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Urteil zum grenzüberschreitenden Arzneimittel-Versand
EuGH kippt Boni-Verbot
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat das deutsche
Arzneimittelpreisrecht gekippt. Ausländische Apotheken dürfen Preisnachlässe
und Boni gewähren, wenn sie verschreibungspflichtige Arzneimittel nach
Deutschland versenden. Das bisherige Verbot verstößt gegen Europarecht – für
deutsche Apotheken bleibt die Preisbindung bestehen.
Um 9.30 Uhr hat der EuGH seine Entscheidung verkündet: Die deutsche Preisbindung bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln verstößt gegen das Unionsrecht.
Die deutsche Regelung, die auch EU-ausländischen Versandapotheken zur Einhaltung der Arzneimittelpreisverordnung verpflichtet, wenn sie Arzneimittel an Kunden in Deutschland versenden, stelle eine nicht gerechtfertigte Beschränkung des freien Warenverkehrs dar, so die Richter. Denn die Festlegung einheitlicher Abgabepreise wirke sich auf in anderen Mitgliedstaaten ansässige Apotheken stärker aus, sodass der Zugang zum deutschen Markt für Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten stärker behindert werden könnte als für inländische Erzeugnisse. Mit dieser Argumentation folgte der Gerichtshof ganz der Linie der DocMorris-Anwälte und des Generalanwalts.
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Schicksalstag für deutsche Apotheken
Konkret sei es für die ausländischen Apotheken schwerer, weil Versandhandel für sie ein wichtigeres, eventuell sogar das einzige Mittel darstelle, um einen unmittelbaren Zugang zum deutschen Markt zu erhalten. Zudem könne der Preiswettbewerb für Versandapotheken ein wichtigerer Wettbewerbsfaktor sein als für traditionelle Apotheken. Denn diese seien besser in der Lage, Patienten durch Personal vor Ort individuell zu beraten und eine Notfallversorgung mit Arzneimitteln sicherzustellen, so die Richter.
Gericht vermisst Belege für Geeignetheit der Einschränkung
Grundsätzlich kann eine Beschränkung des freien Warenverkehrs zwar mit dem Schutz der Gesundheit und des Lebens gerechtfertigt werden. Doch hier halten die Luxemburger Richter die betreffende Regelung für nicht geeignet, diese Ziele zu erreichen. Insbesondere sei nicht nachgewiesen worden, inwiefern durch die Festlegung einheitlicher Preise eine bessere geografische Verteilung der traditionellen Apotheken in Deutschland sichergestellt werden könne.
Die Richter meinen sogar, dass einige eingereichte Unterlagen im Gegenteil nahelegen, dass mehr Preiswettbewerb unter den Apotheken die gleichmäßige Versorgung mit Arzneimitteln fördern würde. Denn so würden Anreize zur Niederlassung in Gegenden gesetzt, in denen wegen der geringeren Zahl an Apotheken höhere Preise verlangt werden könnten.
Zudem betont der Gerichtshof, dass ihm keine Belege dafür vorliegen, dass sich die Versandapotheken ohne die betreffende Regelung einen Preiswettbewerb liefern könnten, sodass wichtige Leistungen wie die Notfallversorgung in Deutschland nicht mehr zu gewährleisten wären, weil sich die Zahl der Präsenzapotheken in der Folge verringern würde. Andere Wettbewerbsfaktoren wie die individuelle Beratung der Patienten durch Personal vor Ort könnten den traditionellen Apotheken nämlich eventuell dabei helfen, konkurrenzfähig zu bleiben.
Vorteile für Apotheken und Patienten?
Es könnte sich auch herausstellen, dass die Vor-Ort-Apotheken im Preiswettbewerb mit den Versandapotheken sogar einen Anreiz hätten, mehr Leistungen im Allgemeininteresse wie die Herstellung von Rezepturarzneimitteln anzubieten.
Und: Ein Preiswettbewerb könnte auch den Patienten Vorteile bringen, so der EuGH. Denn er würde es gegebenenfalls ermöglichen, verschreibungspflichtige Arzneimittel in Deutschland zu günstigeren Preisen anzubieten als sie derzeit festgelegt werden.
Hintergrund
Das jetzige Verfahren war zustande gekommen, weil Mitgliedern der Deutschen Parkinson Vereinigung (DPV) bei der holländischen Versandapotheke DocMorris Preisnachlässe versprochen wurden. Obwohl der Gemeinsame Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes 2012 festgestellt hatte, dass die deutsche Regelung nicht gegen Gemeinschaftsrecht verstößt, hat das Oberlandesgericht Düsseldorf im Verfahren der Wettbewerbszentrale gegen die DPV beschlossen, die Frage dem EuGH vorzulegen. In der mündlichen Verhandlung am 17. März 2016 stellte sich die Bundesregierung klar hinter den Beschluss des Gemeinsamen Senats, der auch im Arzneimittelgesetz umgesetzt wurde.
Hier finden Sie die Urteilsgründe des Gerichts:
Urteil des Europäischen Gerichtshof vom 19. Oktober 2016, Rs. C 148/15
Anmerkung der Redaktion: Der Artikel wurde in seiner ersten Fassung veröffentlicht am 19. Oktober 2016 um 9:45.
22 Kommentare
Rx Versand
von Dirk Homann am 19.10.2016 um 19:59 Uhr
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EuGh
von Maaß am 19.10.2016 um 17:52 Uhr
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AW: EuGh
von Bernd Küsgens am 19.10.2016 um 18:43 Uhr
EuGH
von Wolfram Bär am 19.10.2016 um 12:08 Uhr
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Preiskoppelung von Sozialdiensten
von Peter Bauer am 19.10.2016 um 11:59 Uhr
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EuGH
von Michael Zeimke am 19.10.2016 um 11:02 Uhr
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AW: Dexit, aber sofort !
von U. Wolz am 20.10.2016 um 19:23 Uhr
Versandurteil
von Ratatosk am 19.10.2016 um 10:51 Uhr
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Aktuelles EuGH-Urteil
von Christian Timme am 19.10.2016 um 10:49 Uhr
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Hr. Friedemann Schmidt
von Dr. Arnulf Diesel am 19.10.2016 um 10:47 Uhr
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AW: Hr. Friedemann Schmidt
von Alexander Zeitler am 19.10.2016 um 17:41 Uhr
AW: Hr. Friedemann Schmidt
von Bernd Jas am 20.10.2016 um 16:19 Uhr
Urteil
von H. Kühnelt am 19.10.2016 um 10:34 Uhr
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Wer will denn noch Apotheker werden ?
von volker köhler am 19.10.2016 um 10:28 Uhr
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Urteil
von Baehs am 19.10.2016 um 10:23 Uhr
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Inländerdiskriminierung
von Michael N. am 19.10.2016 um 10:16 Uhr
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Herr Gröhe,
von Christiane Patzelt am 19.10.2016 um 10:14 Uhr
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Schluss damit
von T. La Roche am 19.10.2016 um 10:10 Uhr
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AW: Schluss damit1
von globus am 19.10.2016 um 23:04 Uhr
urteil
von FRANK EBERT am 19.10.2016 um 10:03 Uhr
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AW: RE: Urteil
von C. Fiedler am 19.10.2016 um 10:10 Uhr
EuGH
von Dr. Radman am 19.10.2016 um 9:56 Uhr
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