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Risikoabschätzung und Therapie hypertensiver Schwangerschaftserkrankungen

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Von Clemens Bilharz | Auch wenn hypertensive Schwangerschaftserkrankungen recht unterschiedlich verlaufen können, sollten sie stets als Gefahr für Mutter und Kind angesehen werden. Im Vordergrund steht zumeist die Präeklampsie. Diese komplexe Störung geht nicht nur mit erhöhtem Blutdruck einher, sondern auch mit einer Proteinurie und eventuellen Organkomplikationen. Auch das Risiko einer fetalen Wachstumsstörung ist erhöht. Inzwischen stehen zuverlässige Screening­methoden zur Verfügung.

Im Lauf einer normalen Schwangerschaft erhöht sich das mütterliche Blut- sowie Herzzeitvolumen um etwa 40 Prozent. Dennoch beginnt ab etwa der 20. Schwangerschaftswoche der Blutdruck im großen Kreislauf leicht abzufallen. Die Werte liegen im Mittel systolisch 5 mmHg und diastolisch 10 mmHg niedriger als vor der Schwangerschaft. Gründe hierfür sind beispielsweise die verminderte Reaktion der Gefäßwand auf die vasokonstriktorische Wirkung von Angiotensin II und ein Remodelling verschiedener Abschnitte des Herz-Kreislauf-Systems. So dilatieren das Herz, die Aorta, die Widerstandsgefäße der Nieren und der Plazenta sowie die Venen. Alle diese Veränderungen begünstigen die Durchblutung der Schwangeren.

Verschiedene Manifestationen abgrenzen

Dennoch kommt es bei sechs bis acht Prozent aller Graviditäten zu einer sogenannten hypertensiven Schwangerschaftserkrankung. Allerdings müssen bestimmte Verläufe oder Komplikationen wie etwa ein HELLP-Syndrom nicht in jedem Fall mit erhöhten Blutdruckwerten einhergehen. Insgesamt sind hypertensive Erkrankungen in Europa an 20 bis 25 Prozent aller mütterlichen Todesfälle beteiligt; innerhalb dieser Gruppe werden verschiedene Manifestationen unterschieden (s. Tab. 1). Da für zehn bis 15 Prozent aller mütterlichen Todesfälle verantwortlich, kommt der Prä­eklampsie hierbei eine besondere Bedeutung zu. Ihre Inzidenz beträgt in Europa zwei bis drei Prozent und weltweit bis zu fünf Prozent.

Tab. 1: Hypertensive Schwangerschaftserkrankungen. Nomenklatur und Definitionen orientieren sich u. a. an den Empfehlungen der International Society for the Study of Hypertension in Pregnancy. SSW = Schwangerschaftswoche
Erkrankung
Erläuterung
chronische Hypertonie
  • präkonzeptionell oder in der ersten Schwangerschaftshälfte (vor der 20. SSW) diagnostizierte arterielle Hypertonie ≥ 140/90 mmHg
Gestationshypertonie
(Schwangerschaftshypertonie)
  • nach der abgeschlossenen 20. SSW auftretende Blutdruckwerte ≥ 140/90 mmHg ohne Proteinurie bei einer zuvor normotensiven Schwangeren (Diagnosesicherung idealerweise mit 24-Stunden-Blutdruckmessung)
  • variabler Verlauf: in bis zu 46% der Fälle Übergang in eine milde und in 9,6% in eine schwere Präeklampsie
Präeklampsie
(Gestose)
  • nach der abgeschlossenen 20. SSW auftretende Gestationshypertonie und Proteinurie (Eiweißausscheidung ≥ 300 mg/Tag, nachgewiesen im 24-h-Sammelurin, oder Protein-Creatinin-Ratio im Spontanurin > 30 mg/mmol)
  • Verdacht auf progrediente Entwicklung einer Präeklampsie bei Anzeichen von Nierenfunktionsstörung, Leberbeteiligung, Lungenödem, hämatologischen bzw. neurologischen Störungen oder fetaler Wachstumsrestriktion
Eklampsie
  • im Rahmen einer Präeklampsie auftretende tonisch-klonische Krampfanfälle, die keiner anderen Ursache zugeordnet werden können
  • nur in etwa 50% der Fälle mit schwerer Hypertonie assoziiert, in 14 – 34% auch bei fehlender Hypertonie (oder Proteinurie) möglich
HELLP-Syndrom
  • Symptomtrias aus– H = hemolysis (Hämolyse)– EL = elevated liver enzymes (pathologisch erhöhte Leberenzyme)– LP = low platelets (Thrombozytopenie)
  • in 5 – 15% der Fälle ohne signifikante Proteinurie und in bis zu 20% ohne Hypertonie möglich, wobei auch gleichzeitig Hypertonie und Proteinurie fehlen können
Pfropfpräeklampsie
(Pfropfgestose)
  • chronische Hypertonie und neu aufgetretene (oder sich verschlechternde) Proteinurie nach der 20. SSW oder Auftreten klinischer oder laborchemischer Merkmale der schweren Präeklampsie
  • in 17 – 25% aus einer chronischen Hypertonie hervorgehend (davon rund die Hälfte vor der 34. SSW)

