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Rechtsgutachten zur geplanten Apotheken-Reform
Mand/Meyer: Spahns Pläne perpetuieren die Ungleichbehandlung
Vor der außerordentlichen ABDA-Mitgliederversammlung am 2. Mai brodelt es: Die Apothekerkammern und -verbände in NRW haben der ABDA nun ein Gutachten der Apothekenrechtsexperten Dr. Elmar Mand und Prof. Dr. Hilko J. Meyer vorgelegt. Darin legen die beiden Juristen umfassend dar, warum der Entwurf für das Apotheken-Stärkungsgesetz der gesetzgeberischen Intention nicht gerecht wird, sondern die Ungleichbehandlung inländischer Apotheken und ausländischer Versandapotheken fortsetzt und teilweise sogar zulasten der deutschen Apotheken verschärft.
Nächste Woche Donnerstag kommt die ABDA zu einer außerordentlichen Mitgliederversammlung in Berlin zusammen. Der Anlass: Bis zum 7. Mai soll die ABDA ihre Stellungnahme zum Referentenentwurf für das „Gesetz zur Stärkung der Vor-Ort-Apotheken“ vorlegen. Und einige der ABDA-Mitgliedsorganisationen haben eine sehr präzise Meinung, wie diese Stellungnahme auszusehen hat. Keinesfalls dürfe § 78 Abs. 1 Satz 4 Arzneimittelgesetz gestrichen werden – der Satz, der besagt, dass sich auch EU-Versender an die Arzneimittelpreisverordnung halten müssen. Doch genau das plant Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) seit die EU-Kommission die nächste Stufe eines 2013 gestarteten Vertragsverletzungsverfahrens gegen die Bundesrepublik gezündet hat: Anfang März setzte sie Deutschland eine zweimonatige Frist, besagte Regelung zu streichen.
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Außerordentliche ABDA-Mitgliederversammlung am 2. Mai
Der Jurist Dr. Elmar Mand (Uni Marburg) warnte bereits Mitte März beim ApothekenRechtTag in Stuttgart eindringlich vor einer solchen Streichung: Alle noch laufenden Gerichtsverfahren gegen EU-ausländische Arzneimittelversender wären „tot“, wenn diese Preisbindung gekippt würde – und die Verankerung im Sozialrecht könne hier keinesfalls weiterhelfen. In der aktuellen DAZ zeigt er seine erheblichen Zweifel am Spahn'schen Vorhaben zudem in einem Gastbeitrag auf.
Diesem Ansatz
folgend hat Mand nun gemeinsam mit seinem ebenfalls renommierten Kollegen Prof. Dr. Hilko Meyer (Frankfurt University
of Applied Sciences) im Auftrag der Apothekerkammern und -verbände Nordrhein
und Westfalen-Lippe ein 52-seitiges Rechtsgutachten erstellt – eine Stellungnahme
zum Referentenentwurf des Apotheken-Stärkungsgesetzes. Die vier
Apothekerorganisationen haben dieses nun dem geschäftsführenden Vorstand der
ABDA weitergeleitet – mit der Bitte um Kenntnisnahme und umgehende
Weiterleitung an die Mitgliedsorganisationen. Sie erhoffen sich, dass die
Ausführungen bei der eigenen Stellungnahme für das Bundesgesundheitsministerium
Berücksichtigung finden.
Regelungen zur freien Apothekenwahl können fehlende Preisbindung für EU-Versender nicht kompensieren
Das Gutachten gliedert sich in vier Fragestellungen, denen Mand und Meyer nachgehen. Die erste lautet: Wird der Referentenentwurf den in den Eckpunktepapieren und in der Gesetzesbegründung genannten Intentionen im Hinblick auf die Gleichpreisigkeit gerecht?
