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Schwerpunkt Schwangerschaft
Krebs während der Schwangerschaft
Kein Hindernis für eine adäquate Tumortherapie
In den letzten Jahrzehnten ist die Zahl der schwangeren Krebspatientinnen kontinuierlich gestiegen, da vermehrt ältere Frauen schwanger werden und sich das Krebsrisiko mit zunehmendem Alter erhöht. Am häufigsten treten Tumoren der Brust und der Gebärmutter, gefolgt von Melanomen und Krebserkrankungen des Blut- und Lymphsystems auf. Schätzungen zufolge werden derzeit etwa 1% aller Brustkrebserkrankungen während der Schwangerschaft diagnostiziert; das sind in Deutschland jährlich rund 7000 Betroffene. Ebenfalls zugenommen hat die Zahl der Zervixkarzinome; ihre geschätzte Inzidenz liegt bei ein bis zwei Erkrankungen pro 1200 bis 10.000 Schwangerschaften, und somit betreffen etwa 3% aller neu diagnostizierten Zervixkarzinome schwangere Patientinnen. Zu den Krebsarten mit ebenfalls steigender Inzidenz gehört das maligne Melanom, dessen Inzidenz in der Schwangerschaft etwa 0,1 bis 2,8 pro 1000 beträgt. Ein Lymphom kommt bei ca. einer von 1000 bis 6000 Schwangeren vor, eine akute Leukämie bei einer von 75.000 bis 100.000 graviden Frauen.
Prinzipien der Therapie
Eine Schwangerschaft beeinträchtigt den Verlauf einer Tumorerkrankung nicht und eine Krebserkrankung ist per se kein Risiko für das ungeborene Kind. Allerdings werden Krebssymptome bei gynäkologischen Tumoren oftmals für Schwangerschaftsbeschwerden gehalten, so dass die Diagnosestellung mitunter erst verzögert erfolgt. Für die meisten Tumorerkrankungen gilt, dass Schwangere trotz Therapie ein gesundes Kind zur Welt bringen, und ein Schwangerschaftsabbruch in der Regel nicht nötig ist. Ausnahmen sind sehr aggressive fortgeschrittene Erkrankungen, die eine sofortige Therapie der werdenden Mutter erfordern. Für die therapeutischen Optionen gilt im Allgemeinen:
- Eine chirurgische Entfernung des Tumors kann zu jedem Zeitpunkt der Schwangerschaft erfolgen (Ausnahmen sind Krebserkrankungen der Gebärmutter).
- Eine Chemotherapie kann in der Regel ab dem zweiten Trimenon durchgeführt werden; die Auswahl einzusetzender Zytostatika ist allerdings begrenzt (keine neueren zielgerichteten Substanzen).
Eine Strahlentherapie sollte vermieden werden; bestehen keine anderen Alternativen, können schwangere Krebspatientinnen mit einer geringen Strahlendosis behandelt werden. Während der Schwangerschaft sollte keine anti-hormonelle Behandlung erfolgen.
Brustkrebs – Chemotherapie nicht vor dem zweiten Trimenon
Ein Mammakarzinom kann grundsätzlich auch während der Schwangerschaft behandelt werden. Dabei orientiert sich die Therapie an den Richtlinien für junge Nicht-Schwangere, bleibt aber immer eine individuelle Entscheidung, da neben dem Schwangerschaftsalter und dem Stadium der Tumorerkrankung auch der Kinderwunsch sowie Wünsche der zukünftigen Eltern zu berücksichtigen sind. Die operative Entfernung des Mammakarzinoms ist zu jedem Zeitpunkt der Schwangerschaft möglich. Eine Chemotherapie ist ab dem zweiten Trimenon ohne Nachteile für Mutter und Kind durchführbar. Die ausgebildete Plazenta bietet einen gewissen Schutz vor toxischen Arzneimittelwirkungen und ist in der Lage, bestimmte Substanzen aus dem mütterlichen Blut heraus zu filtrieren. Am häufigsten werden Anthracyclin-haltige Therapien (z. B. Epirubicin und Cyclophosphamid), teilweise auch Taxane (vor allem Paclitaxel) eingesetzt. Inwieweit zielgerichtete Therapien auch für Schwangere geeignet sind, ist derzeit noch unklar. Trastuzumab, Bevacizumab, Lapatinib, Pertuzumab und Everolimus sollten nicht eingesetzt werden. Dasselbe gilt für eine endokrine Therapie mit Tamoxifen. Eine Bestrahlung sollte während der Schwangerschaft nicht durchgeführt werden und wird daher bis nach der Entbindung verschoben. Die Behandlung sollte in interdisziplinären Zentren erfolgen. Nach Möglichkeit sollte vaginal entbunden werden, vor allem, wenn nach der Geburt ein weiterer Chemotherapiezyklus geplant ist.