Präeklampsie mit unterschiedlichen Verläufen

Trotz intensiver Forschung ist die genaue Ätiologie der Präeklampsie bis heute noch nicht sicher geklärt. Nicht zuletzt führte der häufig recht variable klinische Verlauf zu der ­Hypothese, dass sich hinter dem gemeinsamen Oberbegriff wohl mehr als ein einheitliches Krankheitsbild verbirgt. So unterscheidet sich die klinische Manifestation der früh einsetzenden Präeklampsie (vor der 34. SSW) deutlich von dem Erscheinungsbild der spät einsetzenden (ab der 34. SSW):

  • Zum einen geht die frühe Manifestation (Early-onset-Form) fast immer mit einer markanten intrauterinen Wachstumsstörung einher, korrespondierend zu pathologischen fetoplazentaren Befunden (meist bei der Dopplersonografie). Zum anderen ist ihr klinischer Verlauf meist akut; die mütterliche Symptomatik kann ausgeprägt sein. Die vorzeitige Entbindung stellt daher eine häufige therapeutische Option dar. Außer der Morbidität ist auch die Mortalität dieser Frühgeborenen recht hoch.
  • Demgegenüber zeigt sich bei der Late-onset-Form, welche rund 80 Prozent aller Präeklampsiefälle betrifft, ein überwiegend normales fetales Wachstum. Die mütterlichen sowie fetoplazentaren Untersuchungsbefunde sind eher unauffällig. Meist kann daher eine Spontangeburt „zum Termin“ angestrebt werden.

Fehlerhafter Gefäßumbau

Die genauen pathogenetischen Mechanismen der Präeklamp­sie sind noch nicht abschließend geklärt. So unterscheiden viele Autoren eine „plazentare“ von einer „maternalen“ (bzw. „vaskulären“) Form. Allerdings herrscht Übereinstimmung, dass eine manifeste Präeklampsie im Allgemeinen mehr plazentaren als mütterlichen Ursprungs ist – zumal das Auftreten dieser Störung grundsätzlich an das Vorhandensein einer Plazenta gebunden ist.

Der plazentaren Form (meist mit Early-onset-Verlauf) liegt eine gestörte Trophoblasten-Invasion in die uterinen Spiralarterien zugrunde (s. Kasten „Teile und herrsche“). Hierbei wandern die Trophoblasten nur in beschränktem Umfang in die Gefäße im Bereich der Dezidua und des Myo­metriums des Uterus ein. Betroffen ist vor allem das Gefäßendothel. Folge ist ein unvollständiges Remodelling der mütterlichen Spiralarterien, auch die Pseudovaskulo­genese ist gestört. Die für eine adäquate fetale Sauerstoff- und Nährstoffversorgung erforderliche Weitstellung der Ge­fäße findet daher nicht oder nur eingeschränkt statt. Das Resultat ist eine plazentare Hypoxie oder Ischämie mit Gefahr für den Feten.

Teile und herrsche – die ersten Schritte nach der Befruchtung

Nach der Konzeption in der Ampulle des Eileiters lässt sich die intrauterine Entwicklung des Menschen grundsätzlich in zwei Hauptabschnitte unterteilen:

1. Embryogenese: Diese Phase lässt sich wiederum in zwei Abschnitte untergliedern:

a. präembryonale Phase (1. – 3. Schwangerschaftswoche post conceptionem): In diese Zeit fällt die Blastogenese, die Entwicklung der Zygote zur Blastozyste (s. u.).

b. Embryonalphase im engeren Sinn (4. – 8. SSW p.c.): In dieser Periode formen sich die embryonalen Organanlagen.

2. Die Fetogenese beginnt in der 9. SSW p.c. und endet mit der Geburt. Hier wachsen und differenzieren sich die Organe, die sich in der Embryonalphase gebildet haben (Organogenese).

