ABDA-Präsident Schmidt im DAZ-Interview

„Das Rx-Versandverbot ist der Königsweg“

Berlin - 04.01.2017, 16:20 Uhr


Friedemann Schmidt ist seit Januar 2013 der Präsident der ABDA. Zu Beginn seiner zweiten Amtszeit zieht er in einem ausführlichen Interview mit der DAZ eine persönliche Bilanz der vergangenen vier Jahre. Im Gespräch benennt er die gegenwärtigen Herausforderungen – Stichwort EuGH – und warnt vor vergifteten Geschenken. 

Als Friedemann Schmidt vor vier Jahren als Präsident der ABDA begann, steckte der Dachverband der Apotheker in einer tiefen Krise. Der „Apotheker-Spion“ im Bundesgesundheitsministerium sorgte für Schlagzeilen, die Apotheken hatten nach der Verabschiedung des AMNOG zwei harte Jahre hinter sich. Zudem musste Schmidt gerade zu Beginn viel Kritik einstecken. Im Interview mit der DAZ sagt der ABDA-Präsident heute rückblickend: „Es gibt Dinge, mit denen bin ich zufrieden, und es gibt Dinge, mit denen ich nicht zufrieden bin. Vor allem aber habe ich gelernt, dass meine Erwartungen an die Geschwindigkeit, mit denen man Dinge verändern kann, zu groß waren“. Letztlich habe die ABDA jedoch viel erreicht in diesen vier Jahren. Beispiele sind etwa die Einführung des Nacht- und Notdienstfonds und die Festsetzung des Kassenabschlags. Ebenso die nun noch anstehende Verbesserung der Rezepturvergütung. Großen Eindruck habe bei ihm zudem die Verabschiedung des Perspektivpapiers 2030 hinterlassen, sagt Schmidt.


Nach dem Amtsantritt war es, als ob ich aus dem Windschatten eines Baums in den Sturm getreten wäre. (…)  Die Schärfe in der persönlichen Auseinandersetzung, die hat mein Fell dicker werden lassen. Das ist einerseits schade, andererseits aber ­unvermeidlich.“

Friedemann Schmidt


Honorar bleibt Top-Thema

Doch auch in der jetzt angelaufenen Amtszeit bleibt noch einiges zu tun. Ein gewichtiges Defizit sieht Schmidt weiterhin beim Honorar: „Wir brauchen für das packungsbezogene Abgabehonorar endlich einen zukunftssicheren Anpassungsmechanismus“. An dieser Forderung habe sich seit vier Jahren nichts geändert. „Hier muss sich etwas tun, denn sonst kommt es zur Ausplünderung der Apotheken“. Grundsätzlich will Schmidt aber am Fundament der pauschalen, packungs- und abgabebezogenen Vergütung festhalten. Doch es müsse eine weitere Säule hinzutreten: Die neuen pharmazeutischen Dienstleistungen müssten ebenfalls wirtschaftlich erbracht werden können. Denn: Es werde nicht gelingen, eine hochqualifizierte, zeitaufwendige pharmazeutische Dienstleistung wie wir sie in Apotheken etwa bei ARMIN oder der Medikationsanalyse erbringen, auf die Pauschale umzulegen, so der ABDA-Präsident. Bislang fehlt allerdings die Rechtsgrundlage, um diese neuen Dienstleistungen zu vergüten. Schmidt zeigt im Interview auf, wo die Probleme bei der Umsetzung liegen.

Keine Experimente nach dem EuGH-Urteil

Ein weiterer dicker Brocken sind die Folgen des EuGH-Urteils vom 19. Oktober 2016. Der ABDA-Präsident ist zuversichtlich, dass Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) das Rx-Versandverbot durchsetzen kann: „Ich glaube schon, dass die Chancen gut stehen, vor allem weil sich die CDU-Fraktion festgelegt hat – und die CDU stellt den zuständigen Minister“. Er sei optimistisch, dass auch mit dem Koalitionspartner eine Einigung gefunden werde.

Die SPD-Gegenvorschläge, beim Apothekenhonorar anzusetzen statt den Versand zu verbieten, hält Schmidt für nicht hinreichend konkret. Dem Grundsatz, das Apothekenhonorar weiterzuentwickeln, verschließe man sich natürlich nicht. „Wir müssen nur sehr gut aufpassen, dass wir uns kein vergiftetes Geschenk einfangen. Diese Vorschläge sollen uns auf einer bestimmten, emotionalen Ebene ansprechen. Veränderungen müssen aber immer auf der Basis eines soliden wirtschaftlichen Fundaments stattfinden“.  Experimente könne es hier nicht geben. Schmidt äußert sich zudem zu weiteren kursierenden Vorschlägen wie dem EuGH-Urteil begegnet werden kann.  Sie seien hilfreich, weil man an ihnen den Goldstandard prüfen könne. „Wir nehmen sie wahr und prüfen sie. Wir gehen aber nicht davon ab, dass das Rx-Versandverbot der Königsweg ist“.                


Wer uns vorwirft, wir seien Europafeinde, der kennt uns nicht – oder ist böswillig. Aber natürlich kritisieren wir einen Teil der Politik der EU-Kommission.“

Friedemann Schmidt


Auch vor dem Hintergrund des EuGH-Urteils wird für Schmidt das Thema Europa in der neuen Amtszeit wichtig sein. Hier wolle er sich stärker persönlich engagieren. „Die Zukunft des Subsidiaritätsprinzips wird eine essenzielle Frage für die Apotheker sein. Die Erosion der Freiberuflichkeit darf sich so nicht weiter fortsetzen!“ 

Das gesamte Interview mit Friedemann Schmidt finden Sie in der aktuellen DAZ Nr. 1, 2017, S. 24.



Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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5 Kommentare

Chapeau!

von Wolfgang Müller am 05.01.2017 um 18:54 Uhr

Lieber Friedemann Schmidt,

in der vollständigen Version dieses Interviews stellen Sie ja fest, dass sich die "Kommentarfunktion" der einschlägigen Medien schon irgendwie zu einer ziemlich schlimmen Belästigung der ABDA-Führung entwickelt hat, von der Ihr Vorgänger noch verschont geblieben war ..........

Nun ja, diese Anmaßung hier müssen Sie schon noch einmal aushalten können:

Was für ein kluges, analytisch fundiertes und Hoffnung machendes Interview (in der Langversion ist das noch viel besser zu erkennen). Die wichtigsten Themen sauber seziert, dann insgesamt eine abgewogene, weise adjustierte Richtung eingeschlagen. Und genau den richtigen Ton für die weitere, zielführende Auseinandersetzung mit den Politikern getroffen.

Ganz ehrlich, ich verstehe zwar abseits dieses Interviews weiter nicht, warum Sie zur drastischen Verbesserung unserer allgemeinen Kostenstruktur und Personalsituation, und damit zugunsten der Schwerpunktsetzung "Pharmakologie ganz allgemein", nicht endlich "Das Wareneingangs-Labor" Europa-Konform weitestgehend abschaffen. Und warum Sie Rezepturen "In JEDER Apotheke!" weiterhin verschenken wollen.

Das mag aber irgendwie taktische Gründe haben, die von "hier unten" allerdings sehr schwer nachzuvollziehen sind. Ebenso wie erstmal an einem (m. E. ZIEMLICH vergifteten) GKV-Hausapotheken-Selektivvertrags-Modell mit Rx-Verkaufsbindung als "Goldstandard für AMTS" festzuhalten, statt das Selektivvertrags-Unding bewusst auf den Modellversuch "ARMIN" zu beschränken. Und statt einen von Ihnen ja früher wohl favorisierten, simplen und guten "Honorarkatalog", frei von Selektiv-Vertrags-Notwendigkeit, gerade für AMTS entsprechend anderer, beispielgebender Länder im Einklang mit den Hausärzten durchzusetzen.

Ich glaube trotz dieser akademisch ja eigentlich normalen, harte Auseinandersetzungen weiter unbedingt fordernden zentralen Diskussionspunkte erstmals seit drei Jahren nicht, dass wir einen besseren Präsidenten haben könnten.

Alles Gute und vor Allem auch: Gutes Gelingen für Sie und damit auch für uns Alle in 2017!

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Dispensierungs-Assistent?

von Christian Timme am 04.01.2017 um 23:12 Uhr

Ich frage mich immer wieder, wie macht das dieser Herr M. von den Ärzten?. Er fordert 10% mehr Studienplätze, die Apotheker haben z. B. bald keine PTAs mehr?. Sorry, oder sieht sich der Berufsstand der Apotheker in Zukunft mehr als Reservoir für Dispensierungs-Assistenten etc.?.

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Sorry soll heißen: "One ABDA, one Voice".

von Christian Timme am 04.01.2017 um 22:11 Uhr

Diesmal mit.

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Überfällig aber mit Zukunft.

von Christian Timme am 04.01.2017 um 22:03 Uhr

Nach der Orientierung folgt hoffentlich eine Legislatur der Lösungen. Das Subsidiaritätsprinzip sollte stärker in den Mittelpunkt rücken und konkretisiert werden. Herr Friedemann Schmidt kann sich zwischen der Rolle des internen Dompteurs und Prügelknabens oder der des souverän agierenden Präsidenten entscheiden. Ich hoffe für den Berufsstand, das sich die Mitgliedsorganisationen, nicht nur hinter dem Präsidenten aufstellen werden. Vorne ist noch viel Platz für: "One ABDA, ohne Voice". Viel Erfolg bis 2020.

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AW: One ABDA,one voice ...

von gabriela aures am 04.01.2017 um 22:49 Uhr

..ist doch genau die Krux !
Ich befürchte, daß FS wenig Möglichkeiten bleiben, sich als souverän agierenden Präsidenten zu zeigen.
Das liegt nicht in seiner Person, sondern in den Strukturen der ABDA mit ihren 17+17 kleinen und großen LänderchefInnen und besonders den Hauptamtlichen begründet.
Die wollen alle befragt werden, ihren Senf dazugeben.
Da muß alles diskutiert und ausgekaspert werden, jede/r will sich, seine Ideen, Einwürfe, Bedenken, Vorschläge berücksichtigt wissen.
Und dann kommt mal eine Entscheidung -mit dem kleinsten gemeinsamen Nenner und zumeist zerredet bis zur Blutleere.
Selbst die Ents (siehe LOTR) sind da entscheidungsfreudiger...
Ich halte FS immer noch für einen guten Präsidenten, auch wenn er zwischendrin "schwächelte", eloquent und im positiven Sinne repräsentativ.
Aber auch er kann nur so gut sein wie die Beschlüsse, die aus den verschiedenen Ressorts kommen.

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