Empfehlungen zur Diagnostik und Therapie schwangerer Brustkrebspatientinnen
- Diagnostik und Biopsie wie bei Nicht-Schwangeren (keine MRT-Indikation)
- Staging: Ultraschall, Röntgen-Thorax, wenn indiziert
- Operation wie bei Nicht-Schwangeren
- Sentinelbiopsie (nur Technetium)
- keine Bestrahlung während der Schwangerschaft
- (neo-)adjuvante Chemotherapie nur nach dem erstem Trimester; Anthracyclin-haltiges Regime einsetzen
- Entbindung erst bei ausreichender kindlicher Reife (eine vorzeitige Beendigung der Schwangerschaft verbessert den mütterlichen Erkrankungsverlauf nicht)
- Entbindungsmodus wie bei gesunden Schwangeren
- zwischen Chemotherapie und Geburt sollten drei Wochen liegen
- sollte eine Systemtherapie nach der Entbindung fortgeführt werden müssen, kann Stillen eventuell kontraindiziert sein
Quelle: Arbeitsgemeinschaft Gynäkologische Onkologie (AGO), www.ago-online.de
Zervixkarzinom – häufig bei Vorsorge erkannt
Zervixkarzinome werden häufig im Rahmen der Schwangerschaftsvorsorge erkannt; meist handelt es sich um Tumore in einem frühen Stadium. Zervikale intraepitheliale Neoplasien (CIN-Läsionen) weisen eine hohe Regressionswahrscheinlichkeit auf und werden daher meist nur kolposkopisch kontrolliert und – falls erforderlich – nach der Geburt therapiert. Bei mikroinvasiven Karzinomen wird bis zur 14. Schwangerschaftswoche eine Konisation empfohlen, ab der 14. Schwangerschaftswoche erfolgen engmaschige kolposkopische Kontrollen; eine Therapie wird erst nach der Geburt durchgeführt. Bei makroinvasiven Karzinomen steht bis zur 16. Schwangerschaftswoche das Wohl der Schwangeren im Vordergrund. Dies bedeutet meist einen Schwangerschaftsabbruch und eine anschließende Therapie. Wird die Diagnose erst im zweiten Trimenon gestellt, kann eine Chemotherapie durchgeführt werden. Bei einem sehr selten in der Schwangerschaft diagnostizierten metastasierten und weit fortgeschrittenen Zervixkarzinom werden meist ein Schwangerschaftsabbruch (falls möglich) und eine Cisplatin-haltige Radiochemotherapie empfohlen.
Melanome – Inzidenz steigend
Melanome, die während der Schwangerschaft auftreten, sind keine Seltenheit. Ihre chirurgische Entfernung erfolgt nach demselben Vorgehen wie bei nicht schwangeren Frauen. Eine Sentinelbiopsie (mit Technetium) ist möglich. Liegt bereits ein metastasiertes Melanom vor, kann die Gabe von Interferon erwogen werden. Für die neuen Substanzen Ipilimumab und Vemurafenib liegen keine Daten zur Gabe während der Schwangerschaft vor, ihr Einsatz wird daher nicht empfohlen.
