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Pandemie Spezial

Zum Tragen jagen

Maskenpflicht fürs Apothekenpersonal – berechtigt oder nicht? Eine Frage spaltet den Berufsstand

eda/cm | Es brodelt im Freistaat Bayern. Und der Funken droht sich zu einem Flächenbrand zu entwickeln. Gestritten wird über die Frage, ob die Maskenpflicht in den Einzelhandelsgeschäften, zu denen die Apotheken zählen, auch für das Personal gilt, wenn andere Schutzmaßnahmen (wie Plexiglasscheiben) vorhanden sind. Nicht nur in Form von Kommentaren, Leserbriefen und Foreneinträgen tobt die Auseinandersetzung zwischen Apothekern, PTA und PKA. Auch Politiker, wie Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) oder Ministerpräsident Markus Söder (CSU), werden mittlerweile direkt adressiert.
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Susanne Wiedemann aus Bad Tölz ist PTA und gehört zu den lautstarken Kritikern der bayerischen Maskenpflicht. Schon während des Live-Talks von Gesundheitsminister Jens Spahn mit der westfälisch-lippischen Kammerpräsidentin Gabriele Regina Overwiening hatte sie sich telefonisch über die Zustände im Freistaat beschwert. Sie findet es unverhältnismäßig, dass die Apothekenteams angehalten sind, sowohl im HV-Bereich als auch im Backoffice einen Mund-Nasen-Schutz zu tragen.

Weil ihr Protest in Spahns Video-Format offenbar nur wenig Beachtung und Wirkung zeigte, ging Wiedemann einen Schritt weiter: Gemeinsam mit den Apothekern Patrick Dötsch aus München und Claudia Ochs aus Burghausen macht sie sich in offenen ­Briefen an die Bayerische Landesapothekerkammer (BLAK) und Ministerpräsident Markus Söder für eine Lockerung der Vorschrift stark. Ihre Argumente: Immerhin sei es dem Apothekenpersonal in Zeiten des Masken-Mangels gelungen, sich anderweitig zu schützen, schreiben die drei an die Kammer. Außerdem seien Apotheken zwar systemrelevant, ein direkter Kontakt des Personals mit COVID-19-Patienten bestehe aber nicht, sodass das Tragen einer Maske „nicht zwingend“ erforderlich sei. Darüber hinaus erschwere der Mund-Nasen-Schutz die Kommunikation derart, dass es kaum mehr möglich sei, der Beratungspflicht nachzukommen. Söder gegenüber betonen sie, dass alle Apotheker in Hygiene geschult und fähig seien, sich selbst zu schützen. Sie bitten den Ministerpräsidenten auch vor dem Hintergrund der ­aktuell deutlich eingeschränkten ­Möglichkeiten, Patienten zu ihren ­Arzneimitteln zu beraten, darum, die Sinnhaftigkeit der Maskenpflicht in den Apotheken zu überdenken.

BLAK-Präsident Thomas Benkert wird von den Maskengegnern sogar vorgeworfen, die ganze Misere provoziert zu haben, indem er mehrfach öffentlich moniert hatte, die Apotheken würden bei der Verteilung von Schutzausrüstung weitgehend vergessen. Aus der Sicht von Wiedemann, Dötsch und Ochs muss die Kammer bei so weit­reichenden Schritten zunächst grünes Licht bei ihren Mitgliedern einholen. „Wir haben diese Pflicht sicher nicht des­wegen, weil wir den verständlichen Wunsch unserer Mitglieder in die ­Politik und Öffentlichkeit getragen haben, die Apotheken bei der Beseitigung bestehender Engpässe im Bereich Schutz­bekleidung nicht zu vergessen“, verteidigt die BLAK ihren Präsidenten. Was die Maskenpflicht im Backoffice betrifft, räumt die Kammer Handlungs­bedarf ein. „Wenn im Backoffice ohne Kundenkontakt tatsächlich das Abstandsgebot eingehalten werden kann, ist eine Maskenpflicht unseres Erachtens nicht verhältnismäßig, aber derzeit rechtlich noch vorgeschrieben. Das muss aus unserer Sicht noch angepasst werden.“

„Wenn etwas sinnvoll ist, sollte man es auch tun“

Apothekerin Monika Knobloch-Schröder aus der Aegidius-Apotheke im baden-württembergischen Leimen möchte die aufgeheizte Stimmung im Nachbarbundesland etwas abkühlen: „Ich verstehe das Problem nicht, das viele Kollegen mit dem Mundschutztragen haben. Wir wollen doch alle, dass sich das Coronavirus so wenig wie möglich verbreitet. Da es in den meisten Fällen über Tröpfchen geht, hilft der Mundschutz dagegen“, schreibt sie in einem „Plädoyer für das Tragen einer Maske“, das sie an die DAZ-Redaktion ­gerichtet hat. Sie stellt die Frage: „In welcher Apotheke kann ein Abstand zu den Kollegen von 1,5 Metern eingehalten werden?“ In ihrem Betrieb sei das nicht der Fall. „Und so tragen wir ihn.“ Der noch vor Wochen herrschende Maskenmangel sei überstanden. Deshalb könne man die Masken auch häufig genug wechseln.

