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Hessen zum Spahn-Plan
Kammer warnt vor Streichung des „alten“ Rx-Boni-Verbots
Die Standesvertretungen der Apotheker sind sich uneins: Ist der Entwurf des Apotheken-Stärkungsgesetzes eine Gefahr oder eine Chance für die Apotheken? Die Pläne zum Apothekenhonorar und zu den pharmazeutischen Dienstleistungen finden alle Kammern und Verbände gut. Unterschiedlich wird aber die Streichung eines Satzes aus dem Arzneimittelgesetz bewertet, das „alte“ Rx-Boni-Verbot. In einer schriftlichen Stellungnahme warnt die Landesapothekerkammer Hessen vor den Auswirkungen – und erhebt Vorwürfe gegen das Bundesgesundheitsministerium.
Am 2. Mai findet in Berlin eine außerordentliche Mitgliederversammlung der ABDA statt. Mehrere Landesapothekerkammern und -verbände hatten Gesprächsbedarf angemeldet – es geht um den Entwurf zum Apotheken-Stärkungsgesetz des Bundesgesundheitsministeriums. Konkret stören sich die insgesamt neun Kammern und acht Verbände an der Streichung des „alten“ Rx-Boni-Verbots aus dem Arzneimittelgesetz. In § 78 Abs. 1 Satz 4 des AMG wird die Rx-Preisbindung auf die EU-Versender übertragen. Die Geschichte dieses Satzes ist bekannt: 2012 hatte der Bundestag ihn beschlossen, wobei der Gemeinsame Senat der Obersten Gerichtshöfe des Bundes schon vor seinem Inkrafttreten entschieden hat, dass sich EU-Versender an die Arzneimittelpreisverordnung halten müssen. Dann landete er vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH), wo seine Verteidigung scheitere: Seit dem EuGH-Urteil aus dem Oktober 2016 dürfen EU-Versender Rx-Boni anbieten.
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Das Bundesgesundheitsministerium will mit seinem Apotheken-Stärkungsgesetz diesen umstrittenen Satz nun streichen. In der Begründung heißt es, damit erkenne die Bundesrepublik die Rechtsauffassung der Europäischen Kommission an. Diese hatte erst kürzlich ihr 2013 in die Wege geleitetes und zwischenzeitlich ausgesetztes Vertragsverletzungsverfahren wegen eben dieser gesetzlichen Regelung wieder aufleben lassen. Statt des „alten“ Rx-Boni-Verbots will das Ministerium aber ein neues im Sozialgesetzbuch V etablieren – die Bundesregierung hofft, dass das Verbot dort sicherer vor juristischen Angriffen ist, schließlich ist die Regelung der Gesundheitssysteme Sache der EU-Mitgliedstaaten.
Kammer: Altes Boni-Verbot unbedingt behalten!
Die Landesapothekerkammer Hessen ist eine der Kammern, die diesen Vorgang sehr kritisch beäugt. Noch vor der außerordentlichen Mitgliederversammlung hat die Kammer nun eine fünfseitige schriftliche Stellungnahme zum geplanten Apotheken-Stärkungsgesetz veröffentlicht. Darin begrüßen die hessischen Apotheker zwar einige Punkte, wie etwa die Einführung neuer, vergüteter pharmazeutischer Dienstleistungen oder die Änderungen am Apothekenhonorar. In erster Linie nutzt die Kammer das Papier aber, um vor den Auswirkungen der Streichung von § 78 Abs. 1 Satz 4 AMG zu warnen.
