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Abhängigkeiten in der Arzneimittelherstellung
BfArM: Engpässe führen zu enormen Aufwendungen auf allen Seiten
Am gestrigen Dienstag stand der Vormittag der Handelsblatt-Jahrestagung Pharma 2022 ganz im Zeichen der Liefersicherheit von Arzneimitteln. Der Vorsitzende des BfArM-Beirats zur Bewertung der Versorgungslage mit Arzneimitteln machte deutlich, dass Engpässe – wie aktuell Tamoxifen – alle Beteiligten viel Kraft kosten, die besser genutzt werden könnte. Zwei Vertreter aus der Pharmaindustrie betonten, dass für mehr Versorgungssicherheit Gesundheitspolitik und Industriepolitik zusammen gedacht werden müssen.
Versorgungsengpässe, wie aktuell der von Tamoxifen, sind mehr als ein Ärgernis für Apotheker:innen und beschäftigen auch die Politik nicht erst seit gestern. Krisen wie der Ukraine-Krieg und die Corona-Pandemie haben jedoch die globalen Abhängigkeiten noch stärker in den Fokus gerückt.
Auf der Handelsblatt-Jahrestagung Pharma 2022 am vergangenen Dienstag warf Dr. Michael Horn, Abteilungsleiter im Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) und Vorsitzender des BfArM-Beirats zur Bewertung der Versorgungslage mit Arzneimitteln, unter der Gesamtüberschrift „Anforderungen und Resilienz für Produktion und Lieferketten“ zunächst einen Blick auf die „Meilensteine“ im Lieferengpassmanagement des BfArMs der vergangenen Jahre. Demnach hat das BfArM darin im Jahr 2016 eine aktive Rolle übernommen – der Jour Fixe zu Lieferengpässen nahm seine Arbeit auf. 2017 sei dann ein neues Meldeverfahren und eine Lieferengpass-Datenbank eingeführt worden. Ab 2019 waren die Ereignisse enger getaktet: So wurde beispielsweise die Koordinierungsfunktion des BfArM gestärkt.
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2020 wurde dann aus dem Jour Fixe zu Lieferengpässen ein gesetzlich verankerter Beirat der Behörde (§ 52b Abs. 3b Arzneimittelgesetz). Das BfArM erhielt etwa eine Anordnungsbefugnis gegenüber dem Großhandel und pharmazeutischen Unternehmern zur Lagerhaltung und Kontingentierung sowie eine Gestattungsbefugnis für den Import von Arzneimitteln. Außerdem erhielt es die Befugnis, Daten und Informationen zu existierenden und drohenden Lieferengpässen von pharmazeutischen Unternehmen und Großhändlern abzufragen. 2021 wurde die bisherige formulargestütze Lieferengpass-Datenbank in das „Lieferengpass Online Portal“ überführt.
Als neuesten Punkt hob Horn das seit März 2022 erweiterte Mandat der EMA hervor, wonach diese nun unter anderem für die Überwachung von Arzneimittelengpässen sowie für die Meldung von Engpässen bei kritischen Arzneimitteln während einer Krise zuständig ist. Zudem wies er auf die aktive Beteiligung des BfArM am EU4Health-Programm hin. Die Umsetzung der Arzneimittelstrategie für Europa werde gerade „mit Leben gefüllt“.
All diese neuen Möglichkeiten hätten zwar weitergeholfen, dennoch stehe man seit Jahren in einem „Konzentrationsprozess“ bei der Wirkstoffherstellung, so Horn. Im generischen Arzneimittelmarkt nehme die Zahl an Zulassungen und Produktionsstätten zunehmend ab. Fallen solche Hersteller also aus, oder gibt es Krisen wie die Pandemie oder Krieg in bestimmten Regionen, lassen sich Einschränkungen in der Liefersicherheit nicht verhindern.
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Als jüngstes Beispiel nannte Horn den Tamoxifen-Versorgungsengpass. Dieser koste „enorme Aufwendungen auf allen Seiten“. Es sei nicht trivial gewesen, in der Breite jeden mit den nötigen Maßnahmen und Informationen zu erreichen. Zunächst hatte das BfArM die Hintergründe des Tamoxifen-Engpasses gegenüber der DAZ auf Anfrage im Februar als vielfältig beschrieben. Ein zentrales Problem, das Auswirkungen auf die Gesamtverfügbarkeit von Tamoxifen hätte, sei nicht belegbar, hieß es. Der Industrieverband Pro Generika erklärte dagegen, dass einige Zulieferer die Tamoxifen-Produktion eingestellt hätten, weil es für sie nicht mehr wirtschaftlich war. Die Pro Generika-Darstellung bestätigte Horn nun indirekt in seinem Vortrag: Von ursprünglich acht Unternehmen in 2021 seien aktuell nur noch drei im Markt. Bei der Schilderung der eingeleiteten Maßnahmen gegen den Tamoxifen-Engpass, über welche die DAZ bereits berichtete, dankte Horn dem GKV-Spitzenverband, dass man in einem solchen Fall gesagt habe: „in dieser Zeit reden wir nicht über Geld“.
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Horn erinnerte aber auch an den Piperacillin/Tazobactam-Engpass im Jahr 2016, als eine Explosion eines Ethanolkessels die Ursache war, sowie an die Valsartan-Krise von 2018. In beiden Fällen seien über 50 Prozent des Marktes von einem Hersteller abhängig gewesen.
Was die Pandemie angeht (also regionale Abhängigkeiten, und nicht die von einzelnen Herstellern), so sei man ab der zweiten Welle erstaunlich gut durchgekommen, eben weil alle zusammen angepackt hätten, um die Krise zu stemmen. Immerhin gab es durchaus Exporteinschränkungen und Lieferverzögerungen. Vom Ukraine-Krieg sei die Arzneimittelversorgung in Deutschland glücklicherweise bislang auch nicht stark betroffen. Doch eine Prognose sei schwer, sollte sich der Konflikt noch ausweiten.
Die aus Sicht des BfArM zu ergreifenden Maßnahmen für eine sichere Arzneimittelversorgung in der EU sind laut Horns Vortrag schließlich:
- eine „Diversifizierung in Bezug auf Herstellervielfalt“,
- der „Erhalt eines breiten therapeutischen Spektrums“ und
- die „Umsetzung der Arzneimittelstrategie für Europa“.
Das BfArM wolle die Arzneimittelproduktion nicht kontrollieren, aber eine „Schwachstellenanalyse“ durchführen.
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