Die Top-12-Kinderarzneistoffe

Efeu – ein evidenzbasiertes Expektorans?

Rosenheim - 13.06.2022, 07:00 Uhr

Hedera Helix L, der gemeine Efeu. (s / Foto: polly mcginley / EyeEm)

Hedera Helix L, der gemeine Efeu. (s / Foto: polly mcginley / EyeEm)


In der Serie „Die Top-12-Kinderarzneistoffe“ beleuchtet die DAZ die Arzneimittel, die laut TK-Arzneimittelreport am häufigsten von Kinder- und Jugendmedizinern verordnet werden, aber auch in der Selbstmedikation zum Einsatz kommen. Ganz vorne mit dabei: Präparate mit Efeublätterextrakt.

Hustensaft fehlt in keinem Haushalt mit Kindern. Haben Eltern die Wahl, bevorzugen viele einen pflanzlichen Arzneistoff. Glücklicherweise ist der Griff zu Präparaten mit Efeublätterextrakt bei Husten fast immer eine gute Wahl und sogar evidenzbasiert. Die Wirksamkeit von Efeu-Extrakten als Expektorans bei produktivem Husten wurde durch die europäische Arzneimittelbehörde EMA bestätigt. Methodisch gute Untersuchungen mit isolierten Efeu-Extrakten gibt es allerdings nicht. Die Wirksamkeit von Efeu-Extrakten bei akutem Husten wurde laut dem Buch „Evidenzbasierte Selbstmedikation“ jedoch in randomisierten, kontrollierten Studien nachgewiesen – allerdings nur in Kombination mit Thymian.

Hedera Helix L., der Gemeine Efeu, zählt zur Familie der Araliaceae und wurde im Jahr 2010 zur Arzneipflanze des Jahres gekürt. Seine Anwendung hat sich nicht nur aufgrund langjähriger traditioneller Anwendung bewährt, zahlreiche Studien belegen eine expektorierende, sekretolytische und sogar bronchospasmolytische Wirkung. 

Diese Effekte verdankt der Efeu hauptsächlich Triterpensaponinen: Die wichtigsten Inhaltsstoffe sind das Bisdesmosid Hederacosid C sowie das monodesmosidische Saponin α-Hederin. Beide leiten sich vom Aglykon Hederagenin ab.

Saponine 

Saponine sind glykosidische Verbindungen. Die Nicht-Zucker-Komponente wird als Aglykon bezeichnet. Bei Monodesmosiden bindet der Zuckerrest an nur einer Stelle am Aglykon. Gibt es hingegen zwei Positionen am Aglykon mit Zuckerbausteinen, werden diese als bisdesmosidische Saponine bezeichnet.

Der Extrakt wird auf Hederacosid C standardisiert. Das europäische Arzneibuch fordert einen Mindestgehalt von 3,0 Prozent. Es kann als Prodrug verstanden werden und wird spätestens im Körper durch Esterasen zu α-Hederin umgewandelt, wobei bereits beim Trocknungsvorgang sowie der Aufarbeitung frischer Efeublätter eine Abspaltung des Glykosidesters und damit Umwandlung von Hederacosid C zu α-Hederin stattfindet. 

Möglicherweise leisten auch weitere Inhaltsstoffe wie Flavonoide, Phenolcarbonsäuren, Polyacetylene und Sterole einen Beitrag zur Wirkung.2

Saponine als Expektorantien

Die expektorierende Wirkung von Efeublättern ist keine Überraschung, reizen doch Saponine unspezifisch die Magenschleimhaut und stimulieren über den Nervus vagus reflektorisch die Schleimdrüsen in der Bronchialschleimhaut. Das erklärt auch mögliche gastrointestinale Nebenwirkungen, wie etwa Durchfall, Übelkeit oder Erbrechen. Kinder unter einem Jahr reagieren besonders empfindlich, sodass Efeublätterextrakt bei ihnen nur nach ärztlicher Rücksprache angewendet werden soll. Auch dann, wenn Beschwerden länger als eine Woche anhalten, sind die Grenzen der Selbstmedikation erreicht.

