Kommentare zum Honorar-GUTACHTEN

Was sagen die befragten Apotheker?

Berlin - 15.12.2017, 17:30 Uhr

„Viel Zeit benötigen wir auch für soziale Hilfestellungen unserer Stammkunden. Wie geht es weiter nach einem Krankenhausaufenthalt, welcher Pflegedienst. Patientenverfügungen, Vollmachten für Angehörige Unterstützung der pflegenden Angehörigen zu Hause[...]“, aus einem Kommentar in der 2HM-Umfrage. (Foto: belahoche / stock.adobe.com)

„Viel Zeit benötigen wir auch für soziale Hilfestellungen unserer Stammkunden. Wie geht es weiter nach einem Krankenhausaufenthalt, welcher Pflegedienst. Patientenverfügungen, Vollmachten für Angehörige Unterstützung der pflegenden Angehörigen zu Hause[...]“, aus einem Kommentar in der 2HM-Umfrage. (Foto: belahoche / stock.adobe.com)


Apothekenpraxis...


Ergänzende Besonderheiten zum Betrieb der Apotheke: 1. Versorgung von wöchentlich 60 bis 100 Patienten im Rahmen der Substitutionstherapie, davon ca. 15% Patienten, die nur eine bis zwei Einzeldosen Substitutionsmittel verordnet bekommen = hoher personeller Aufwand, die Vergütung liegt teils unter dem Einkaufspreis der Ausgangsstoffe. Hinzukommen das Vorhalten höherer "Sicherheitsstandards" infolge der Lagerhaltung hochproblematischer Arzneimittel (in Bezug auf deren Missbrauchspotential, Beschaffungskriminalität). 2. Spezialpraxen in der Nähe der Apotheke fordern die Lagerhaltung hochpreisiger Arzneimittel, deren kurzfristige Anwendung regelmäßig gefordert ist z.B. eine Klinik für Reproduktionsmedizin = hoher Wareneinsatz... 3. Teilnahme/Durchführung von Nacht- und Notdienst. An einem normalen Wochentag suchen die Apotheke nachts ca. 30 Patienten auf, Sonn- bzw-. Feiertags zwischen 200 und 600 - um die Versorgung qualitätsgerecht zu realisieren, ist ein hoher Personaleinsatz notwendig.



Das Betätigungsfeld von Apothekern in öffentlichen Apotheken ist geprägt von Überregulierung. Die Verpflichtung zur Dokumentation, die immer schwieriger werdende Beschaffung von Arzneimitteln (Nichtverfügbarkeiten von sog. Kontingent- Arzneimitteln, Ausschöpfung von Skonti bei Direktlieferung von Hochpreisern usw.) , die Auseinandersetzung mit Retaxationen, die Vertragsverhandlungen mit Krankenkassen inkl. Präqualifizierung, Vertragsbeitritte, Kostenvoranschläge für Hilfsmittel, QMS, Besuch von der Aufsichtsbehörde, uvm. erschweren den Berufsalltag. Gleichzeitig erschwert der deutlich wahrnehmbare Wettbewerb im OTC-Bereich durch Versandhandelsangebote das Tagesgeschäft. Beratungsdiebstahl ist mittlerweile normal: Beratung erfolgt in der Apotheke vor Ort, der Kauf im Internet! Die Notdienstbelastung in ländlichen Gebieten ist schon heute erheblich. Ich leiste mit meinen 3 Apotheken 107 Nacht- und Notdienste im Jahr. Eine deutliche Anpassung der Honorierung ist lange überfällig: 8,35 € pro RX-Packung sind kein Garant für das Überleben kleinerer Apotheken, die aber deswegen nicht weniger zum Gemeinwohl beitragen.



