika wurde daraufhin verstärkt kommuniziert, „dass ein Ausfall eines Zulieferers ursächlich für den Engpass bei Tamoxifen war“, und dass der kontinuierlich steigende Kostendruck zu solchen Prozessen der Marktverengung und dann eben auch Engpässen führe. Was dabei allerdings nicht in den Mittelpunkt gestellt wurde, war, dass es sich bei dem Zulieferer um keinen Wirkstoff-Lieferanten, sondern einen Hilfsstofflieferanten aus Deutschland handelte. Wie aus einem Bericht der Pharmazeutischen Zeitung vom 11. Mai hervorgeht, wurde die Einstellung der Hilfsstoffherstellung bereits zwei Jahre im Voraus angekündigt. Ein deutscher Lohnhersteller kaufte dann den gesamten restlichen Hilfsstoff auf, stellte noch ein letztes Mal Tamoxifen-Fertigarzneimittel her, und zog sich dann aus diesem Geschäft zurück. Hätte ein drohender Engpass also nicht schon viel früher erkannt werden müssen? Mit dieser Frage hat sich die DAZ an Pro Generika gewandt. Denn schließlich schreibt die PZ auch: „Die vertreibenden Generikafirmen könnten ihre Medikamente bei anderen Lohnherstellern produzieren lassen, wenn sie entsprechende Dossiers erwerben und Verträge schließen.“ Doch auch dieser Wechsel scheint nicht rechtzeitig eingeleitet worden zu sein.

„Offenbar aber hat niemand wahrgenommen, dass sich immer mehr Unternehmen aus der Versorgung zurückgezogen haben, weil die Produktion wirtschaftlich nicht mehr darstellbar war“, erklärte nun Bork Bretthauer, Geschäftsführer Pro Generika, auf Anfrage der DAZ schriftlich. Daraus muss man schließen, dass die bestehenden Lieferengpass-Meldewege offenbar nicht ausreichen. Denn Bretthauer erklärte auch: 


Deshalb brauchen wir ein Frühwarnsystem, das genau die Wirkstoffe erfasst, die einfach nicht fehlen dürfen und bei denen die Marktverengung ähnlich und noch drastischer ist.“

Bork Bretthauer, Geschäftsführer Pro Generika


Pro Generika stehe als Verband bereit, „wenn sich die Politik des Themas annehmen will“.


Diana Moll, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (dm)
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

Nebelkerzen

von Ratatosk am 31.05.2022 um 8:47 Uhr

Was soll so ein bürokratischer Blödsinn ? Wenn die Preise zu lange nach unter geprügelt werden, werden die Produktionsketten brechen, da es sich einfach nicht mehr rechnet. Ist einfache Entwicklung . Zusätzlich kommt noch das bekannte zerstörerische System des billigsten Anbieters dazu, der einfach billigst, da er eben keine Vorräte vorhält und wie immer öfter auftretend immer näher an der Grenze der erlaubten Qualität arbeitet.
Da dies alles politisch gewollt ist, hier keine Krokodilstränen bitte, Die Verluste werden von der Politik bewußt herbeigeführt, da sie die Regeln eben so gestaltet haben - und nun ja, die GKV Granden schieben die Boni ein, - somit hat die Führungsclique ihr Ziel erreicht, was zählt schon der Bürger.
Wir werden ja in Kürze sehen was Karl noch für Reserven einfallen - dann natürlich mit weiteren Konsequenzen.

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