EDQM-Untersuchungen zu 4-Chloranilin

Karzinogene Verunreinigung in Paracetamol gefunden

Stuttgart - 23.07.2020, 17:45 Uhr

Eine niederländische Zeitung hat eine Verunreinigung in Paracetamol offengelegt: Offenbar überschreiten die in einem deutschen Labor gemessenen Werte an 4-Chloroanilin aber die als tolerabel geltenden Grenzwerte nicht. Das abgebildete Thomapyrin ist laut Hersteller in Deutschland grundsätzlich nicht betroffen. (c / Foto: Schelbert)

Eine niederländische Zeitung hat eine Verunreinigung in Paracetamol offengelegt: Offenbar überschreiten die in einem deutschen Labor gemessenen Werte an 4-Chloroanilin aber die als tolerabel geltenden Grenzwerte nicht. Das abgebildete Thomapyrin ist laut Hersteller in Deutschland grundsätzlich nicht betroffen. (c / Foto: Schelbert)


Ein grundsätzliches und tieferliegendes Problem?

Schon 2018 war auf „PharmTech.com“ im Zusammenhang mit der Sartan-Krise zu lesen, dass Experten eher einen systematischen Fehler, auch auf Ebene der Behörden, befürchten als etwa GMP-Verstöße. Also dass kanzerogene Verunreinigungen in Arzneimitteln ganz allgemein ein Problem darstellen, das offenbar nicht ausreichend in die Risikobewertung der Hersteller und Behörden einbezogen wird. Als Beispiel wurde schon damals auch Paracetamol genannt. 

Konkret ging es dabei Philippe André, einem cGMP-Auditor von Qualandre mit Sitz in Zhejiang, China – der die Anlage in Zhejiang Huahai inspiziert hat –, offenbar schon 2018 um den chinesischen Syntheseweg von Paracetamol. Seine Bedenken: Eines der frühen Zwischenprodukte sei das wahrscheinliche Karzinogen 4-Chlornitrobenzol. Dieses gilt laut der EMA-Leitlinie als mutagen und genotoxisch – in vitro und in vivo. „Wir haben die meisten großen chinesischen Produktionsstätten für Paracetamol überprüft und in keiner von ihnen eine Bewertung und keinen Test auf 1-Chlor-4-Nitrobenzol gefunden“, sagte er gegenüber „PharmTech.com“. Gegen Regeln scheinen die Hersteller in solchen Fällen allerdings nicht zu verstoßen.

Hätte man bezüglich Verunreinigungen also auch auf regulatorischer Ebene bei Paracetamol (und anderen Arzneimitteln) schon lange näher hinschauen müssen? DAZ.online hat auch die deutsche Arzneimittelbehörde (BfArM) mit dem Fall konfrontiert: Wie „überraschend“ ist die Verunreinigung in Paracetamol? In seiner Antwort erklärt das BfArM, dass es über Fachgremien auf europäischer Ebene in das Thema eingebunden sei, aber nicht unmittelbar damit zu tun habe. Man könne aber derzeit sagen: 


Die gemessenen Werte lagen alle unter den für Chloranilin in der Guideline ICH M7 festgelegten Grenzwerten für Humanarzneimittel. Chloranilin ist zudem keine neue Verunreinigung, sondern seit längerem bekannt – auch in Paracetamol.“

BfArM


Panik ist also – wie eigentlich immer – fehl am Platz. Aber sollten, wie eingangs erwähnt, die Ereignisse seit 2018 nicht doch besser als Anlass genutzt werden, alles infrage zu stellen – von der Herstellung über die Audit-Verfahren bis hin zur Analytik?



Diana Moll, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (dm)
redaktion@daz.online


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2 Kommentare

Analytik

von Desinfektor am 24.07.2020 um 9:38 Uhr

Mit immer besser werdender Analytik werden wir immer mehr Verunreinigungen finden. Was früher schlicht nicht detektierbar war, wird heute eben gefunden. Wie wollen wir damit umgehen? Müssen wir jede Arzneimittel-Charge zurückrufen und vernichten, in der auch nur geringste Spuren einer vielleicht irgendwie bedenklichen Substanz enthalten sind? Diese Frage ist aus meiner Sicht ab einem gewissen Punkt eher philosophischer als wissenschaftlicher Natur, wir wissen ja schlicht nicht, was passiert, wenn man ab und an µg-Mengen einer CMR-verdächtigen Substanz aufnimmt. Im Kontrast dazu eine scheinbar immer ungesündere Lebensweise: Ein Nahrungsmittel-Skandal jagt den nächsten, es wird geraucht, gesoffen, sich in Sonnenstudios gesonnt; und eben diesen mündigen Konsumenten schreckt man auf, indem man ihm in der Zeitung von krebserregenden Substanzen in für ihn kaum vorstellbaren Mengen erzählt?
Zumindest in Relation setzen sollten wir diese Dinge – und daher lautet die Frage für mich nicht, ob alles gut ist, sondern wie gut die Dinge sein müssen, um innerhalb unseres allgemein akzeptieren Lebensrisikos noch tolerabel zu sein.

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Billig ist riesig !

von ratatosk am 24.07.2020 um 8:42 Uhr

Eigentlich keine Artikel mehr wert, da bekanntes Muster.
Billig, noch nicht illegal, dann her für den deutschen Michel. Was soll man an Kontrolle durch das tolle Bfarm auch erwarten, die bei tausenden Leutchen noch nicht mal Masken bestelllen können, sondern dafür der Beratermaffia 10 ! Millionen in den Rachen schmeißen.
Personalprobleme ? für 10 Mill kann man viele, auch gute Leute beschäftigen, wenn das Einkaufen die Ministerialen schon überfordert.
Aber das ist eben dieser Beratersumpf der auch für sich selbst diese Zertifiziererparadiese wie Securpharm und das e-rezept etc. gebastelt hat. Hauptsache teuer und eine dann ewige Einkommsquellt.

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