Bayerischer Apothekertag

Burn-out erkennen und gezielt behandeln

Burn-out ist ein Arbeitsproblem

Burn-out wird in der Öffentlichkeit als neue "Volkskrankheit" diskutiert, aber das Phänomen ist nicht neu, es hat es zu allen Zeiten Namen gegeben. In den Medien wird dabei oft eine Krankheitsdefinition gefördert, die den Begriff Burn-out mit einer Erkrankung der Leistungsträger, der "Starken" gleichsetzt, den Begriff Depression dagegen mit einer Erkrankung der "Schwachen" verknüpft. Diese Bewertung trifft nicht zu und sie birgt die Gefahr einer Stigmatisierung Depressiver. Es handelt sich um zwei Krankheitsbilder, deren Symptome zwar ähnlich sind, die sich aber auf neurologischer Ebene unterscheiden.
Prof. Dr. Kristina Leuner Foto: DAZ/ck

Kritisch sieht es Prof. Dr. Kristina Leuner von der Universität Erlangen-Nürnberg, wenn "Burn-out" als ein Oberbegriff für alle arbeitsbedingten psychischen Störungen genutzt wird. Oft wird dann in einer Therapie der Eindruck vermittelt, dass mit gesunder Ernährung, Sport, Entspannungsübungen oder einfachen Empfehlungen zur Arbeitsplatzumstrukturierung die Probleme behoben werden könnten. Zudem besteht die Gefahr einer Gleichstellung des schweren und oft lebensbedrohlichen Krankheitsbildes der Depression mit Burn-out. Dies kann mit einer gefährlichen Unter- und Fehlversorgung der Betroffenen einhergehen, denen schlimmstenfalls evidenzbasierte Behandlungen vorenthalten werden.

Vegetative Stresssymptomen wie Angespanntheit, verminderte Schlafqualität und ein Erschöpfungsgefühl können durch ungewöhnliche Anforderungen der Arbeitswelt bedingt sein. Wenn diese vorübergehend, absehbar zeitlich begrenzt sind und sich die Stressreaktionen in kurzen Erholungsphasen zurückbilden, sollte nicht von Burn-out gesprochen werden. Hält ein solcher Zustand jedoch längere Zeit, mehrere Wochen bis Monate an, ist kein Ende absehbar und führen kurze Erholungsphasen wie ein Wochenende nicht zu einer Rückbildung von Erschöpfung und vegetativer Symptomatik, kann von einem Burn-out gesprochen werden. Die Hauptsymptome eines Burn-out sind emotionale Erschöpfung, eine Abstumpfung der Gefühle bis hin zu einer Depersonalisation. Die Entwicklung ist meistens ein schleichender und langwieriger Prozess, in dem mehrere Stadien durchlaufen werden.

Auf neurobiologischer Ebene wird durch die zunehmende Arbeitsbelastung Stress ausgelöst, der den Cortisolspiegel im Körper ansteigen lässt. In der Folge kommt es zu einer verringerten synaptischen Plastizität, dendritische Verzweigungen gehen verloren, die Neurogenese wird gehemmt. Dadurch kommt es zu einer immer schlechteren Bewältigung der Anforderungen – eine negativ Spirale läuft ab.

Zwar ähneln sich die Hauptsymptome von Burn-out und Depression, doch eine Depression erstreckt sich auf alle Bereiche des Lebens, ein Burn-out dagegen nur auf die Arbeitssituation. Bei der Depression ist es möglich, eine klinisch definierte Diagnose zu stellen, ein Burn-out dagegen findet sich nicht im Diagnose-Klassifikationssystem ICD10.

Auch wenn der zugrunde liegende Pathomechanismus einer Depression noch immer nicht vollständig aufgeklärt ist, so ist die Pathophysiologie der Depression doch sehr gut untersucht. Belegt ist, dass es zu Veränderungen im Neurotransmitterhaushalt kommt, wobei besonders Noradrenalin und Serotonin eine Rolle spielen. Auch die Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse ist aus der Balance. Eine erfolgreiche medikamentöse Intervention mit Antidepressiva ist möglich. Insgesamt geht man bei einer Depression von einer multifaktoriellen Erkrankung aus, bei der auch genetische und epigenetische Prozesse involviert sind. "Bei der Depression wissen wir ziemlich genau, was im Gehirn passiert, über das Burn-out wissen wir wenig", so Leuner. Die Therapie bedarf dabei klarer und umsetzbarer Behandlungskonzepte, die dem Betroffenen seine Autonomie und sein Handeln zurückgeben bzw. möglichst nachhaltig verhindern, dass er sie verliert. Doch da so wenig über die Neurobiologie bekannt ist, gibt es auch keine zugelassenen Arzneimittel und werden auch keine Studien durchgeführt.


Priv.-Doz. Dr. Jürgen Glaser Foto: DAZ/ck

Was tun am Arbeitsplatz?