Einer der wichtigsten Punkte der Kammer ist ein vor dem Oberlandesgericht (OLG) München anhängiges Verfahren. Zur Erinnerung: Hier handelt es sich um einen Rechtsstreit des bayerischen Apothekerverbands mit einer niederländischen Versandapotheke um Rx-Boni, der nach der Anrufung des EuGH ausgesetzt worden war und erst im vergangenen Jahr weiterverfolgt wurde. Im Februar 2018 haben die Münchener Richter einen Beweisbeschluss erlassen, mit dem sie die
Bundesregierung um Auskunft ersuchen, ob und unter welchen Umständen die
Anwendung des einheitlichen Apothekenabgabepreises auf ausländische
Versandapotheken geeignet und erforderlich ist, die flächendeckende,
sichere und qualitativ hochwertige Versorgung der Bevölkerung mit
Rx-Arzneimitteln sicherzustellen. Allerdings hat das Ministerium bis heute nicht auf dieses Ersuchen reagiert. Die Hoffnung der
Apotheker ist natürlich, dass die vom EuGH vermissten Belege für diesen Zusammenhang in einem neuerlichen Verfahren in Luxemburg nachgeholt werden können.
„Mit rechtsstaatlichen Grundsätzen schwer vereinbar“
Dies erzürnt die Kammer Hessen. Aus ihrer Sicht ist es ein mit rechtsstaatlichen Grundsätzen schwer vereinbarer Vorgang, dass ein Verfassungsorgan und die ihm nachgeordnete Bundesverwaltung auf das Ersuchen eines Gerichtes nicht reagieren.“ Die Kammer warnt: Hebt man den Satz zum Boni-Verbot im Arzneimittelgesetz auf, hätte sich das Verfahren vor dem OLG gänzlich erledigt, eine erneute Prüfung der Angelegenheit vor dem EuGH wäre ausgeschlossen. „Dies wiederum führt (…) dazu, dass die Gleichpreisigkeit für verschreibungspflichtige Arzneimittel in der Bundesrepublik Deutschland nicht gewährleistet werden kann“, heißt es in der Stellungnahme.
Und auch an der vom BMG geplanten Alternative, also dem Boni-Verbot im SGB V, lässt die Kammer Hessen kein gutes Haar. Denn: „Eine Preisbindungsvorschrift im SGB V hat keine Bindung für Privatversicherte, Selbstzahler sowie Beihilfeberechtigte. Auch bietet die PKV bereits gegenwärtig sogenannte Versandtarife an, mit denen ein Arzneimittelbezug aus dem europäischen Ausland forciert werden soll. Auch mögliche Ergänzungen des Versicherungsvertragsrechts sind hierfür nicht geeignet, schon allein weil sie Selbstzahler nicht erfassen können.“
EU-Notifizierungsverfahren droht
Außerdem entfalte auch diese Regelung eine europarechtliche Wirkung, so die Kammer. Deswegen sei ein EU-Notifizierungsverfahren notwendig, also eine Abstimmung der Regelung mit allen anderen EU-Staaten und der EU-Kommission. Zur Erinnerung: Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatte erst kürzlich erklärt, dass sein Haus davon ausgehe, dass man das Apotheken-Stärkungsgesetz nicht einem Notifizierungsverfahren unterstellen müsse. Kommt es nun doch zu einem Notifizierungsverfahren mit dem Rest der EU, warnt die Kammer Hessen vor dem folgenden Szenario:
Im Übrigen ist zu bedenken, dass für die Dauer des Notifizierungsverfahrens nicht ausgeschlossen werden kann, dass das Gesamtpaket in der parlamentarischen Diskussion scheitert und dem Grundsatz der Dienstkontinuität zum Opfer fallen könnte. Sollte das BMG ein Notifizierungsverfahren nicht für erforderlich halten, ist zu bedenken, dass das Gesamtpaket in einer späteren Auseinandersetzung vor dem EuGH bereits aus formellen Gründen scheitern könnte. Hielte dieser nämlich ein Notifizierungsverfahren für notwendig, würde dies zur Unanwendbarkeit der Vorschrift führen und damit zur vollständigen Zielverfehlung.“
3 Kommentare
Gut?
von Anita Peter am 24.04.2019 um 17:20 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 2 Antworten
AW: Gut?
von Dr Schweikert-Wehner am 25.04.2019 um 7:39 Uhr
AW: Gut
von Heiko Barz am 25.04.2019 um 11:28 Uhr
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