Schwerpunkt Schwangerschaft

Sind Mikronährstoffe überflüssig oder sinnvoll?

Optimal versorgt in Schwangerschaft und Stillzeit durch gezielte Supplementation

Foto: Syda Productions - Fotolia.com
Von Damaris Mertens-Keller | Unlängst lieferte eine Studie von Haider et al. überzeugende Ergebnisse in Bezug auf den Einsatz multipler Mikronährstoffe bei schwangeren Frauen. Ob allerdings komplexe Multivitamin- und Mikronährstoff-Supplemente auch in der Stillzeit sinnvoll sind, ist bislang unklar. Ein aktueller Cochrane Review hat dies nun untersucht. Hier kam man zu der Erkenntnis, dass vorwiegend in einkommensschwachen Ländern, aber auch hierzulande bei bestimmten Ernährungsweisen, multiple Mikronährstoff-Präparate in der Stillzeit empfehlenswert sind und einen positiven Effekt auf Mutter und Kind haben.

Weltweit besteht bei mehr als zwei Milliarden Menschen eine Unterversorgung bezüglich unterschiedlicher wichtiger Mikronährstoffe. Zu den Mikronährstoffen zählen hauptsächlich Vitamine, Mineralstoffe und Spurenelemente. Sie sind essenziell für den Ablauf kataboler und anaboler Reaktionen, für normales Wachstum und eine gesunde Entwicklung. Eine ausgewogene und abwechslungsreiche Ernährung gewährleistet in der Regel die Versorgung mit allen notwendigen Nährstoffen und Mikronährstoffen, ist jedoch nicht in allen Teilen der Erde möglich. Hauptsächlich Menschen in Ländern mit geringem und mittlerem Einkommen weisen oft mehrere Vitamin- und Mineralmängel auf, insbesondere Iod, Eisen und Zink fehlen häufig. Jedoch auch in einkommensstarken Ländern sind insbesondere Schwangere bzw. stillende Mütter und deren Kinder manchmal unterversorgt, vor allem bei Verzicht auf Fleisch und/oder Milchprodukte. Während der Schwangerschaft und in der Stillzeit ist der Nährstoffbedarf nicht nur um einiges höher, vielmehr wirkt sich hier ein Defizit auch besonders negativ auf die Gesundheit von Mutter und Kind aus. Nach Schätzungen der WHO sind weltweit 1,6 Milliarden Menschen von einer Anämie betroffen mit der höchsten Prävalenz bei Kindern im Vorschulalter und bei Frauen. Da meist Eisenmangel ursächlich für eine Anämie ist, werden die Begrifflichkeiten oft synonym verwendet. Ferner liegt das Risiko für ein Zink­defizit schätzungsweise bei mehr als 17% für die Weltbevölkerung. Darüber hinaus erhöht ein Vitamin-A-Mangel, der laut WHO bei circa 190 Millionen Vorschulkindern zu finden ist, das Risiko für schwere Erkrankungen und Tod bei gängigen Kinderkrankheiten wie Durchfall und Masern und ist außerdem der Hauptgrund für massive Sehbehinderungen.