Bereits während der Wanderung durch die Tube beginnt die Zygote mit Zellteilungen, bis sie etwa am vierten Tag nach der Befruchtung das sogenannte Maulbeerstadium erreicht. Die aus acht bis 16 Zellen bestehende Morula gelangt etwa am fünften Tag in den Uterus.

Durch Flüssigkeitsabsonderung nach innen entsteht aus der Morula die zunächst freie Blastozyste aus 32 bis 64 Zellen. Hierbei lassen sich zwei Zellbereiche unterscheiden:

  • der Embryoblast als innen gelegene Zellmasse, aus dem der Embryo hervorgeht,
  • der Trophoblast als äußere Zellschicht, welche die Blastozyste etwa am sechsten Tag post conceptionem mit der Uterusschleimhaut verbindet und später der Ernährung des Embryos dient.

Von zentraler Bedeutung ist hierbei die Interaktion zwischen dem Trophoblasten und dem mütterlichen Gefäßsystem. Mittels Enzymen weicht der Trophoblast die Uterusschleimhaut auf und nistet sich in die daraus entstehende Decidua graviditatis ein; nun entwickelt sich aus den Synzytiotrophoblasten der embryonale Anteil der Plazenta. Bald darauf (3. – 12. SSW p.c.) kommt es zu einer Invasion von extravillösen Trophoblasten in die uterinen Spiralarterien. Dieser Prozess führt zu einer Aufweitung der Spiralarterien durch ein mehrphasiges Remodelling ihrer Gefäßwände. Die damit verbundene Konversion von Epithel- in Endothelzellen in den Spiralarterien wird als Pseudovaskulogenese bezeichnet. Man geht aber davon aus, dass sich auch neue Gefäße bilden (Angiogenese). Als hämodynamische Folge dieser Veränderungen nimmt der Gefäßwiderstand ab.

Die Vaskularisierung der Plazenta ist eine der wichtigsten Voraussetzungen, um eine adäquate Sauerstoff- und Nährstoffversorgung des wachsenden Embryos bzw. Feten sicherzustellen.

Endothelschaden als entscheidender Faktor

Die Beobachtung, dass

  • die fehlerhafte Trophoblasten-Invasion hauptsächlich im ersten und frühen zweiten Trimenon stattfindet, aber
  • die mütterlichen Symptome wie Hypertonus und Proteinurie zumeist erst nach der 20. SSW auftreten,

führte in den letzten Jahren zu einer „Zwei-Phasen-Theorie“. Diese bezieht sich allerdings nicht nur auf die zeitliche Distanz, sondern auch auf die Ausbreitung der lokalen patho­logischen Prozesse in der Plazenta zu einer systemischen Erkrankung.

Als zentraler Faktor gilt hierbei die endotheliale Dysfunktion bzw. Endothelzellschädigung der maternalen Gefäße, mit der sich die renalen, kardiovaskulären und neurologischen Komplikationen erklären lassen. So findet sich bei Patientinnen mit Präeklampsie eine generalisierte Vasokonstriktion, weil etwa die Balance von Vasokonstriktoren wie Thromboxan A2 und Vasodilatatoren wie Prostacyclin verschoben ist.

Biochemische Marker

Zwei wichtige Regulatoren der plazentaren Gefäßentwicklung sind der „vascular endothelial growth factor“ (VEGF) und „placental growth factor“ (PLGF). Inzwischen weiß man, dass bei der Präeklampsie die Plazenta vermehrt die lösliche Form des VEGF-Rezeptors-1 in die mütterliche Zirkulation freisetzt. Dieser Rezeptor mit der Bezeichnung sFlt-1 „fängt“ die angiogenen Faktoren VGEF und PLGF, ohne jedoch ihre Signale weiterzuleiten – was einem antiangiogenen Effekt gleichkommt. Folgen sind eine Endothelschwellung sowie Mikrozirkulationsstörungen, beispielsweise in den glomerulären Kapillaren der Nieren. Auch die Erniedrigung der VEGF-Spiegel trägt zum arteriellen Hypertonus bei, weil der gefäßrelaxierende Effekt durch eine VEGF-vermittelte NO- und PGl2 -Expression reduziert ist.

