Allgemein gelten aromatische Amine akut als mittelgradig bis sehr toxisch, die Mehrzahl ist mutagen und kanzerogen. Die akute Toxizität der monozyklischen aromatischen Amine beruht laut dem Buch „Toxikologie“ (Marquardt, Schäfer, Barth; 4. Auflage) vor allem auf der Fähigkeit zur Methämoglobinbildung. Chloraniline gefolgt von Nitroanilinen sollen dabei die stärkste zyanotische Wirkung besitzen (Folge ist eine Sauerstoffunterversorgung). Chronische Vergiftungen mit hohen Anilindosen erzeugen beim Menschen Anämie, vegetative Störungen und allgemeine Schwäche – sie sollen unter den heute üblichen Arbeitsbedingungen aber praktisch nicht mehr auftreten. Auch aus der EMA-Leitlinie geht hervor, dass vor allem eine (industrielle) Exposition am Arbeitsplatz gegenüber 4-Chloranilin gefährlich werden kann (Farbstoff-, Textil-, Gummiindustrie und andere).
Ob ein Stoff mutagen oder kanzerogen ist, lässt sich nicht immer leicht bewerten. Anilin soll lange Zeit als nicht kanzerogen gegolten haben – bis in Versuchen Milztumoren an männlichen Ratten beobachtet wurden, das war in den 1980er Jahren. Diese treten auch bei p-Chloanilin auf. Allerdings scheint die Entstehung von Milztumoren nicht auf der genotoxischen Wirkung zu beruhen, sondern auf die oben geschilderte toxische Wirkung auf die Erythrozyten und die Folgen darauf zurückzuführen zu sein. Die beschriebene Bindung an Hämoglobin kann bei niedrigen Dosen (von kanzerogenen aromatischen Aminen) dabei sogar als eine Art Entgiftung angesehen werden.
Allerdings können andere Stoffwechselreaktionen über Umwege auch zu einer DNA-Bindung führen und somit mutagen wirken. Es bestehen also noch viele Unsicherheiten – die niederländische Zeitung NRC thematisierte in ihrer Berichterstattung auch einen möglichen Zusammenhang zu Lebertumoren.
Für Pharmazeuten dürfte außerdem interessant sein, dass laut dem Buch „Toxikologie“ früher gelegentlich nach Phenacetin-Abusus uroeptiheliale Tumore auftraten. Das Schmerzmittel wurde nach Bekanntwerden seines nephrotoxischen Potenzials aus dem Handel genommen. Bemerkenswert ist das vor allem, weil erst nach dem zweiten Weltkrieg entdeckt wurde, dass der eigentliche Wirkstoff des Phenacetins das Paracetamol (Acetaminophen) ist.
2 Kommentare
Analytik
von Desinfektor am 24.07.2020 um 9:38 Uhr
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Billig ist riesig !
von ratatosk am 24.07.2020 um 8:42 Uhr
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