Das sagen BfArM und Kinderärzte

Antibiotika-Engpass in der ambulanten Pädiatrie – was tun?

Stuttgart - 27.12.2022, 15:00 Uhr

Manchmal ist die Verabreichung von Kinder-Arzneimitteln eine echte Herausforderung. Noch schwieriger wird es, wenn es keine kindgerechten Darreichungsformen gibt. (Foto: Halfpoint / AdobeStock)

Manchmal ist die Verabreichung von Kinder-Arzneimitteln eine echte Herausforderung. Noch schwieriger wird es, wenn es keine kindgerechten Darreichungsformen gibt. (Foto: Halfpoint / AdobeStock)


Klinikapotheken sind nach Einschätzung der pädiatrischen Fachgesellschaften in Deutschland bislang nicht von einer Unterversorgung mit Antibiotika für Kinder betroffen. Dennoch ist die Versorgungslage im ambulanten Bereich für Amoxicillin, Amoxicillin/Clavulansäure und Penicillin V mittlerweile so angespannt, dass es jetzt offizielle Empfehlungen zu alternativen Verordnungsmöglichkeiten gibt. Dabei gilt weiterhin: Antibiotika sparsam verordnen und auch an Impfungen denken. 

Noch im Oktober hatte das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) bei der Liefersituation von Amoxicillin (für Kinder) kein strukturelles Problem erkennen können. Ende November machte jedoch der Arzneimittelhersteller Infectopharm auf eine allgemein gefährdete Antibiotika-Versorgung für Kinder aufmerksam und auch international wurde deutlich, dass Antibiotika-Säfte für Kinder ein derzeit knappes Gut sind. 

Mitte Dezember teilte das BfArM der DAZ schließlich auf Nachfrage mit, dass die Arzneimittelbehörden in Europa die Versorgungslage bei Antibiotika für Kinder aktiv analysieren. In der Mehrzahl der europäischen Mitgliedstaaten seien bis dahin in Summe erhöhte Abgabemengen zu verzeichnen gewesen, wobei „ein Schwerpunkt auf amoxicillinhaltige Arzneimittel gelegt wird“, hieß es. Die Analyse der Ursachen habe personelle Engpässe in der Produktion identifizieren können, jedoch bei Wirkstoff- und Packmittelverfügbarkeit eine robuste Liefersituation bestätigen können. Zudem wurde die erhöhte Nachfrage aufgrund hoher Krankenstände als Grund genannt.

Eine gute und eine schlechte Nachricht

Am 23. Dezember hat das BfArM nun weitere Informationen zur „eingeschränkten Verfügbarkeit von Antibiotika – insbesondere für Kinder“ auf seiner Webseite veröffentlicht. Auf diese verweist die Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker (AMK) seit dem vergangenen Montag. Sie informiert zudem darüber, dass die Antibiotika-Äquivalenzdosistabellen der AMK, insbesondere für Kinder, aktualisiert worden sind. 

Die gute Nachricht: Klinikapotheken sind nach Einschätzung der Fachgesellschaften bisher nicht von einer Unterversorgung mit Antibiotika betroffen. Die ambulante Versorgung, „vornehmlich bei Kindern“, gilt jedoch bei den Wirkstoffen Amoxicillin, Amoxicillin/Clavulansäure und Penicillin V als angespannt. „Gründe für die gemeldeten Lieferengpässe sind vornehmlich deutlich gestiegene Bedarfe, die nicht kompensiert werden können, da die Produktionskapazitäten zum jetzigen Zeitpunkt nicht ausreichen“, erklärt das BfArM. Und weil im engmaschigen Austausch im europäischen Netzwerk deutlich geworden sei, dass Einschränkungen in der Verfügbarkeit von Antibiotika sowohl in vielen Mitgliedstaaten der Europäischen Union als auch international zu konstatieren sind, lautet die schlechte Nachricht schließlich:


„Dadurch ist die Möglichkeit des Bezugs von Arzneimitteln zur Kompensation aus diesen Staaten als stark begrenzt einzuschätzen.

BfArM, 23. Dezember 2022


Da die beobachtete Infektionswelle signifikant höhere Erkrankungszahlen aufweise als in vergleichbaren vorherigen Zeiträumen, werde jetzt an die Ärzteschaft appelliert, Antibiotika streng leitliniengetreu und maßvoll einzusetzen, um Versorgungslücken im laufenden Winter möglichst zu vermeiden, erklärt das BfArM. Es verweist auf eine gemeinsame Stellungnahme von der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ), der Deutschen Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie (DGPI) und des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ). Diese wurde bereits am 20. Dezember 2022 veröffentlicht.

Darin heißt es, dass die Antibiotika-Verordnungsraten in der ambulanten Pädiatrie in den vergangenen zehn Jahren zwar kontinuierlich rückläufig seien, es jedoch weiterhin große regionale Unterschiede in der Verordnungspraxis gebe. „Immer noch gibt es in relevantem Ausmaß nicht indizierte Antibiotikaverordnungen“, was wiederum die Versorgung gefährde. Es wird also daran appelliert, Antibiotika leitliniengerecht zu verordnen, was jedoch in der aktuellen Situation nicht leicht umsetzbar sein dürfte. Sollten die empfohlenen Erstlinienantibiotika nicht verfügbar sein, stellen die Fachgesellschaften nun eine Liste mit möglichen Alternativen zur Verfügung. Sie umfasst die Indikationen

  • Streptokokken A Tonsillitis / odontogene Infektionen,
  • Otitis media / Sinusitis,
  • ambulant erworbene Pneumonie,
  • Haut-, Weichteilinfektionen / akute Lymphadenitis colli,
  • Gelenk-, Knocheninfektionen,
  • Zystitis und
  • Pyelonephritis.

An Pneumokokken-Impfung bei Kleinkindern denken

Allerdings gelte für alle Indikationen, dass oft gar keine antibiotische Behandlung erforderlich und eine „abwartende Haltung unter symptomatischer Therapie“ möglich sei. Zudem könnten – bei Nichtverfügbarkeit von Suspensionen oder Granulat – „alternativ auch Tabletten zum Teilen verordnet oder zu einer Suspension verarbeitet werden“. Für 

  • Cefadroxil oder Cefaclor, 
  • Cefuroximaxetil, 
  • Clarithromycin, 
  • Clindamycin, 
  • Cotrimoxazol, 
  • Doxycyclin, 
  • Erythromycinestolat und 
  • Penicillin V 

werden außerdem auch tabellarisch die Vor- und Nachteile ihrer Anwendung sowie ihre Darreichungsformen aufgelistet.

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Das BfArM verweist zudem auf die üblichen Hygienemaßnahmen zur Eindämmung des Infektionsgeschehens und empfiehlt eine „entsprechende Impfung, im Speziellen gegen Pneumokokken bei Kleinkindern, nachdrücklich“. Dabei muss darauf geachtet werden, welcher Pneumokokken-Impfstoff für welche Altersgruppe geeignet ist – und auch bei Pneumokokken-Impfstoffen kam es in der Vergangenheit bereits zu Engpässen.


Diana Moll, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (dm)
redaktion@daz.online


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