Klinisch zeigt sich, dass erhöhte sFlt-1- und erniedrigte PLGF-Werte im Serum schwangerer Frauen signifikant mit der Manifestation einer Präeklampsie korrelieren. Beispielsweise kommt es bereits fünf Wochen vor den ersten Symptomen zu einem deutlichen Anstieg der sFlt-1-Expression. Während bei gesunden Schwangeren der Quotient aus antiangiogenem sFlt-1 und angiogenem PLGF niedrig ist, nimmt er bei Frauen mit Präeklampsie drastisch zu.

Vorgeschädigte Gefäße der Mutter

Bei der als „maternal“ oder „vaskulär“ bezeichneten Form der Präeklampsie vermutet man pathogenetisch ein primär geschädigtes mütterliches Gefäßsystem, das auf plazentare Faktoren nicht adäquat reagieren kann. Klinisch wird diese Störung eher spät manifest (Late-onset-Form). Betroffen sind häufig übergewichtige Frauen, vor allem wenn sie bereits vor der Schwangerschaft erhöhte Blutdruckwerte hatten.

In mehreren Untersuchungen zeigten Schwangere mit Präeklampsie einen signifikant erhöhten peripheren Gefäß­widerstand bei verminderter arterieller Compliance. Sonografisch ließ sich eine verdickte Intima-Media-Schicht der Arterien nachweisen, wie sie typischerweise auch bei Patienten mit kardiovaskulären Erkrankungen zu finden ist. In einer 2013 publizierten Studie wurde gezeigt, dass Frauen, die eine hypertensive Schwangerschaftserkrankung ent­wickeln, bereits vor der Schwangerschaft Zeichen einer erhöhten „arterial stiffness“ aufwiesen. Vermutlich haben manche Frauen eine Prädisposition zur Endotheldysfunk­tion, die dann in der Schwangerschaft durch die Plazenta getriggert wird. Da auch bei der Präeklampsie Entzündungsreaktionen des Gefäßendothels (z. B. proinflammatorische Zytokine) nachweisbar sind, scheinen die Präeklampsie und die Arteriosklerose einige Risikofaktoren gemeinsam zu haben, vor allem Adipositas, Diabetes mellitus und arterielle Hypertonie. Eine Übersicht aller Risikofaktoren der Prä­eklampsie zeigt Tabelle 2.

Tab. 2: Risikofaktoren für die Entwicklung einer Prä­eklampsie (nach Leitlinie „Diagnostik und Therapie hypertensiver Schwangerschaftserkrankungen“)
Anamnestische Risikofaktoren der Mutter
  • Antiphospholipid-Syndrom (Autoimmunerkrankung mit Antikörper gegen Phospholipid-Protein-Komplexe [z. B. Gerinnungsfaktoren, Rezeptorproteine auf Thrombozyten], dadurch Hyperkoagulabilität des Blutes mit Thromboseneigung)
  • frühere Präeklampsie (durchschnittliches Wieder­holungsrisiko 14 – 16%)
  • Body Mass Index > 30
  • vorbestehender Diabetes mellitus
  • familiäre Belastung
  • vorbestehende Nierenerkrankung
  • erstmalige Schwangerschaft
  • Alter über 40 Jahre
  • Ethnizität (höheres Risiko bei Afroamerikanerinnen)
  • chronische Hypertonie (im Zusammenwirken mit ­anderen Risikofaktoren)
Schwangerschaftsassoziierte Risikofaktoren
  • Mehrlingsschwangerschaft
  • In-vitro-Fertilisation
  • Gestationsdiabetes
  • Hydrops fetalis (Flüssigkeitsansammlung oder Ödem in mindestens zwei fetalen Kompartimenten oder präformierten Körperhöhlen, oft bei Herzfehlern oder Chromosomenaberrationen)
  • Blasenmole (blasenartige Umwandlung der Plazenta­zotten mit Einschmelzung des umgebenden Binde­gewebes durch überschießende Erweiterung der kleinen Plazentagefäße)
  • Chromosomenaberrationen wie Trisomien
  • pathologischer dopplersonografischer Befund: sog. bilaterales „notching“ bzw. erhöhter Pulsatilitäts-Index der Arteriae uterinae

Organstörungen als Vorboten einer Eklampsie

Die Leitsymptome der Präeklampsie, etwa Hypertonus (≥ 140/90 mmHg), Proteinurie und Ödeme, lassen sich größtenteils aus der endothelialen Dysfunktion erklären. Wenn zusätzlich mindestens ein weiteres Kriterium erfüllt wird, wird die Präeklampsie als schwer eingestuft:

