Oberlandesgericht München

Der erste Schritt zur Korrektur des EuGH-Urteils?

Berlin - 22.02.2018, 14:10 Uhr

Die deutschen Gerichte sind noch nicht fertig mit der Frage, ob die Arzneimittelpreisverordnung die ordnungsgemäße Arzneimittelversorgung durch Apotheken sicherstellt. (Foto: Sebra / Stock.adobe.com)

Die deutschen Gerichte sind noch nicht fertig mit der Frage, ob die Arzneimittelpreisverordnung die ordnungsgemäße Arzneimittelversorgung durch Apotheken sicherstellt. (Foto: Sebra / Stock.adobe.com)


Es gibt neue Hoffnung für die vielen Kritiker des EuGH-Urteils zur Rx-Preisbindung: Wie der Bayerische Apothekerverband mitteilt, hat das Oberlandesgericht München am heutigen Donnerstag entschieden, dass es in einem seit 2012 anhängigen Verfahren um Rx-Boni einer niederländischen Versandapotheke weitere Daten und Fakten einholen will. Und zwar zu der Frage, ob die Regelungen der Arzneimittelpreisverordnung geeignet, erforderlich und angemessen sind, um die ordnungsgemäße Arzneimittelversorgung sicherzustellen.

Im Oktober 2016 hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) die deutsche Apothekenwelt kräftig durchgerüttelt. Er befand, dass sich EU-ausländische Versandapotheken, die Arzneimittel nach Deutschland verschicken, nicht an die Arzneimittelpreisverordnung halten müssen. Damit wurden den EU-Versendern Rezept-Boni ermöglicht, die der deutsche Gesetzgeber verboten hatte. Das Urteil sorgte mit seinen fragwürdigen Argumenten für mächtig Ärger bei den Apothekern in Deutschland, für die die Festpreise der Arzneimittelpreisverordnung weiterhin bindend sind. Und es führte zu der bis heute geführten Debatte um das Rx-Versandverbot.

Wo sind die Nachweise?

Das EuGH-Urteil bot aber auch eine Nische für einen Lichtblick: In der Begründung wurde bemängelt, dass es keinen Nachweis gebe, weshalb die Preisbindung zur Sicherung der ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung erforderlich sei. Diesen Nachweis nachträglich beizubringen – das sahen nun die Kritiker als ihre Chance. So machten sich auch der Jurist Dr. Heinz-Uwe-Dettling, der Ökonom Prof. Dr. Uwe May und die Politikwissenschaftlerin Cosima Bauer an die Arbeit, die beklagten „Lücken im Tatsächlichen“ zu schließen. Im vergangenen Jahr legten sie ein entsprechendes Gutachten vor. Nun stellte sich die Frage: Wird ein Gericht die Möglichkeit eröffnen, die vermissten Argumente nochmals vorzubringen?

Bereits Ende November 2016 hatte der Bundesgerichtshof ein noch anhängigiges Boni-Verfahren an das Oberlandesgericht (OLG) Köln zurückverwiesen. In seinen im Frühjahr vorgelegten Gründen signalisierten die Bundesrichter, dass ein erneuter Weg nach Luxemburg möglich wäre. Dazu müsse die Berufungsinstanz, das OLG Köln, aber weitere Feststellungen treffen – und dies könne noch nachgeholt werden. Während in Köln noch keine weitere Entscheidung gefallen ist, hat das OLG München nun in einem anderen Fall den nächsten Schritt getan. Bei ihm ist schon seit geraumer Zeit ein Rechtsstreit zwischen dem Bayerischen Apothekerverband (BAV) und der damals niederländischen Versandapotheke Wellsana Pharma anhängig, die 2013 in DocMorris aufgegangen ist und mittlerweile als Tanimis Pharma C.V. firmiert. Wellsana hatte unter anderem für Rx-Boni in Höhe von drei Euro pro Rezeptposition geworben und diese Boni auch gewährt. Das Landgericht München hatte den Versender zur Unterlassung verurteilt.

Die Versandapotheke legte Berufung beim OLG München ein. Hier wurde Ende 2014 verhandelt – doch dann gab es eine lange Pause: Denn bevor die Entscheidung fallen konnte, hatte das Oberlandesgericht Düsseldorf in einem Verfahren der Wettbewerbszentrale, in dem es um Rx-Boni von DocMorris ging, den EuGH angerufen. Es wollte wissen, ob das deutsche Preisrecht, das sich auch auf EU-ausländische Versender erstreckt, gegen EU-Recht verstoße. Dies hatte die höchste deutsche Rechtsprechung bislang verneint. Das Oberlandesgericht München setzte daraufhin das bei ihm anhängige Verfahren bis zur Entscheidung des EuGH aus. Und erst am heutigen Donnerstag kam es zu einer Entscheidung. Allerdings nicht zu einem endgültigen Urteil, sondern zunächst einem Beschluss, der auch keine weitere Begründung enthält.

BAV begrüßt Entscheidung und gibt sich zuversichtlich

Wie der BAV mitteilt, hat der zuständige Senat entschieden, durch Auskunft der Bundesregierung weitere Daten und Fakten, zur Geeignetheit, Erforderlichkeit und Angemessenheit der Arzneimittelpreisverordnung zur Sicherstellung der ordnungsgemäßen Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln in Deutschland einzuholen. Dann kann das Verfahren mithilfe dieser zusätzlichen Daten weitergehen. Der BAV begrüßte diese Entscheidung. Der erste Schritt zur Korrektur der unrichtigen und nicht nachvollziehbaren Rechtsprechung des EuGH im Urteil vom 19.Oktober 2016 sei damit getan.

Der BAV gibt sich überzeugt: „Es wird sich zeigen, dass die Arzneimittelpreisverordnung das maßgebliche Instrument zur Sicherstellung der ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung der Bevölkerung gerade auch in ländlichen Regionen, insbesondere auch im Nacht- und Notdienst ist. Die seit Jahrzehnten bestehende Verteilung der Apotheken in der Fläche unter Geltung der Arzneimittelpreisverordnung belegt dies. Dieser offensichtliche Ursachenzusammenhang wird durch die Beweisaufnahme und Einholung weiterer Auskünfte bestätigt werden.“  


Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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