Positive Ergebnisse bezüglich Schwangerschaft

Unumstritten ist der positive Nutzen einer Versorgung mit Eisen und Folsäure während der Schwangerschaft, und die WHO empfiehlt aktuell eine entsprechende Supplementation bei Schwangeren, um Eisenmangel-bedingte Anämien zu vermeiden. Ob allerdings hinsichtlich der mütterlichen Gesundheit und der optimalen Entwicklung des Ungeborenen komplexe Multivitamin- und Mikronährstoff-Supplemente stattdessen in der Schwangerschaft sinnvoller sind, wurde in einer Übersichtsarbeit von Haider BA und Bhutta ZA [Haider 2015] bewertet. Sämtliche bis März 2015 verfügbare Daten wurden erfasst und lieferten klare Erkenntnisse. Eine Anzahl von 19 Studien wurde eingeschlossen, davon konnten 17 Studien mit insgesamt 137.791 Frauen ausgewertet werden. 15 Studien stammten aus Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen. Zwei der Untersuchungen wurden in Großbritannien durchgeführt. Verglichen wurden schwangere Frauen, die multiple Mikronährstoffe zur Ergänzung ihrer Ernährung einnahmen, versus schwangere Frauen, die ein Placebo oder Eisenpräparat mit oder ohne Folsäure bekamen. Das Ergebnis war laut den Autoren nicht nur qualitativ hochwertig einzustufen, sondern auch eindeutig. So gab es insgesamt weniger Babys mit einem niedrigen Geburtsgewicht, weniger Babys, die bezogen auf ihr Reifealter klein waren, und weniger Totgeburten als bei schwangeren Frauen, die nur Eisen, mit oder ohne Folsäure, eingenommen hatten. Darüber hinaus hatte die Gabe von Mikronährstoffen jedoch keinen signifikanten Einfluss auf andere Parameter wie etwa Frühgeburten, Blutarmut der Mutter im letzten Drittel der Schwangerschaft und Müttersterblichkeit sowie Sterblichkeit des Kindes kurz vor oder nach der Geburt oder Risiko einer Kaiserschnitt-­Geburt. Interessanterweise ließ die britische Vergleichsstudie gegen Placebo keinerlei nennenswerte Unterschiede zwischen den Gruppen erkennen. Die Autoren empfehlen aus diesem Grund, Eisen- und Folsäure-haltige Nahrungsergänzungsmittel durch multiple Mikronährstoffe zu ersetzen, wobei die Empfehlung hauptsächlich für schwangere Frauen aus einkommensschwachen Ländern gilt, da dort entsprechende Mangelzustände weit verbreitet sind.

Möglicherweise auch in der Stillzeit vielversprechend

Muttermilch ist laut den Experten der DGE, Nationalen Stillkommission und WHO die beste Ernährungsform für Säuglinge und uneingeschränkt zu befürworten. Sofern die mütterliche Ernährung adäquat ist und die gebildete Milch mengenmäßig ausreicht, wird Muttermilch als alleinige Nahrungsquelle bis einschließlich zum sechsten Monat empfohlen. Zweifelsohne ist während der Stillzeit der Bedarf an Mikronährstoffen im Vergleich zur Schwangerschaft noch höher und direkt proportional zu Intensität und Dauer. Zudem verdoppelt das Kind in den ersten vier bis sechs Monaten nach der Geburt sein Gewicht. Bei reduzierter Nahrungszufuhr der Mutter ist freilich auch die mütterliche Aufnahme von Mikronährstoffen geringer. Nachteile bezüglich Gesundheit und Entwicklung ergeben sich bei unzureichender Versorgung mit Mikronährstoffen allerdings nicht nur für das Kind, sondern auch für die Mutter. Folglich könnte die Versorgung mit multiplen Mikronährstoffen in der Stillzeit für Mutter und Kind vielversprechend sein.

Foto: DGE-Ernährungskreis®, Copyright: Deutsche Gesellschaft für Ernährung e. V., Bonn

DGE-Ernährungskreis Laut Netzwerk „Gesund ins Leben“ sollen Ernährungsempfehlungen über die aid-Ernährungs­pyramide oder den DGE-Ernährungskreis kommuniziert werden. Der Kreis unterteilt das Lebensmittelangebot in sieben Gruppen. Jede Lebensmittelgruppe liefert bestimmte Nährstoffe in unterschiedlichen Mengen. Je größer ein Feld ist, desto größere Mengen sollten aus der Gruppe verzehrt werden. Lebensmittel aus kleinen Segmenten sollten sparsam verwendet werden.