Psychischer Stress am Arbeitsplatz kann viele Ursachen haben. Eine subjektiv erlebte Arbeitsüberforderung kann sich aus arbeitsplatzbezogenen Faktoren wie eine real nicht zu bewältigende Fülle an Arbeit, mangelnde Anerkennung durch Vorgesetzte oder fehlende Abgrenzung zum Privatleben ergeben. Dabei spielen individuelle Faktoren wie überhöhter Anspruch, mangelnde Erholungsphasen, Perfektionismus oder mangelnde Qualifikation eine wichtige Rolle, wie Priv.-Doz. Dr. Jürgen Glaser vom Fachbereich Psychologie der Universität Konstanz ausführte. Hier hat zum einen der Apothekenleiter als Führungskraft eine Verantwortung, aber ebenso hat auch jeder einzelne Mitarbeiter für sich und seine Gesundheit eine Verantwortung. Ziel sollte es sein, Arbeit so sinnvoll, abwechslungsreich und menschenwürdig wie möglich zu gestalten, denn Arbeit ist nicht nur notwendiges Übel, sondern oft auch zentraler Lebensinhalt und Befriedigung. Um Abhilfe zu schaffen, werden Individuen-bezogene Ansätze von Organisations-bezogenen Ansätzen unterschieden. Im ersten Fall sind individuelle Faktoren wie ein Missverhältnis zwischen eigenen zu hohen Erwartungen und der Realität zu berücksichtigen. Es geht um das Verhalten des Mitarbeiters, gegebenenfalls ist eine Therapie eine Interventionsmöglichkeit. Im anderen Fall sind die widrigen Arbeitsbedingungen maßgeblich, es werden sehr hohe Anforderungen gestellt, der Arbeitnehmer hat aber objektiv keine Möglichkeiten, adäquat zu reagieren. Das Fazit auch von Glaser: Burn-out ist ein arbeitspsychologisches Konzept und keine anerkannte Krankheit. Glaser ist sich sicher, dass sich Burn-out verhaltenspräventiv lindern lässt und durch eine gute Arbeitsgestaltung vermieden werden kann. Das setzt aber voraus, dass es durch Führungskräfte und Kollegen früh erkannt wird.

Gesundheit ist Chefsache und erfordert ein gesundheitsförderndes Führen. Als eine Möglichkeit nannte Glaser das Abfragen des subjektiven Arbeitserlebens. Wird solch eine "Gefährdungsbeurteilung" im Arbeitsumfeld ernst genommen, so sind Rückschlüsse möglich, was Mitarbeiter am meisten stört und stresst. Sind diese Faktoren bekannt, muss eine adäquate Intervention folgen, aktiv gegengesteuert werden. Untersuchungen zum Arbeitsalltag von Ärzten in einem Krankenhaus, die als besonders Burn-out-gefährdet gelten, haben z. B gezeigt, dass ein Arbeiten ohne ständige Unterbrechung und ein guter Informationsfluss zu den Maßnahmen gehören, die am meisten Stress abbauen und das subjektive Arbeitserleben sehr positiv beeinflussen. Diese Erkenntnis ist branchenübergreifend und setzt sich auch in der Industrie durch. Immer öfter wird Mitarbeitern auch in größeren Unternehmen untersagt, an Wochenenden auf E-Mails zu antworten, und es wird auf einen effektiven Umgang mit Informationen geachtet – das kann bedeuten, nicht alle Mitarbeiter ständig auf "cc" zu setzen und E-Müll zu produzieren, der die Arbeit unterbricht. Solch einfache Maßnahmen bauen Stressoren ab und die Qualität des Arbeitslebens steigt. Als Folge werden messbar weniger Fehler gemacht, was sich auch finanziell niederschlägt und – im Beispiel Krankenhaus – die Patientenzufriedenheit und Qualität der medizinischen Versorgung erhöht.


Dr. Marlies Jauk Foto: DAZ/ck

Hilfe – nicht nur für gestresste Lehrer

Auch Lehrer sind oft von Burn-out betroffen. Dr. Marlies Jauk von der Pädagogischen Hochschule Steiermark aus Graz stellte mit dem "GO!-L" Programm (Gesundheit und Optimismus für gestresste Lehrer) einen Versuch vor, dagegen zu steuern. Der Lehrberuf zählt als anstrengender Beruf – vor allem, wenn es um die psychische Belastung geht. Fachwissen zu beherrschen und dieses didaktisch aufzubereiten, ist heute nicht mehr ausreichend. Die Herausforderungen liegen insbesondere im sozialen, emotionalen Bereich, und diese Anforderungen sind oft widersprüchlich und schwer zu erfüllen. Auch aus dem Apothekenalltag sind solche Herausforderungen nur zu gut bekannt, so dass viele Ansätze aus dem GO!-L-Programm auch für Apotheker interessant sind. Das Präventionsprogramm GO!-L ist ein wissenschaftlich fundiertes Trainingsprogramm, das primärpräventiv gegen Angst, Stress, Depressivität und Burn-out eingesetzt werden kann. Das mehrjährige Gesundheitsprojekt besteht aus mehreren Modulen. Ziel ist es, die reale Wahrnehmung zu schulen und trotzdem an das Gute zu glauben. Ein Individuum kann über hohe körperliche Fitness verfügen, jedoch trotzdem im Wohlbefinden beeinträchtigt sein und umgekehrt. Deshalb ist eine Balance zwischen mentalen, physischen und sozialen Komponenten und Anforderungen anzustreben. Dazu vermittelt das Präventionsprogramm alltagstaugliche Strategien, mit denen zum einen das individuelle Beanspruchungserleben reflektiert und katastrophisierendes Denken unterbrochen werden kann. Zum anderen werden externe Ressourcen, z. B. soziale Unterstützung im Beruf sowie im privaten Bereich etwa durch Vereine und gute Beziehungen, und interne Ressourcen, z. B. fachliche Kompetenzen und bestimmte Persönlichkeitseigenschaften wie Offenheit, emotionale Intelligenz und andere Fähigkeiten aktiviert.


ck

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