Häufig werden in der Apotheke Beratungsgespräche geführt und zahlreichen Fällen wird durch das Apothekenpersonal von einem Kauf abgeraten, ein umgehender Arztbesuch empfohlen oder ein anderes Arzneimittel als das nachgefragte bzw. eine andere Therapie vorgeschlagen. Bei allen anderen Freiberuflern ist diese Beratung selbstverständlich kostenpflichtig. Bei Apotheken dagegen führt korrektes Verhalten zu Umsatzverlusten bei gleichzeitig deutlich erhöhtem Kostenaufwand: Die nach einer Beratung in der Apotheke als zielführend erkannten Medikamente werden billiger (da ohne Beratungsaufwand) über das internet bezogen, ggf. beim empfohlenen Arztbesuch von diesem als Ärztemuster ausgehändigt und oftmals teure, aber intensiv beworbene OTC-Präparate durch vergleichbare, billigere Medikamente ausgetauscht. Das bestehende Vergütungssystem wird dem Beruf Apotheker in keiner Weise gerecht: Für keine - auch noch so aufwändige - Beratungsleistung wie z. B. bei Homöopathika, Hilfsmitteln, Interaktionschecks oder adjuvanten OTC-Präparaten ist auch nur 1 Cent abrechenbar: Der Apotheker wird in diesem Honorarsystem zum akadem. Schubladenzieher degradiert. Und dafür bekommt er eine angemessene Schubladenziehgebühr. Ich würd gerne die pro Notdienst durchschnittlich anfallenden 10 x 2,50 € Notdienstgebühr spenden, wenn ich dafür schlafen dürfte. Eine Vertretung kostet das 10-fache. Als Gegenleistung genieße ich den "Schutz" durch die AMPreisVO des Staates, der RX-Boni aus dem Ausland toleriert, im Inland gleiches Verhalten sanktioniert und Apotheken mit zahllosen (für die meisten kleinstrukturierten Betriebe völlig unverhältnismäßig belastenden) Regelwerken unter Aufsicht eines Pharmazierates sanktioniert, wie es in keinem zweiten Beruf in Deutschland stattfindet. Kein Wunder, dass ein vorausschauender, junger Kollege sich unter diesen Umständen nicht als selbständiger Unternehmer niederlassen möchte.




Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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4 Kommentare

Ostfriesen arbeiten jetzt überall ...

von Christian Timme am 18.12.2017 um 1:55 Uhr

Wenn bei dem Nachfolge- bzw. Ergänzungsgutachten alle in den Kommentaren angesprochen Faktoren und Hinweise berücksichtigt werden und offensichtliche Fehler bereinigt wurden, kommen wieder 2. bis 3. Mrd. Euro oben drauf ... ein guter Grund für das BMWi gleich den „Papierkorb“ zu wählen ... oder das ganze Ministerium zu schließen.

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Wohl Wahr

von Bernd Jas am 16.12.2017 um 10:23 Uhr

Dem ist nichts mehr hinzu zu fügen!

Jedoch das Traurige ist, dass schon niemand mehr über mögliche Investitionen, geschweige denn über existenzsichernde Rücklagen spricht.

Denn vermeintlich nötige Investitionen (bald z.B. Securpharm) werden aufgezwungen und Rücklagen sind nur noch dazu gut damit man sieht was wieder über einem schwebt um dann entsprechend buckeln zu können.


....Chris??, wo ist Deine Vuvuzela?

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AW: Wohl Wahr

von Christiane Patzelt am 16.12.2017 um 23:30 Uhr

AchMensch,meie Vuvuzela..bin ich genau so zugeschissen mit dem kaum zu bewältigenden Alltag und auf der Suche nach gutem Personal im Berliner Speckgürtel, hab ich die Vuvu total vergessen.
Und wem sollte ich damit auch die Sinne freitröten? Der selbstgefälligen ABDA oder dem politischen Sumpf von „DocMo-kauft-sich-heut-was-mit-Fliege-von-der-SPD“?

Die Würfel sind doch einfach schon gefallen, dieses gekaufte Gutachten ist ein Hohn und das Gelaber von Gemeinwohlpflichten kann sich die Bundesregierung, die auf offiziellen Seiten FÜR VERSANDAPOTHEKEN wirbt, gehörig in die Haare schmieren. Wir sollten Notdienste einstellen, Betriebsferien einführen und wie ein ganz normal kommerzielles Geschäft geführt werden. Schluß mit der Zwitterstellung - wir gehen offenen Auges vor die Hunde, unser Ruf gleich mit (siehe Testkäufe der öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten — ich fühl mich wie ne Hexe im Mittellalter, die zur Jagd freigegeben wurde..).
Befreien wir uns doch endlich von dem „wir-sind-für-die-Gemeinschaft-wichtig“..Wenn es irgendwo billiger geht, scheisst die Gemeinschaft auf uns!
Machen wir uns frei — wir brauchen diese Karthasis! Schluss mit „für-umme“!!!

AW: Auch, und noch mehr Wohl Wahr

von Bernd Jas am 17.12.2017 um 13:03 Uhr

Tja unsere Zwitterstellung,
Da sachse was. Immer erpressbar, von der einen mit der anderen Seite und weils so´n Spaß macht dann auch wieder andersrum.

Stell dich endlich dem Wettbewerb, aber finanzier´ das nicht mit dem Honorar der Rezeptbelieferung.
Ohh, du böser Apotheker das ist aber nicht heilberuflich was du da machst, so viele unwirksame Mittelchen - und auch noch mit Kontraindikationen zu Hauff an ein und die selbe notleidende Kreatur zu verschachern.

Und obendrauf wird alles noch schön doku- und protokolliert.

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