Zum Hintergrund des aktuellen Reviews

Grundsätzlich lassen sich Mikronährstoffe, die in der Muttermilch zu finden sind, in zwei Gruppen unterteilen. Zu der ersten Gruppe zählen vorrangig wasserlösliche B-Vitamine wie Thiamin, Riboflavin, Vitamin B6, Vitamin B12 sowie Vitamin A, Iod und Selen. Die mütterliche Aufnahme dieser Mikronährstoffe bestimmt deren Konzentration in der Muttermilch und damit die Versorgung des Säuglings. Die zweite Gruppe umfasst unter anderem Folsäure, Calcium, Eisen, Kupfer und Zink, deren Vorkommen in der Muttermilch nahezu unabhängig von der externen Zufuhr und dem Ernährungszustand der Mutter ist. Folglich ist der Säugling vor solchen Mangelzuständen im Gegensatz zur Mutter gut geschützt. Ein Vitamin-A-Mangel der Mutter verhindert dessen Vorratsspeicherung in der kindlichen Leber und hat zur Folge, dass ein Schutz des Kindes vor einem entsprechenden Defizit über den sechsten Lebensmonat hinaus nicht gewährleistet werden kann. Trotz widersprüchlicher Datenlage zum tatsächlichen Nutzen empfiehlt die WHO eine Supplementation von 200.000 IU Vitamin A solchen Bevölkerungsgruppen, die einen Vitamin-A-Mangel aufweisen. Ein Defizit an B-Vitaminen ist unter anderem bei Verzicht auf Fleisch und Milchprodukte zu finden, und Kinder, deren Mütter eine entsprechende Diät eingehalten haben, tragen laut einer Untersuchung von Allen [Allen 2012] ein höheres Risiko für entsprechende gesundheitliche Schäden. Vitamin-B1(Thiamin)-Mangel, auch bekannt als Beri-Beri, geht unter anderem einher mit Herzinsuffizienz oder peripherer Neuritis und kommt relativ häufig vor. Die Supplementation von 100 mg Thiamin/Tag hat sich als nützlich erwiesen. Das Gleiche konnte für Vitamin B2 (Riboflavin) gezeigt werden. Ein Vitamin-B3(Niacin)-Mangel führt zu Pellagra, gekennzeichnet durch Demenz, Dermatitis und Durchfall. Laut WHO ist insgesamt eine Aufnahme von 17 mg Niacin/Tag in der Stillzeit empfehlenswert.

Vitamin-B6-Mangel tritt oft in Kombination mit anderen B-Komplex-Vitaminen auf und unterstreicht die Notwendigkeit für multiple Mikronährstoff-Supplementation. Auch hier ist der kindliche Spiegel stark abhängig von dessen Gehalt in der Muttermilch. Vitamin-B12-Mangel kommt selten vor und manifestiert sich bei Kindern, deren Mütter ebenfalls ein Vitamin-B12-Defizit aufweisen. Hämatologische, neurologische und metabolische Anomalien im Blutbild sind die Folge. Leider mangelt es an aussagekräftigen Studien, jedoch gibt es entsprechende Hinweise, dass bei klinischen Symptomen eine hohe Dosis von 500 bis 1000 μg intramuskulär für Mutter und Kind sinnvoll sein kann. Dies gilt möglicherweise auch für eine orale Zufuhr von Vitamin B12 während der Schwangerschaft und zu Beginn der Stillzeit, falls ernährungsbedingt das Risiko für einen Mangel gegeben ist. Für die Prävention von Anämien könnte darüber hinaus die Interaktion von Vitamin B12 mit Folsäure wichtig sein. Diese spielt bekanntlich eine wichtige Rolle für die DNA- und RNA-Replikation und die Protein-Biosynthese, und der Bedarf an Folsäure ist mit 500 μg/Tag während der Stillzeit erhöht. Die Konzentration von Vitamin C in der Muttermilch wird durch die mütter­liche Aufnahme bestimmt, und ein Defizit führt bekanntermaßen zu Skorbut. Die WHO empfiehlt daher während der Stillzeit zusätzlich 25 mg, also eine Tagesdosis von insgesamt 70 mg. Kinder, die gestillt werden, haben ferner ein hohes Risiko für einen Vitamin-D-Mangel. Es wird angenommen, dass eine Vitamin-D-Supplementation den Vitamin-D-Spiegel in der Muttermilch nur geringfügig beeinflusst. Eine zusätzliche Einnahme ist laut WHO und FAO (Food and Agriculture Organisation) für die Mutter nicht erforderlich; durch ausgewogene Ernährung und Sonnenlicht-Exposition kann ein Defizit vermieden werden. Einige Studien deuten jedoch darauf hin, dass eine Versorgung der Mutter mit Cholecalciferol vorteilhaft für den kindlichen Vitamin-D-Spiegel ist. Eine Dosis von 5 μg/Tag ist aus diesem Grund nach Angaben der WHO empfehlenswert. Für die Supplementation von Vitamin E gibt es keine allgemeingültige Empfehlung, wobei das Institute of Medicine (IOM) 19 mg/Tag für stillende Frauen angibt. Die Konzentration von Eisen, Kupfer und Zink in der Muttermilch scheint durch externe Zufuhr nicht beeinflusst zu werden. Das Risiko für ein Defizit ist dadurch für die Mutter besonders signifikant. Die Kupfer-Konzentration ist mit ungefähr 250 μg/l direkt nach der Geburt am höchsten und sinkt über die Stillzeit ab. Während die WHO und FAO keine Empfehlung aufgestellt haben, empfiehlt das Institute of Medicine 1300 μg Kupfer/Tag während der Stillzeit. Die Einnahme von Selen korreliert mit dem Spiegel in der Muttermilch. Die WHO empfiehlt je nach Alter des Säuglings eine Dosis von 35 bzw. 42 μg Selen/Tag. Die Konzentration von Iodid in der Muttermilch ist ebenfalls abhängig von der externen Zufuhr. Durch die Einführung von iodiertem Salz oder Öl konnten nach bisherigen Erkenntnissen Fälle von Kretinismus reduziert werden. Die WHO und UNICEF empfehlen 90 μg/Tag für Kinder unter zwei Jahren und 250 μg Iod/Tag für stillende Frauen.

