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DAZ.online-Faktencheck
Wie „Focus online“ mit falschen Fakten für Versandapotheken wirbt
Inzwischen haben fast alle namhaften Tageszeitungen und Magazine die Debatte um das Rx-Versandverbot aufgegriffen. Zumeist hagelt es Kritik für die Pläne von Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe. Das Online-Nachrichtenmagazin „Focus“ geht nun einen Schritt weiter und stellt für seine Leser explizit die vermeintlichen Vorteile des Versandhandels gegenüber der Apotheke vor Ort heraus. Wie der DAZ.online-Faktencheck zeigt, liegt das Magazin dabei an einigen Stellen falsch.
Am gestrigen Sonntag erschien auf der Internetseite des „Focus“ der Beitrag mit dem Titel „Streit um rezeptpflichtige Medikamente – Arzneien 80 Prozent günstiger: Hunderte Euro mit Versandapotheken sparen“. Der Artikel fasst kurz das EuGH-Urteil zur Rx-Preisbindung zusammen und geht dann dazu über, in Form eines Ratgeber-Beitrags auf die preislichen Vorteile des Versandhandels hinzuweisen. Es lohnt sich jedoch, genauer hinzuschauen und die in dem Text als „Fakten“ verpackten Inhalte auf ihre Richtigkeit zu überprüfen.
- Schon die Folgen des EuGH-Urteils zur Rx-Preisbindung sind ungenau dargestellt. Der „Focus“ schreibt: „Im Oktober hat der Europäische Gerichtshof die Preisbindung bei rezeptpflichtigen Medikamenten für unzulässig erklärt. Das bedeutet für die Kunden, die rezeptpflichtige Medikamente bei ausländischen Internet-Apotheken bestellen: Rabatte von bis zu 30 Euro pro Rezept sind weiterhin erlaubt.“ Falsch! Von einem „weiterhin“ kann keine Rede sein. Und „erlaubt“ waren Rx-Boni aus Sicht deutscher Gerichte und des deutschen Gesetzgebers bis zum EuGH-Urteil eigentlich nie. Zwar waren DocMorris und Co. von jeher anderer Meinung, boten die Boni an und wurden deshalb verklagt. Doch alle nationalen Gerichte – bis hin zum Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes – waren überzeugt: Auch für EU-ausländische Apotheken gilt die Arzneimittelpreisverordnung. Die höchsten deutschen Richter hatten auch keinen Zweifel, dass dies europarechtskonform ist. Der Gesetzgeber stellte die Preisbindung für ausländische Versender sodann auch explizit im Arzneimittelgesetz klar. Erst der EuGH brachte die deutsche Rechtsprechung und den gesetzgeberischen Willen zum Einsturz.
- Auch in der Bildunterschrift versteckt sich eine Ungenauigkeit. Das Foto zeigt eine DocMorris-Franchise-Apotheke, die noch in einem älteren grün-weißen Design beflaggt ist. Der Redakteur schreibt dazu: „Deutsche Filialen wurden der Online-Apotheke DocMorris untersagt. Rabatte im Internet gibt es immer noch.“ Richtig ist, dass das Unternehmen DocMorris, als es noch nicht zur Schweizer Kapitalgesellschaft Zur Rose gehörte, eine eigenständige Haupt-Apotheke im Saarland eröffnete, die dann aufgrund des bestehenden Fremdbesitzverbotes wieder geschlossen wurde. Diese als eine „Filiale“ der niederländischen Hauptapotheke zu bezeichnen, ist alleine aufgrund der unterschiedlichen gesetzlichen Rahmenbedingungen in Deutschland und den Niederlanden sehr schwierig. Was es gab und in geringem Umfang noch gibt, sind Franchise-Nehmer von DocMorris – also selbstständige Apotheker, die ihre Apotheke umflaggen.