Einen direkten β2-adrenergen Effekt konnten die Saponine in Rezeptorbindungsstudien hingegen nicht hervorrufen. Woher also die bronchospasmolytische Wirkung, welche klinisch sogar mittels Spirometrie und Bodyplethysmographie messbar ist?

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„In vitro konnte mittels immunhistochemischer und biophysikalischer Verfahren eine Hemmung der Internalisierung von β2-Rezeptoren durch α-Hederin (...) an humanen Alveolarepithelzellen vom Typ II gezeigt werden“, liefert die Fachinformation des bekanntesten Efeu-Präparats Prospan® die Antwort.

Ein indirektes Sympathomimetikum? 

Was kompliziert klingt, könnte als indirektes Sympathomimetikum bezeichnet werden. Denn eigentlich werden β2-Rezeptoren durch Endozytose von der Oberfläche internalisiert. α-Hederin hemmt die Endozytose und erhöht dadurch die Rezeptordichte an der Zelloberfläche, sodass Adrenalin eine stärkere Aktivierung der β2-Rezeptoren bewirkt. Einerseits erhöht die verstärkte intrazelluläre cAMP-Freisetzung die Surfactant-Bildung, der Schleim verflüssigt sich und kann leichter abgehustet werden. Andererseits führt die verstärkte Aktivierung an β2-Rezeptoren an der glatten Bronchialmuskulatur zu einer Relaxation und damit Bronchodilatation. Weitere Effekte, wie beispielsweise eine antiinflammatorische Wirkkomponente, werden ebenfalls untersucht.

Gut verträglich bei Bronchitis

Zubereitungen aus Efeu kommen klassischerweise bei akuter Bronchitis mit produktivem Husten oder begleitend bei chronischen Atemwegserkrankungen zum Einsatz. Auf dem Markt sind verschiedene Darreichungsformen wie Säfte, Lutschtabletten, Tropfen und Brausetabletten erhältlich.

In Studien des Herstellers von Prospan® bei Schulkindern zwischen sechs und zwölf Jahren stellte sich der volle Effekt der Therapie nach drei Tagen ein. Neben der sekretolytischen Wirkung wurden auch Symptome wie Atemnot, Brustschmerzen und nächtliche Schlafstörungen durch Husten effektiv gelindert. Auch die Verträglichkeit kann sich sehen lassen: Von 1.066 Patienten mit akuter Bronchitis berichteten nur 0,94 Prozent über unerwünschte Arzneimittelwirkungen.3  

In einer großen retrospektiven Untersuchung, die Daten von insgesamt 52.478 Kindern einschloss, traten sogar nur bei 0,22 Prozent Nebenwirkungen auf. Meist handelte es sich um leichte gastrointestinale Beschwerden. Die Hälfte der Kinder waren zwischen ein und fünf Jahren alt.4 Offiziell ist Propan® nur bei bekannten Allergien kontraindiziert. Bei Entzündungen im Magen-Darm-Bereich ist aus grundsätzlichen Überlegungen Vorsicht geboten.5

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Bei Überschreitung der Tagesdosis um mehr als das Dreifache können Übelkeit, Erbrechen und Durchfall auftreten. Diese Überdosierung wird symptomatisch behandelt. Wie bei allen Phythopharmaka üblich, können Studiendaten mit dem standardisierten Extrakt natürlich nicht ohne Weiteres auf andere Präparate übertragen werden. Doch Arzneistoffe mit Efeublätterextrakt erfreuen sich bei Bronchitis wohl nicht grundlos großer Beliebtheit.

Das sind die Top zwölf der am häufigsten verordneten Wirkstoffe für Kinder

  1. Ibuprofen
  2. Xylometazolin
  3. Paracetamol
  4. Cholecalciferol
  5. Salbutamol
  6. Efeublätterextrakt
  7. Amoxicillin
  8. Ambroxol
  9. Ofloxacin
  10. Cefaclor
  11. Cetirizin
  12. Olaflur

TK-Report „Kinder und Arzneimittel“ (23. Februar 2022)


Anna Carolin Antropov, Apothekerin
redaktion@daz.online


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