Mikronährstoff-Kombinationen für Schwangere (Auswahl, kein Anspruch auf Vollständigkeit)
Präparat
enthaltene Mikronährstoffe
Centrum® Materna + DHA
Folsäure, Vitamine B1, B2, B6, B12, C, D, E, Biotin, Niacin, Pantothensäure, Betacarotin
Mineralstoffe: Calcium, Eisen, Jod, Kupfer, Magnesium, Mangan, Selen, Zink
Omega-3-Fettsäuren: DHA
Doppelherz® system Schwangere
Folsäure, Vitamine C, B1, B2, B6, B12, D, Biotin, Niacin, Pantothensäure, Betacarotin
Mineralstoffe: Eisen, Calcium, Magnesium, Jod, Zink
Femibion® Schwangerschaft 1
Femibion® Schwangerschaft 2
Folsäure, L-Methylfolat, Vitamine B1, B2, B6, B12, C, D, E, Biotin, Niacin, Pantothensäure
Mineralstoffe: Jod
enthält zusätzlich DHA
Femi-Peri Natal® + DHA
Folsäure, Vitamine B1, B2, B6, B12, C, E, Biotin, Niacin, Pantothensäure, Betacarotin
Mineralstoffe: Calcium, Jod, Magnesium, Selen, Zink
Omega-3-Fettsäuren: DHA, EPA
ferro sanol® gyn, Floradix® Eisen-Folsäure
Folsäure
Mineralstoffe: Eisen
Babys Life® Schwangerschaftsdrink
Folsäure, Vitamine B1, B2, B6, B12, C, D, E, Biotin, Niacin, Pantothensäure
Mineralstoffe: Calcium, Eisen, Jod, Magnesium
Folgamma®
Folsäure, Vitamin B12
Folio®
Folsäure, Vitamin B12
Mineralstoffe: Jod
Elevit® gynvital
Folsäure, Metafolin, Vitamine A, B1, B2, B6, B12, C, D, E, Niacin, Biotin, Pantothensäure
Mineralstoffe: Magnesium, Eisen, Zink, Selen, Jod
Omega-3-Fettsäuren: DHA
myBellence® mit Jod Kinderwunsch & Schwangerschaft
Folsäure, Vitamine B1, B2, B6, B12, D, E, Niacin
Mineralstoffe: Calcium, Jod
Omega-3-Fettsäuren: DHA, EPA
Orthomol® natal
Folsäure, Vitamine B1, B2, B6, B12, C, D, E, K, Biotin, Niacin, Pantothensäure, Betacarotin
Mineralstoffe: Calcium, Chrom, Eisen, Jod, Kupfer, Magnesium, Molybdän, Selen, Zink, Omega-3-Fettsäuren: DHA, EPA, weitere