Falsche Infos über SPD-Forderungen
- Mit Blick auf das Gesetzgebungsverfahren zum Rx-Versandverbot schreibt der „Focus“ dann: „Die SPD ist aber dagegen, da mehr Wettbewerb zu niedrigeren Arzneimittelpreisen führen würde.“ Falsch! „Die SPD“ ist nicht gegen das Verbot. Die Bundestagsfraktion der Sozialdemokraten ist gegen die Pläne des Bundesgesundheitsministeriums (BMG). Gleich in mehreren Bundesländern haben sich führende SPD-Politiker FÜR das Rx-Versandverbot ausgesprochen. Hinzu kommt, dass sich die SPD-Bundestagsfraktion in ihrer Kritik am geplanten Rx-Versandverbot niemals auf sinkende Preise bezogen hat. Bislang liegt aus der SPD-Fraktion ein konkreter Vorschlag von Sabine Dittmar und Edgar Franke vor, in dem keine Rede davon ist, dass ein gesteigerter Wettbewerb zu niedrigeren Preisen führen solle. Vielmehr geht es Dittmar und Franke um Versorgungsaspekte, wie beispielsweise den Markt der sogenannten „Spezialversender“.
- Im anschließenden Absatz erklärt der Redakteur die Preisbindung im Arzneimittelbereich und kommt dann zum folgenden Schluss, dass die Preisregeln in Deutschland der Grund dafür sei, dass DocMorris sich im Ausland niedergelassen habe. „Zum einen kosten Arzneien dort weniger als in Deutschland, zum anderen können die Versender als Großabnehmer günstigere Rabatte durchsetzen“, heißt es in dem Beitrag. Lustigerweise dürfte DocMorris aufs Heftigste gegen diese Darstellung widersprechen. Denn das Unternehmen betont immer wieder, dass es zu den gleichen Wettbewerbsbedingungen beim deutschen Großhandel einkaufe. Ebenso beteuert DocMorris, dass es eben nicht vom niedrigeren Mehrwertsteuersatz in den Niederlanden profitiert, sondern den 19-prozentigen-Mehrwertsteuersatz in Deutschland abführe.
Fragwürdige Preis-Rechnungen und falsche ABDA-Forderungen
- Der Fokus des „Focus“-Beitrages verschiebt sich vom Rx-Versand auf die OTC-Preise. Denn die bei den Boni gesparten Euro könne der Verbraucher praktischerweise gleich in OTC investieren, heißt es in den Text. Ohnehin seien die OTC-Preise im Internet „wesentlich günstiger“. Ein Beispiel gefällig? „So kosten 20 Tabletten Ibuprofen bei den stationären Apotheken im Durchschnitt sieben Euro.“ Faktencheck: Bestenfalls fragwürdig. Der „Focus“ erklärt an dieser Stelle in keiner Weise, wie er zu diesem „Durchschnitt“ komme und wie er OTC-Preise in Apotheken vor Ort ermittelt hat. Zur Erinnerung: Im OTC-Bereich dürfen Apotheker die Preise selbst festlegen. Es ist nicht auszuschließen, dass es Apotheken gibt, die Ibuprofen-Packungen deutlich unter 7 Euro anbieten. Im „Focus“-Text folgen im Übrigen drei weitere OTC-Beispiele mit „Durchschnittspreisen“ aus Apotheken, bei denen nicht nachvollziehbar ist, wie die Redaktion die Preise ermittelt hat.
- Letztlich schießt der „Focus“ noch in Richtung Interessenvertretung der Apotheker. Im Beitrag heißt es mit Blick auf die OTC-Preise: „Vor allem wegen solcher Sonderangebote wettern die Apothekenverbände gegen den Pillenversand per Mausklick.“ Falsch! Die derzeitige Kritik der Apothekerverbände- und Kammern bezieht sich (zumindest in der Öffentlichkeit) ausschließlich auf den Versand von Rx-Arzneimitteln. Die Forderungen der ABDA in Sachen Versandhandel sind zumindest derzeit in keiner Weise mit dem OTC-Geschäft verknüpft.
8 Kommentare
Richtigstellung zum Artikel
von Frank Zacharias am 14.03.2017 um 16:09 Uhr
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Kommentare unter besagtem Artikel
von Semih Selbeck am 14.03.2017 um 9:39 Uhr
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Apotheker und Presse, das geht nie gut!
von Heiko Barz am 13.03.2017 um 18:59 Uhr
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AW: Erdogan/AfD
von Holger am 14.03.2017 um 8:25 Uhr
Preisbindung für den Focus
von Jan am 13.03.2017 um 18:33 Uhr
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Schön und gut...
von Carsten Simons am 13.03.2017 um 17:48 Uhr
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AW: auf Standesvertretung verlassen
von frank ebert am 13.03.2017 um 19:34 Uhr
AW: Schön und gut
von Peiffer Susanne am 13.03.2017 um 20:25 Uhr
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