Niedersächsischer Apothekertag

Bunter Fortbildungs-Cocktail

Das weitere Fortbildungsprogramm des Niedersächsischen Apothekertages bot eine bunte Vielfalt von Themen aus dem Apothekenalltag, der Grundlagenforschung und der Arzneistoffentwicklung. Nach der Mikronährstoffberatung in der Apothekenpraxis ging es um Ursachen der Arteriosklerose, neue Behandlungsmöglichkeiten bei ADHS, diverse Arzneimittel mit immunologischer Wirkung und den schwarzen Hautkrebs.

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Uwe Gröber

Mikronährstoffe – Erfolg für Patienten und Apotheker

Uwe Gröber, Essen, sieht für Apotheken großes Potenzial bei der Beratung der Patienten zu Mikronährstoffen. Besonders gute Einsatzmöglichkeiten bestünden für Vitamin D, denn Deutschland sei ein Vitamin-D-Mangelland, weil nur tagsüber im Sommer ein UV-Index über 3 erreicht werden kann, der die körpereigene Synthese ermöglicht. Mehr als 90 Prozent der Deutschen haben Blutspiegel unter 75 nmol/l und damit zu wenig Vitamin D. Manche Arzneimittel senken zusätzlich den Vitamin-D-Blutspiegel.

Da in fast allen Organen Vitamin-D-Rezeptoren existieren, habe dieser Mangel vielfältige Folgen. Die Unterversorgung mit Vitamin D sei weltweit ein Mortalitätsrisiko, die Häufigkeit von Herzinfarkten und Schlaganfällen steige. Vitamin D könne die Risiken für Infektionen und Darmkrebs verringern. Die kostengünstige Substitution könne damit enorme Kosten im Gesundheitswesen sparen, aber durch die normale Ernährung könnten die notwendigen Mengen praktisch nicht zugeführt werden, so Gröber.

Außerdem mahnte Gröber, auf die notwendige Zufuhr an Vitamin B12 zu achten. Ältere Patienten mit Gastritis könnten dies nicht in hinreichender Menge resorbieren. Die pH-Wert-Verschiebung durch Protonenpumpenhemmer wie Omeprazol mache die pH-abhängige Aufnahme unmöglich. Diabetiker, die Metformin erhalten, sollten zur Vermeidung von Neuropathien mindestens einmal pro Quartal Vitamin B12 als Injektion erhalten. Außerdem sollten Diabetiker Magnesium substituieren, um Elektrolytstörungen zu vermeiden und die Einstellbarkeit des Diabetes zu verbessern.

Bei Anwendung von Statinen sollte Coenzym Q10 substituiert werden, weil die Statine dessen Biosynthese ebenso hemmen wie die Cholesterinsynthese. Gröber wies die in Deutschland verbreitete Kritik an der Substitution mancher Mikronährstoffe zurück. Derzeit beginne die Publikumspresse sich gegen Selen zu positionieren. Die zugrunde liegende amerikanische Studie habe jedoch Patienten betrachtet, die bereits gut mit Selen versorgt sind und die zu hohe Selenspiegel entwickelt hätten. Wie vor anderen Behandlungen sollte auch beim gezielten Einsatz von Mikronährstoffen zunächst der Blutspiegel bestimmt werden, forderte Gröber. In Deutschland bestehe oft Selenmangel. Insbesondere Krebspatienten würden bei Chemotherapien von Selen profitieren.



Literaturtipp


Unser tägliches Leben findet meist in geschlossenen Räumen statt. Sei es zu Hause oder bei der Arbeit. Aufgrund der geografischen Lage hat Deutschland keinen Platz an der Sonne, die Folge ist eine Unterversorgung mit Vitamin D. Neue wissenschaftliche Studien haben gezeigt, dass mit einer ausreichenden Vitamin-D-Versorgung vielen Krankheiten wie grippalen Infekten und selbst Krebserkrankungen wie Darm- und Brustkrebs vorgebeugt werden kann. Die Ansprechrate von Arzneimitteln bei einer Krebstherapie wird verbessert, Nebenwirkungen werden verringert. Vitamin D senkt den Blutdruck und kann eine Hypertonie-Behandlung sinnvoll unterstützen.