Die Antwort der Juristen lässt sich kurz mit einem „Nein“ zusammenfassen. Vielmehr stelle der Entwurf in seiner jetzigen Form Apotheken aus anderen EU-Mitgliedstaaten uneingeschränkt von der Einhaltung des einheitlichen Apothekenabgabepreises frei. Infolge der ersatzlosen Streichung des § 78 Abs. 1 Satz 4 AMG und dem Verweis im Sozialgesetzbuch V, dass Apotheken nach dem Rahmenvertrag verpflichtet sein sollen, die Arzneimittelpreisverordnung einzuhalten, könne die angestrebte „kollektivvertraglich verpflichtende Einheitlichkeit der Apothekenabgabepreise“ nicht hergestellt werden. Die ergänzenden Regelungen des Referentenentwurfs zum Schutz der freien Apothekenwahl, auch nach Einführung der elektronischen Verschreibung, seien zwar geeignet, die flächendeckende Arzneimittelversorgung der Bevölkerung durch Vor-Ort-Apotheken zu stärken, so die Gutachter weiter. Sie könnten jedoch nicht die fehlende Bindung ausländischer Apotheken an die Gleichpreisigkeit ersetzen, kompensieren oder auch nur substanziell abmildern.
Ungleichbehandlung bleibt
Bei der zweiten Frage geht es darum, welche Auswirkungen die Regelungen des Referentenentwurfs im Hinblick auf die durch das EuGH-Urteil vom 19. Oktober 2016 entstandene Ungleichbehandlung von inländischen Apotheken und EU-Versandapotheken haben.
Auch hier betonen die Rechtsexperten: Sie führten dazu, dass ausländische Versandapotheken künftig weder über das allgemeine Preisrecht (§ 78 AMG) noch im GKV-Bereich (§ 129 SGB V) an den einheitlichen Apothekenabgabepreis gebunden sein werden, wenn sie Patienten in Deutschland beliefern. Sie sind überzeugt:
Die durch das Urteil des EuGH entstandene Ungleichbehandlung von inländischen Apotheken und ausländischen Versandapotheken wird durch die Regelungen des Referentenentwurfs perpetuiert und in Teilen sogar zulasten der deutschen Apotheken verschärft.“
Das Problem: Die Rechtsposition der EU-Kommission soll vollständig anerkannt werden – das Vertragsverletzungsverfahren der Kommission könnte demnach eingestellt werden. Sollte allerdings eine Krankenkasse doch die Gleichpreisigkeit von EU-Versendern einfordern, ist eine Neuauflage beziehungsweise Fortsetzung des Vertragsverletzungsverfahrens zu erwarten. Sämtliche laufenden Unterlassungsklagen vor deutschen Gerichten wären hingegen zwingend als unbegründet abzuweisen. Ein erneutes Vorlageverfahren zum EuGH durch ein nationales Gericht, das das bisher geltende Recht unterstützt, wäre nicht mehr möglich. Dies finden Mand und Meyer besonders bedauerlich – schließlich hat sich sogar der Bundesgerichtshof schon deutlich für die erneute Vorlage ausgesprochen.
Gefahr einer Höchstpreisregelung
Doch damit nicht genug: Die Gutachter sind auch überzeugt, dass die Verlagerung der Preisvorschriften in das Sozialrecht die Situation noch verschärfen würde. Allein sie würden zusätzlichen Regelungs-, Kontroll- und Sanktionskompetenzen der Krankenkassen unterworfen. Und: „Ökonomisch wie rechtlich würde durch die fortbestehende preisrechtliche Privilegierung der ausländischen Versandapotheken ein erheblicher Druck erzeugt, die Preisregulierung für verschreibungspflichtige Arzneimittel insgesamt aufzuheben bzw. eine Höchstpreisregelung einzuführen“.
Und was sind die Alternativen zu Spahns „missglücktem“ Ansatz?
Die dritte Frage lautet: Welche alternativen Regelungsmöglichkeiten gibt es, um den einheitlichen Apothekenabgabepreis auch beim Bezug von Arzneimitteln aus dem Ausland sicherzustellen – und wie sind diese rechtlich zu beurteilen?