Die Apothekerin aus Leimen erinnert dran, dass die Apothekenteams bei Weitem nicht die einzige Berufsgruppe darstellen, die aktuell einen Mundschutz tragen müssten. Zudem habe die Arbeitsgemeinschaft Notfall- und Katastrophenpharmazie (KatPharm) schon zu Beginn der Pandemie diese Maßnahmen empfohlen (DAZ 2020, Nr. 13, S. 21). „Wenn etwas sinnvoll ist, dann sollte man es auch tun“, schließt Knobloch-Schröder ihr Plädoyer ab. Beim Mundschutz-Tragen ginge es jetzt darum, die Mitmenschen vor den eigenen ­Keimen zu schützen und nicht um­gekehrt. „Das scheinen noch nicht alle verstanden zu haben“, meint die Apothekerin.

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DPhG-AG bekräftigt Empfehlung

„Wir halten weiterhin an der klaren Empfehlung fest, dass jedes Teammitglied der Apotheke zwingend Masken tragen sollte“, erklärt Apotheker Sven Seißelberg vom Vorstand der AG KatPharm der Deutschen Pharmazeutischen Gesellschaft (DPhG) gegenüber der DAZ. „Wir sehen keinen Anlass, unsere Empfehlung zu korrigieren, vielmehr bestärkt uns das Chaos der föderalen Umsetzung der Maskenpflicht im Einzelhandel darin, unsere Forderung nochmal zu bekräftigen.“ Während in Bayern hohe Strafen drohten, wenn das Verkaufspersonal der Maskenpflicht nicht nachkommt, sei in Niedersachsen überhaupt keine Pflicht für das Verkaufspersonal vorgesehen. Das hätte natürlich direkten Einfluss auf die Apotheken, die in diesen Regelungen in den Bereich des Einzelhandels kategorisiert werden. „Dies zeigt deutlich, dass im Bereich der Notfallvorsorge ein föderales Handeln absolut kontraproduktiv ist. Wir hätten uns hier eine klare Positionierung der Bundesapothekerkammer für alle Apotheken in Deutschland gewünscht“, so Dr. Frederik Vongehr, Apotheker und ebenfalls im Vorstand der DPhG-AG KatPharm.

Zwei Gründe für das Tragen von Masken halten die Experten für elementar: Einerseits biete das konsequente Tragen für das gesamte Personal eine optimale Voraussetzung für den Weiterbetrieb der Apotheke – auch wenn Teile des Personals erkranken sollten (DAZ 2020, Nr. 16, S. 26). Andererseits hätten die Apotheken eine Vorbildfunktion im Gesundheitswesen, wie zuletzt ja insbesondere in der Laienpresse dargestellt wurde. Diese Vorbildfunktion müsse konsequent genutzt werden, um die „Masken-Compliance“ der Bevölkerung zu erhöhen.

Plexiglasscheiben stellen keinen ausreichenden Schutz dar

„Aus unserer Sicht sollten die mittlerweile überall eingesetzten Plexiglasscheiben nicht als alleiniger Schutz angesehen werden, sondern vielmehr in Kombination mit Masken genutzt werden“, so Seißelberg. Dabei sei die Frage, welche Art von Masken geeignet sei, eher zweitrangig. „Optimal ist sicherlich der Einsatz von FFP2-Masken. Hier ist jedoch neben den Kosten auch die Belastung des Personals am höchsten. Wir halten daher auch den Einsatz eines Mund-Nasen-Schutzes und sogenannter Community-Masken für ausreichend.“

Die Vorstandsmitglieder der DPhG-AG KatPharm empfehlen den Apothekenteams auch mal den Blickwinkel zu verändern: „Versetzen Sie sich in die Sicht der Kunden! Bei diesen kann sehr schnell die Frage aufkommen, warum die Leute hinter der Plexiglasscheibe keine Maske tragen, während sie selber mit Maske vor der Plexiglasscheibe stehen müssen.“ Außerdem sei gerade die Apotheke als Ort, der von kranken Menschen eher und häufiger frequentiert werde, besonders in der Pflicht für sichtbare Hygienemaßnahmen zu sorgen. Wenn schon die Kassierer im Einzelhandel Masken tragen, weil es im Bundesland angeordnet ist oder einfach einer positiven Außenwirkung dient, wären die Apothekenteams erst recht dazu prädestiniert.

Seißelberg und Vongehr würden am liebsten vieles bundesweit einheitlich regeln: „Die aktuellen Diskussionen zeigen, dass es Themen gibt, die einer bundesweit einheitlichen Positionierung und Regelung bedürfen. So verfügte die Bundesärztekammer schon vor der Pandemie über eine Pandemiebeauftragte auf Bundesebene, die fest in der Struktur der Bundesärztekammer verankert ist. Eine äquivalente Position bei der Bundesapothekerkammer ist uns nicht bekannt.“ Die Notfallvorsorge in den Apotheken sollte auf Ebene der Bundesapothekerkammer viel präsenter verfolgt werden.

Auch wenn es derzeit viele wissenschaftliche Diskussionen gebe, z. B. zu Untersuchungen zur Übertragbarkeit der Viren durch Aerosole oder der Qualität von Community-Masken in Abhängigkeit der Stoffqualität, gelte nach wie vor: „Eine Maske, wie auch immer sie aussieht oder zertifiziert ist, ist immer noch besser als keine.“ |

 

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