Untersuchung und Ergebnisse

Basierend auf diesen Erkenntnissen ging der systematische Review von Abe et al. der Fragestellung nach, ob komplexe Multivitamin- und Mikronährstoff-Supplemente in der Stillzeit vorteilhaft sind. Mittels des Cochrane Pregnancy and Childbirth Group´s Trials Registers wurde eine Erhebung von Daten durchgeführt sowie bis dato verfügbare Studien dazu analysiert. Nach gründlicher Datenbankrecherche fanden sich 81 Studienberichte, von denen lediglich zwei kleine Studien mit insgesamt 52 Frauen mit niedrigem sozioökonomischem Status aus Brasilien bzw. den USA für die Erhebung geeignet erschienen. Hierbei handelte es sich um die Studie von Correia-Santos [Correia-Santos 2011], die in randomisiertem Design in Brasilien durchgeführt wurde. 17 Frauen wurde mit einem Mikronährstoff-Präparat versorgt, 19 Frauen erhielten ein Placebo. Die Doppelblind-Studie von Sneed [Sneed 1981] untersuchte eine Gruppe von neun Frauen, die Mikronährstoffe einnahmen, verglichen mit einer Gruppe von sieben Frauen in den USA ohne Supplementation.

Keine der beiden oben genannten Studien analysierte Endpunkte, die für den Review unmittelbar von Interesse waren. Aufgrund fehlender Informationen konnte das Bias-Risiko nicht eindeutig bestimmt werden. Eine Metaanalyse war nicht möglich, da die jeweilige Dosis der Mikronährstoffe nicht berücksichtigt wurde. Außerdem konnte der Einfluss von Mikronährstoffen während der Stillzeit auf die Gesundheit von Mutter und Kind quantitativ nicht belegt werden, da sowohl die Anzahl als auch die Größe der verfügbaren Studien limitiert waren. Aus diesem Grund sind weitere qualitativ höherwertige Untersuchungen erforderlich, um die tatsächliche Wirksamkeit und Sicherheit komplexer Multivitamin- und Mikronährstoff-Supplemente zu evaluieren. Die Bereitschaft der Mütter, ein multiples Mikronährstoff-Präparat während der Schwangerschaft und Stillzeit einzunehmen, wurde in zwei Untersuchungen [Adu-­Afarwuah 2011, Aguayo 2005] analysiert und ist durchaus vorhanden.

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Bitte eine Diät vermeiden! Im Mutterleib und während der Stillzeit ist das Kind auf eine adäquate Ernährung der Mutter angewiesen.

Wie sollte aus fachlicher Sicht beraten werden?

