Die Top-12-Kinderarzneistoffe

Ofloxacin für Kinder bei Bindehautentzündung – zu häufig verordnet?

Rosenheim - 09.08.2022, 07:00 Uhr

Bei Konjunktivitis gibt es eine sehr hohe Rate an Spontanheilungen. (x / Foto: ondrejschaumann / AdobeStock) 

Bei Konjunktivitis gibt es eine sehr hohe Rate an Spontanheilungen. (x / Foto: ondrejschaumann / AdobeStock) 


In der Serie „Die Top-12-Kinderarzneistoffe“ beleuchtet die DAZ die Arzneimittel, die laut TK-Arzneimittelreport am häufigsten von Kinder- und Jugendmedizinern verordnet werden. Während systemische Fluorchinolone in der Pädiatrie kontraindiziert sind, ist die lokale Gabe als Augentropfen Usus. Dabei ist eine Konjunktivitis oft selbstlimitierend und Ofloxacin nicht einmal erste Wahl. 

Ist das Auge morgens verklebt und rot, geraten Eltern schnell in Panik. Schließlich gilt die Bindehautentzündung als hochansteckend, sodass Kindertagesstätte, Kindergarten oder Schule ohne ärztliches Attest meist den Zutritt verweigern. Also geht es rasch zum Arzt. Allzu oft verlassen Eltern die Praxis mit einem Rezept über antibiotische Augentropfen. Ganz oben mit dabei: Ofloxacin.

Das Breitbandantibiotikum wirkt als Gyrasehemmer bakterizid und wird üblicherweise mindestens viermal täglich angewendet. Die Behandlung sollte nach Verschwinden der Symptome noch zwei Tage fortgesetzt werden und fünf Tage nicht unterschreiten. Auch bei zunächst einseitigem Befall sollten immer beide Augen behandelt werden. Tipps und Tricks zur Applikation finden Eltern hier

Systemisch wäre der Einsatz von Ofloxacin bei Kindern und Jugendlichen übrigens kontraindiziert, um das Knorpelwachstum nicht negativ zu beeinflussen. Augentropfen zur lokalen Anwendung sind hingegen ab einem Jahr zugelassen. 

Das rät die Deutsche Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie

Blickt man jedoch auf das Konsensuspapier der Arbeitsgemeinschaft Antibiotic Stewardship ambulante Pädiatrie (ABSaP) der Deutschen Gesellschaft für pädiatrische Infektiologie, passt die häufige Verschreibungspraxis von Ofloxacin nicht zur Empfehlung der Experten. Dort steht wörtlich: „Eitrige Konjunktivitis: In der Regel keine Antibiotikatherapie, Kita-Besuch möglich“. Bei Tränengangsstenose sei ebenfalls keine antibiotische Therapie nötig. Sie mahnen zu einer strengen Indikationsstellung, nicht zuletzt wegen der indirekten Wirkung auf die nasopharyngeale Flora. Je nach Ausmaß und Dauer der Sekretion und Rötung empfehlen sie Gentamicin- oder Kanamycin-haltige Augentropfen als erste Wahl. Diese Meinung teilen auch weitere Autoren, um Ofloxacin als Reserveantibiotikum bei schweren Infektionen vorzubehalten. Wie passt das alles zusammen?

Exkurs zur Tränengangsstenose

Vor der Geburt verschließt die sogenannte Hasner-Membran den Tränennasengang. Fast immer bildet sich dieses dünne Häutchen innerhalb weniger Tage nach der Geburt zurück. Bei etwa 5 bis 7 Prozent der Kinder bleibt es im ersten Lebensjahr bestehen, sodass der behinderte Tränenabfluss zu tränenden und/oder verklebten Augen führt. Diese Symptome müssen nicht mit antibiotischen Tropfen behandelt werden! Eine sanfte Reinigung mit Wasser und einem weichen Waschlappen ist vollkommen ausreichend. Unterstützend kann durch Massage eine Öffnung unterstützt werden, die meist innerhalb der ersten drei Lebensmonate spontan erfolgt. In einigen Fällen kann eine ärztliche Behandlung beispielsweise durch Spülung nötig werden.

Bindehautentzündungen im Kindesalter sind sehr häufig. Sie können nicht infektiös durch mechanische Reize oder Allergie ausgelöst werden oder infektiöser Natur sein. Typische Erreger sind beispielsweise Staphylokokken, Strepktokokken, Moraxella catarrhalis, H. influenzae, Gonokokken, Chlamydien sowie häufig Viren wie beispielsweise Adenoviren. Ob viral oder bakteriell, ist selbst für Ärzte nicht immer leicht zu unterscheiden. 

Fakt ist: Bei Konjunktivitis gibt es eine sehr hohe Rate an Spontanheilungen. Schon im Jahr 2005 wurde im Journal „Lancet“ eine Studie veröffentlicht, in der selbst bei nachgewiesener bakterieller Konjunktivitis innerhalb einer Woche unter Placebo bei 80 Prozent eine Heilung eintrat. Hierbei wurden Kinder im Alter von sechs Monaten bis zwölf Jahren in die Studie eingeschlossen. Auch die deutsche ophthalmologische Gesellschaft (DOG) riet schon vor zehn Jahren zur Zurückhaltung, da eine Konjunktivitis in 60 Prozent der Fälle auch ohne Behandlung ausheile (die DAZ berichtete). 

Fakt ist aber auch, dass Symptome durch eine antibiotische Therapie rascher abklingen, die Übertragungsgefahr sinkt und Fehlzeiten reduziert werden. Nicht zuletzt der Druck der Eltern, rasch wieder arbeiten zu müssen und es sich nicht erlauben zu können, mehrere Tage beim Kind zu Hause zu bleiben, verleitet womöglich zu einem raschen und frühen Einsatz antibiotischer Tropfen. Diese Gründe sollten jedoch kritisch hinterfragt werden.

Warnzeichen erkennen

Tritt eine Bindehautentzündung im ersten Lebensmonat auf, sollte unbedingt an eine Chlamydien- oder Gonokokkeninfektion durch die Geburt gedacht werden. Diese Säuglinge müssen unbedingt einem Augenarzt vorgestellt werden. Gleiches gilt auch, wenn das Auge schmerzt, eine Verletzung möglich ist oder eine Visuseinschränkung vorliegt. Auch Kinder mit Einblutung im Auge sollten – notfalls unter einem Vorwand – zum Augenarzt verwiesen werden. Denn schlimmstenfalls könnte dahinter Gewalt und Missbrauch stecken.

Die verantwortungsvolle Beratung von Kunden mit Bindehautentzündung

Rote Ampel für das rote Auge

In den meisten Fällen und insbesondere bei leichter Symptomatik oder bei einer Erkältungskrankheit können Eltern durchaus einige Tage abwarten. Haben Kleinkinder Schnupfen, ist das verklebte Auge oft schlichtweg Ausdruck einer Abflussstörung. Denn bedingt durch ihre Anatomie kann bereits bei einer leichten Schwellung der Abfluss des Nasensekrets derart behindert sein, dass sich Sekret als sogenannter „Augenschnupfen“ präsentiert. In diesen Fällen könnte eine symptomatische Behandlung mit Nasentropfen in altersgerechter Dosierung Abhilfe verschaffen. Da Zugluft ein ohnehin entzündetes Auge zusätzlich reizt, sollten Fahrten mit dem Fahrradanhänger besser für ein paar Tage gemieden werden.


Anna Carolin Antropov, Apothekerin
redaktion@daz.online


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