Uwe Gröber und Klaus Kisters

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Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Stuttgart 2011

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Arteriosklerose – Mainzer Hypothese

Prof. Dr. Sucharit Bhakdi, Mainz, stellte seine Forschungen zur Pathogenese der Arteriosklerose dar. Nach gängiger Lehrmeinung hat die Arteriosklerose vielfältige Ursachen. Im Sinne der Oxidationstheorie würden diverse oxidierende Effekte unter Beteiligung des Immunsystems einen Schneeballeffekt in Gang setzen, der zur Bildung von oxidiertem LDL führt, das die Schädigung der Arterien verursache. Nach Einschätzung von Bhakdi werden dabei viele Ursachen postuliert, weil die wirkliche Ursache nicht gefunden wurde. Dagegen entwickelte er die sogenannte Mainzer Hypothese. Danach ist das

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Sucharit Bhakdi

enzymatisch veränderte LDL (eLDL) der gesuchte Auslöser. Dieses konnte stets in arteriosklerotischen Plaques gefunden werden. Die Krankheit sei damit polyfaktoriell, aber monokausal. Das Eindringen geringer Mengen Cholesterol in die Gefäßwand sei unproblematisch, sofern es wieder abtransportiert werden kann. Das Problem sei das "Auspacken" von Cholesterol an den falschen Stellen in der Gefäßwand.

Die Mainzer Hypothese wurde ausführlich in DAZ 2010/Heft 5 in einem Interview mit Bhakdi und in DAZ 2010/Heft 7 in einem Tagungsbericht beschrieben. Als Argumente nannte Bhakdi die biologische Sinnhaftigkeit und die schlüssige Erklärung der experimentellen Befunde. Mit diesen Ergebnissen und seiner einfühlsamen Vortragsweise überzeugte er auch beim Niedersächsischen Apothekertag. Die Konsequenzen seiner Erklärung stimmen mit einschlägigen Empfehlungen überein. Demnach sollte der Quotient aus dem LDL- und dem HDL-Wert höchstens 2,5 betragen, um für einen guten Abtransport des Cholesterins mithilfe von HDL zu sorgen. Sofern Risikofaktoren vorliegen, sollte die Konzentration von LDL-Cholesterin höchstens 100 mg/dl betragen.


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Michael Huss

ADHS – neue Optionen

Prof. Dr. Michael Huss, Mainz, stellte neue Behandlungsansätze bei ADHS vor. Zu den Symptomen des ADHS gehören Aufmerksamkeitsstörungen, Impulsivität und Hyperaktivität. Kennzeichnend ist dabei das zeitlich durchgängige Auftreten in der Biografie des Patienten in allen Settings, also innerhalb und außerhalb der Schule und unabhängig vom Belastungsgrad.

Als grundlegend neuen Wirkstoff gegen ADHS stellte Huss Guanfacin vor, das am noradrenergen System angreift, während die etablierten Pharmaka gegen ADHS auf das dopaminerge System zielen. In Studien habe Guanfacin günstige Entwicklungen im Frontalhirn gezeigt. Es dürfte die therapeutischen Möglichkeiten erweitern, erwartet Huss, allerdings befürchtet er mögliche unerwünschte Effekte hinsichtlich des Blutdrucks sowie Somnolenz. Guanfacin wird in Phase-III-Studien erforscht. Möglicherweise noch vor ihm werde Lisdesamphetamin in den Markt eingeführt. Es könnte damit als erstes Amphetamin in Deutschland bei ADHS eingesetzt werden. Die Substanz stellt ein Prodrug dar, das nach Abspaltung von Lysin das wirksame D-Amphetamin freisetzt. So sei kein "Kick" möglich, und es bestehe weniger Sorge hinsichtlich der Suchtgefahr.

Auch Nahrungsergänzungsmittel werden im Zusammenhang mit ADHS weiter erforscht. Den Hintergrund bildet der geringe Anteil an ungesättigten Fettsäuren in modernen Lebensmitteln, die möglichst lange haltbar sein sollen. Dagegen benötigt insbesondere das Gehirn ungesättigte Fettsäuren, um die Fluidität der Nervenzellmembranen sicherzustellen. Omega-3-Fettsäuren sind insbesondere in Kaltwasserfischen, Omega-6-Fettsäuren in Sonnenblumenöl, Nachtkerzenöl und Fleischwaren enthalten. Mit dem Verzehr von Fisch erscheint es kaum möglich, die im Zusammenhang mit ADHS propagierten Mengen aufzunehmen.

Huss berichtete über günstige Effekte einer Kombination aus Omega-3- und Omega-6-Fettsäuren bei ADHS-Patienten, wobei Jungen mehr als Mädchen profitieren. Dies passt zum vermuteten Effekt, denn Frauen können die unzureichende Versorgung mit ungesättigten Fettsäuren besser kompensieren. In einer offenen Beobachtungsstudie an 810 Kindern wurde der Schlaf der Kinder ruhiger. Die Ergebnisse einer randomisierten und verblindeten Studie werden mit Spannung erwartet. Bis dahin hält es Huss für durchaus akzeptabel, bei Unkonzentriertheit ungesättigte Fettsäuren zu geben, sofern dadurch keine andere Therapie verzögert wird.