Unter der Prämisse, dass der Versandhandel mit Rx-Arzneimitteln beibehalten werden soll, sehen die Gutachter zwei Möglichkeiten, den „missglückten Ansatz“ des Gesetzentwurfs zu retten.
Erstens könnte man ihn so „nachbessern“, dass sich die Preisbindung wirksam nur für den GKV-Bereich auf Versandapotheken aus anderen EU-Mitgliedstaaten erstreckt. Dies würde eine Kollisionsnorm voraussetzen, wie es sie jetzt schon in § 78 gibt, die aber gestrichen werden soll. Diese Variante biete allerdings keine Vorteile, wenn man rechtliche Auseinandersetzungen mit der Europäischen Kommission vermeiden will oder für ein erneutes Verfahren vor dem EuGH. Eher stelle eine GKV-Beschränkung der grenzüberschreitenden Preisbindung die Kohärenz und Schlüssigkeit der deutschen Preisregelungen infrage und gefährdet die angestrebten Ziele der Preisbindung.
Besser wäre aus Sicht der Gutachter Alternative 2: die vollständige Beibehaltung der arzneimittelrechtlichen Preisvorschriften (einschließlich § 78 Abs. 1 Satz 4 AMG) ergänzt um die im Referentenentwurf vorgesehenen flankierenden Maßnahmen. Dies eröffne die realistische Möglichkeit, in einem neuen Verfahren vor dem EuGH den Nachweis zu führen, dass das deutsche System der Arzneimittelpreisbildung eine geeignete und erforderliche Maßnahme darstellt, die flächendeckende und qualitativ hochwertige Arzneimittelversorgung der Bevölkerung durch wirtschaftlich unabhängige selbstständige Apotheken sicherzustellen.
Wirksame Alternative zum Rx-Versandverbot?
Daran anschließend befasst sich die letzte Leitfrage damit, ob die untersuchten Maßnahmen eine rechtlich wirksame Alternative zu einem Rx-Versandhandelsverbot darstellen.
Hier erklären Mand und Meyer, dass dies allein für die Alternative 2 gilt – aus den dort genannten Gründen. Eine nur auf den GKV-Bereich beschränkte Preisbindung ausländischer Versandapotheken wäre hingegen unions- und verfassungsrechtlich erheblich angreifbarer, in der Praxis schwer durchsetzbar und in den Folgen nicht kontrollierbar.
Letztlich sind die Gutachter überzeugt, dass das Rx-Versandverbot keinesfalls aus den Augen verloren werden darf:
Bis eine unionsrechtlich anerkannte Lösung für die Preisregelungen beim grenzüberschreitenden Versandhandel gefunden wird, sollte das im Koalitionsvertrag vorgesehene Verbot des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln als ‚Backstop‘-Lösung daher aufrechterhalten werden.“
Man darf nun gespannt sein, wie ABDA und die ABDA-Mitgliedsorganisationen das Gutachten aufnehmen – und die Diskussion zur eigenen Stellungnahme am kommenden Donnerstag verlaufen wird.
7 Kommentare
Schöne Farben?
von Christian Rotta am 26.04.2019 um 18:01 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort
AW: Schöne Farben
von Karl Friedrich Müller am 27.04.2019 um 7:23 Uhr
Abda und Delegierten
von Conny am 26.04.2019 um 12:38 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort
AW: Abda und Delegierten
von Heiko Barz am 27.04.2019 um 12:11 Uhr
kapiert es keiner?
von Karl Friedrich Müller am 26.04.2019 um 12:33 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 2 Antworten
AW: kapiert es keiner
von Andreas Matuschek am 26.04.2019 um 13:34 Uhr
AW: Game of Thrones
von Stefan Haydn am 30.04.2019 um 19:43 Uhr
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