Im Mai 2011 wurde erstmals eine harmonisierte Handlungsempfehlung zur Ernährung in der Schwangerschaft sowie eine separate Empfehlung bezüglich des Stillens vom Netzwerk „Gesund ins Leben“ herausgegeben. In dem bundesweiten Netzwerk haben sich medizinische und wissenschaftliche Fachgesellschaften, Berufsverbände sowie fachlich ausgerichtete Institutionen zusammengeschlossen, um einheitliche Informationen zur Ernährung und zur Allergieprävention zu formulieren und bereitzustellen. Dies ist europaweit bislang einmalig. Die Autoren haben sich bei der Entwicklung der Empfehlungen vor allem auf vorhandene Leitlinien, Metaanalysen und systematische Übersichten gestützt. Demnach gewährleistet eine ausgewogene Ernährung in der Schwangerschaft grundsätzlich die Versorgung mit allen wichtigen Nährstoffen. Auf Folsäure und Iod ist jedoch besonders zu achten; eine Supplementation von mindestens 400 μg Folsäure/Tag und 100 bis 150 μg Iod/Tag wird empfohlen, da es allein über Lebensmittel kaum möglich ist, den Mehrbedarf dieser beiden Nährstoffe ausreichend zu decken. Bei Schilddrüsenerkrankungen ist eine Rücksprache mit dem behandelnden Arzt erforderlich. Der erhöhte Eisenbedarf während der Schwangerschaft lässt sich in der Regel durch eine gezielte Auswahl und Zusammenstellung eisenreicher Lebensmittel gut decken. Eine Eisensupplementierung kann dennoch erforderlich werden und ist individuell medizinisch abzuklären. Bei Verzicht auf den Verzehr von Meeresfischen ist zudem eine Supplementierung mit langkettigen Omega-3-Fettsäuren zu erwägen.

Empfohlene Tagesdosen

Die Mengen von essenziellen Nährstoffen, die nach dem aktuellen wissenschaftlichen Kenntnisstand für ausreichend angesehen werden, den täglichen Bedarf zu decken, werden als Recommended Dietary Allowances (RDA) bezeichnet. Für die Gesundheit von Mutter und Fetus wird Schwangeren empfohlen, Multivitaminpräparate bis zur RDA zu verwenden [Friese et al. 2016]

  • Vitamin A: 800 RE
  • Vitamin B1 (Thiamin): 1,5 mg
  • Vitamin B2 (Riboflavin): 1,6 mg
  • Vitamin B3 (Niacin): 17 mg
  • Vitamin B6 (Pyridoxin): 2,2 mg
  • Vitamin B12 (Cyanobalamin) 2,2 µg
  • Vitamin C: 70 mg
  • Vitamin D: 400 IU
  • Vitamin E: 10 mg

Spezielle Empfehlungen für Vegetarierinnen und Veganerinnen?

Bei vegetarischer Ernährung, die den Verzehr von Milch und Eiern beinhaltet, kann bei gezielter Lebensmittelauswahl auch in der Schwangerschaft der Bedarf für die meisten Nährstoffe gedeckt werden. Eine zusätzliche Versorgung mit Eisen kann jedoch durchaus erforderlich sein. Bei einer rein veganen Ernährung ist hingegen eine ausreichende Nährstoffversorgung auch bei sorgfältiger Lebensmittelauswahl in der Schwangerschaft nicht gewährleistet. Eine solche Ernährungsweise birgt ernsthafte gesundheitliche Risiken insbesondere für die Entwicklung des kindlichen Nervensystems. Kritisch ist unter anderem die Versorgung mit Protein, Eisen, Calcium, Iod, Zink, Vitamin B12 und Vitamin D. Eine spezielle medizinische Beratung zur Einnahme von Mikronährstoff-Supplementen ist in solchen Fällen notwendig. Auch in der Stillzeit ist eine abwechslungsreiche, ausgewogene und regelmäßige Ernährung essenziell. Auf Reduktionsdiäten sollte in dieser Zeit verzichtet werden. Auch diätische Einschränkungen im Hinblick auf eine Allergieprävention beim Kind haben keinen erkennbaren Nutzen und werden aufgrund des Risikos für eine unzureichende Nährstoffversorgung nicht empfohlen. Nach Möglichkeit sollte zweimal wöchentlich Meeresfisch auf dem Speiseplan stehen. Eine Iod-Supplementierung von 100 μg/Tag wird in der Stillzeit von den Fachgesellschaften allgemein befürwortet und zusätzlich zur Verwendung von Iod-Salz empfohlen. Vor dem Verzehr getrockneter Algen-Präparate wird aufgrund des möglicherweise sehr hohen Iod-Gehalts gewarnt.