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Klaus Mohr

Immunsystem als Arzneistofftarget

Prof. Dr. Klaus Mohr, Bonn, hob die besondere Bedeutung des Immunsystems als Angriffspunkt für viele neuere Arzneistoffe hervor. In keinem anderen Bereich habe es in den zurückliegenden fünf Jahren so viele Arzneistoffe mit neuen Wirkprinzipien gegeben. Angesichts seiner komplizierten Strukturen bietet das Immunsystem noch viele mögliche Targets.

Das Immunsystem kann grob einerseits in die humorale und die zelluläre Abwehr und andererseits in die angeborene und die erworbene Abwehr eingeteilt werden. Obwohl das System gegen die unterschiedlichsten Arten äußerer Erreger wirken soll, dienen die in jüngerer Zeit eingeführten Substanzen jeweils sehr speziellen Zwecken.

Ein Beispiel ist Eculizumab, ein monoklonaler Antikörper gegen den Komplementfaktor C5. Der Antikörper unterbricht die Wirkungskaskade des Komplementsystems und verhindert damit die Attacken bei paroxysmaler nächtlicher Hämoglobinurie. Andere Wirkstoffe wie Imiquimod regen gezielt einzelne Funktionen des Immunsystems an. Imiquimod aktiviert den Toll-like-Rezeptor-7 und erlaubt damit die lokale Behandlung von Condylomata acuminata, Basalzellkarzinomen und aktinischen Keratosen.

Die Toll-like-Rezeptoren gehören zu einem Teil des Immunsystems, der auf molekulare Strukturen reagiert, die typischerweise körperfremd sind. Zu diesem System gehören auch die sogenannten NOD-like-Rezeptoren. Dort greift Mifamurtid an, das beim Osteosarkom wirksam ist. Für die Zukunft erwartet Mohr insbesondere weitere Arzneistoffe, die an Toll-like- oder NOD-like-Rezeptoren wirken.

Die durch Interleukine vermittelte Aktivierung von Leukozyten bietet bereits Targets für mehrere Arzneistoffe. Das kürzlich eingeführte Fingolimod hemmt die Mobilisierung von Lymphozyten und bietet damit einen neuen Ansatz gegen die multiple Sklerose. Während die meisten neuartigen Arzneimittel gezielt ein einzelnes Ziel im Immunsystem adressieren, verbindet der trifunktionale Antikörper Catumaxomab sogar zwei Mechanismen des Immunsystems, die gemeinsam aktiviert werden. Es wird bei tumorbedingtem Aszites eingesetzt und soll dabei eine systemische Entzündung induzieren. Der Antikörper bindet an den Tumor und enthält zwei weitere Bindungsstellen zur Bindung an Komplement und an zytotoxische T-Lymphozyten. So werden das angeborene und das erworbene Immunsystem miteinander verbunden.

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Dieter Steinhilber (links) und Theo Dingermann

Schwarzer Hautkrebs – Ergebnis vieler Mutationen

Zum Ausklang des Niedersächsischen Apothekertages präsentierten Prof. Dr. Dieter Steinhilber und Prof. Dr. Theo Dingermann, beide Frankfurt/Main, Erkenntnisse zum schwarzen Hautkrebs und verknüpften diese mit dem Lebensweg eines prominenten Patienten, des Reggae-Musikers Bob Marley. In Deutschland erkranken jährlich etwa 10.000 Patienten an einem Melanom. Es ist für mehr als 90 Prozent der Hautkrebstoten in Deutschland verantwortlich. Im Vergleich zum hellen Hautkrebs hängt die Häufigkeit deutlich weniger stark mit der Sonnenexposition zusammen. Als Risikofaktoren gelten heller Hauttyp, Sonnenbrand im Kindesalter, über 100 Leberflecken, atypische Leberflecken und Melanome in der Familie. Melanome entstehen durch die Proliferation von Leberflecken. Im Laufe des Wachstums lösen sich einzelne Zellen heraus und bilden die letztlich tödlichen Metastasen. Melanome weisen im Vergleich zu anderen Krebsarten besonders viele und verschiedene Mutationen auf. Typische Mutationen betreffen die Onkogene RAS und BRAF, die Zellzyklus-Replikation und die Induktion der Apoptose. Doch auch bei anderen Tumorarten entsteht ein Tumor typischerweise nicht durch eine Mutation allein, sondern durch mehrere Veränderungen. Außerdem kann eine Mutation an einer Schlüsselfunktion eine Kaskade von Effekten auslösen.

tmb

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DAZ 2011, Nr. 20, S. 66

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