Hämatologische Tumore – Einzelfallentscheidungen
Aggressive Lymphome machen eine schnelle Therapie und je nach Schwangerschaftsdauer einen Abbruch der Schwangerschaft erforderlich, im zweiten Trimenon ist eine Standardchemotherapie möglich. Eine Besonderheit ist ein Schwangerschaftswunsch von Frauen, die wegen einer chronisch myeloischen Leukämie den Tyrosinkinase-Hemmer Imatinib einnehmen. Aufgrund der Gefahr von Fehlbildungen beim Kind wird empfohlen, die Therapie mit Imatinib zumindest im ersten Trimenon abzusetzen und auf Interferon zu wechseln. Während des zweiten und dritten Trimenons besteht dann die Möglichkeit einer Interferon- oder Imatinib-Therapie.
Gestationsalter |
embryonale bzw. fetale Entwicklung |
mögliche Auswirkungen einer antineoplastischen Therapie |
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Woche 0 bis 2 |
undifferenzierter zellulärer Organismus |
„alles oder nichts“; spontaner Abort oder normale Entwicklung |
Woche 3 bis 12 |
Ausbildung der Organanlagen |
Spontaner Abort, Organfehlbildungen |
2. bis 3. Trimenon |
Gewebereifung, Wachstum des Organismus, Weiterentwicklung von ZNS, Gonaden, Augen, Ohren, Gaumen |
intrauterine Wachstumsrestriktion, Totgeburt, Frühgeburt, Myelosuppression, funktionelle Einschränkungen, fetale Anomalien |
Auswirkungen auf das Kind
Kinder, deren Mütter während der Schwangerschaft eine Chemotherapie erhalten hatten, weisen oftmals ein geringeres Geburtsgewicht auf, was aber ohne weitere Konsequenzen bleibt. Auch scheint eine Tumorbehandlung während der Schwangerschaft die Entwicklung des Kindes nicht ungünstig zu beeinflussen. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuell publizierte Studie, in der die Entwicklung von Kindern krebskranker Mütter mit einer Kontrollgruppe verglichen wurde. Die Therapie (meist Chemotherapie) führte zwar zu mehr Frühgeburten, jedoch entwickelten sich die frühgeborenen Kinder im gleichen Maße wie andere Frühgeborene mit Müttern ohne Krebserkrankung. Zwischen den beiden Studiengruppen konnte kein Unterschied hinsichtlich der geistigen Entwicklung, der Häufigkeit oder Schwere von Herzerkrankungen oder der generellen Entwicklung der Kinder in den ersten drei Lebensjahren festgestellt werden. Obwohl diese Studie mit 129 Kindern, deren Mütter während der Schwangerschaft unterschiedliche Therapien erhalten hatten, nur begrenzt aussagefähig ist, wird ihr Ergebnis von Experten als zumindest beruhigend bezeichnet. |
Literatur
Amant F et al. Pediatric outcome after maternal cancer diagnosed during pregnancy. N Engl J Med 2015;373:1824-1834
Berger DP, Engelhardt R, Mertelsmann R. Das Rote Buch. Hämatologie und internistische Onkologie. 5. Aufl. eccomed Medizin 2014
Loibl S et al. Breast cancer diagnosed during pregnancy. JAMA Oncol 2015;1(8):1145-1153
Lavi N et al. An update on the management of hematologic malignancies in pregnancy. Women’s Health 2014;10(3):255-266
Diagnostik und Therapie von Patientinnen mit primärem und metastasiertem Brustkrebs. Kommission Mamma der AG Gynäkologische Onkologie e. V. in der DGGG, www.ago-online.de
Loibl S et al. Treatment of breast cancer during pregnancy: an observational study. Lancet Oncol 2012;13(9):887-896
Greene M et al. Cautious optimism for offspring of women with cancer during pregnancy. N Engl J Med 2015;373:1875-1876
Pentheroudakis G et al. Cancer, pregnancy and fertility: ESMO Clinical Practice Guidelines . Ann Oncol 2013;24(6):vi160-vi170
Diagnostik, Therapie und Nachsorge der Patientin mit Zervixkarzinom, S3-Leitlinie DGGG und der AGO, Stand September 2014, AWMF-Registernummer 032/033OL, www.awmf.org
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