Fazit

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass eine Supplementation von Mikronährstoffen sowohl in der Schwangerschaft als auch in der Stillzeit möglichst gezielt erfolgen sollte. Auf multiple Mikronährstoff-Präparate kann hierzulande bei entsprechender Ernährung (vegetarische und vegane Ernährungsweise ausgenommen) meist verzichtet werden. Die anwendungsorientierten Botschaften der Handlungsempfehlung des Netzwerks „Gesund ins Leben“ erleichtern die Beratung von Schwangeren und Stillenden im Alltag und können als Basis für eine effektive Kommunikation dienen. |

Literatur

Abe SK, Balogun OO, Ota E, Takahashi K, Mori R. Supplementation with multiple micronutrients for breastfeeding women for improving outcomes for the mother and baby. Cochrane Database Syst Rev 2016 Feb 18;2

Haider BA, Bhutta ZA. Multiple-micronutrient supplementation for women during pregnancy. Cochrane Database Syst Rev 2015 Nov 1;11

Force WHO/UNICEF/IVACG Task, Group International Vitamin A Consultative, UNICEF. Vitamin A supplements: a guide to their use in the treatment and prevention of vitamin A deficiency and xerophthalmia. World Health Organization 1997

WHO, FAO. Vitamin and Mineral Requirements in Human Nutrition. Second Edition. Geneva: World Health Organization 2005

Koletzko B, Bauer CP, Bung P. Ernährung in der Schwangerschaft; Handlungsempfehlungen des Netzwerks „Gesund ins Leben“ – Netzwerk Junge Familie. Erstveröffentlichung in 2 Teilen in Deutsche Medizinische Wochenschrift (DMW) 2012;24 und 2012;25–26

Koletzko B, Bauer CP, Brönstrup A et. al. Säuglingsernährung und Ernährung der stillenden Mutter. Aktualisierte Handlungsempfehlungen des Netzwerks „Gesund ins Leben“-Netzwerk Junge Familie, ein Projekt von IN FORM. Monatsschr Kinderheilkd 2013;161:237–246

Correia-Santos AM, Bolognini PK, Erthal Santelli R et al. Dietary supplements for the lactating adolescent mother: influence on plasma micronutrients. Nutricion Hospitalaria 2011;26(2):392–398

Sneed SM, Zane C, Thomas MR. The effects of ascorbic acid, vitamin B6, vitamin B12, and folic acid supplementation on the breast milk and maternal nutritional status of low socioeconomic lactating women. American Journal of Clinical Nutrition 1981;34:1338–1346

Scientific Advisory Committee on Nutrition. Paper for discussion: Dietary reference values for lactating women. Agenda Item 2012;2

Adu-Afarwuah S, Lartey A, Zeilani M, Dewey KG. Acceptability of lipid-based nutrient supplements (LNS) among Ghanaian infants and pregnant or lactating women. Maternal & Child Nutrition 2011;7:344–356

Aguayo VM, Kone D, Bamba SI, Diallo B, Sidibe Y, Traore D et al. Acceptability of multiple micronutrient supplements by pregnant and lactating women in Mali. Public Health Nutrition 2005;8:33–43

Allen LH. B vitamins in breast milk: relative importance of maternal status and intake, and effects on infant status and function. Advances in Nutrition 2012;3:362–369

Allen LH. Maternal micronutrient malnutrition: effects on breast milk and infant nutrition, and priorities for intervention. SCN News 1994;11:21–24

Friese K, Mörike K, Neumann G, Windorfer A. Arzneimittel in der Schwangerschaft und Stillzeit - Ein Leitfaden für Ärzte und Apotheker. 8. Auflage, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart 2016

Autorin

Damaris Mertens-Keller, Apothekerin, PharmD, Studium der Pharmazie an der Johannes-Gutenberg-Universität in Mainz; Praktikum am UC Davis Medical Center, Sacramento (USA); Studium an der University of Florida mit dem Abschluss PharmD; wissenschaftliche Mitarbeiterin der WestGem-Studie und Tutorin beim Projekt ATHINA, Autorin der POP-Serie in der DAZ und des Buches „Angewandte Pharmakotherapie“.

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