  • arterieller Blutdruck ≥ 160/110 mmHg,
  • eingeschränkte Nierenfunktion (Creatinin ≥ 0,9 mg/dl oder Oligurie < 500 ml/24 h),
  • Leberbeteiligung (persistierende Oberbauchschmerzen, Anstieg der Aspartat-Aminotransferase [AST] und der Alanin-Aminotransferase [ALT]),
  • rasch zunehmende Ödeme, Lungenödem,
  • hämatologische Störungen (Thrombozyten < 100.000/µl, Hämolyse),
  • neurologische Symptome (starke Kopfschmerzen, Seh­störungen, Hyperreflexie, Verwirrtheit),
  • fetale Wachstumsrestriktion (fetales Schätzgewicht < 5. Perzentile und/oder pathologischer doppler­sonografischer Befund der Arteria umbilicalis).

Das Ausmaß der Proteinurie gilt heute nicht mehr als Kriterium für die Definition einer schweren Präeklampsie.

Ein generalisierter Krampfanfall in der zweiten Hälfte der Schwangerschaft bei Frauen ohne Epilepsie (Anamnese!) muss primär als eklamptischer Anfall gewertet werden. Zu beachten ist, dass hierbei weder eine Hypertonie noch eine Proteinurie vorliegen muss. Kopfschmerzen, Augenflimmern, Doppeltsehen oder auch Wesensveränderungen sind Warnhinweise für eine drohende Eklampsie.

Weiterhin sollte bei jedem unklaren, vor allem hartnäckigen Oberbauchschmerz (Leberbeteiligung!) an ein mögliches HELLP-Syndrom gedacht werden.

Intrauterine Wachstumsretardierung (IUGR)

Der Fetus einer präeklamptischen Mutter wird in seinem Wachstum beeinträchtigt. International spricht man von „intrauterine growth restriction“ (IUGR), wobei die Definition der „Untergrenze“ nicht einheitlich ist. Das American College of Obstetricians and Gynecologists (ACOG) sieht das geringe Gewicht des Fetus als wichtiges Kriterium an: Unterschreiten der 10. Perzentile bei gleichaltrigen Feten. Pathologische dopplersonografische Befunde des Fetus müssen noch hinzukommen; andernfalls handelt es sich um SGA-Feten („small for gestational age“), deren geringes Wachstum konstitutionell bedingt ist.

Die intrauterine Wachstumsretardierung ist für etwa ein Viertel aller Totgeburten verantwortlich. Auch nach einer erfolgreichen Geburt ist das Letalitätsrisiko der betroffenen Kinder erhöht. Es können Schäden am ZNS auftreten, die im weiteren Verlauf zu neurologischen Defiziten und einer verzögerten Sprachentwicklung führen. Ebenso kann eine IUGR auch das Risiko für spätere kardiovaskuläre Erkrankungen und Diabetes mellitus erhöhen.

Risikoabschätzung möglich

Zur Früherkennung der Präeklampsie gibt es nach wie vor keine allgemein aussagekräftige Methode. Allerdings kann das Risiko abgeschätzt werden – relevante Faktoren sind die Anamnese der Schwangeren, ihr Blutdruck, biochemische Marker wie der oben genannte sFlt-1/PLGF-Quotient sowie dopplersonografische Befunde der Arteriae uterinae. Im zweiten Trimenon gilt ein bestimmtes pathologisches Flussmuster als bester Marker, um eine Präeklampsie vorherzusagen: die sogenannte postsystolische Inzisur („notching“) und ein erhöhter Pulsatilitäts-Index. Besonders hoch ist der Vorhersagewert der Methode für eine schwere Prä­eklampsie vor der 34. Schwangerschaftswoche.

Prävention mit ASS

Zur Prävention empfiehlt die Leitlinie „Diagnostik und Therapie hypertensiver Schwangerschaftserkrankungen“ Frauen mit Risikofaktoren (z. B. schwere Präeklampsie in der Anamnese), spätestens ab der 16. Schwangerschaftswoche Acetylsalicylsäure in einer Tagesdosis zwischen 75 und 150 mg einzunehmen. Man geht davon aus, dass die Substanz aufgrund ihrer hämodynamischen Wirkung dem reduzierten plazentaren Fluss und damit auch der fetalen Wachstumsretardierung entgegenwirkt. Es wurde mehrfach beobachtet, dass die Inzidenz der Präeklampsie um mehr als die Hälfte zurückging, wenn vor der 16. SSW mit der ASS-Einnahme begonnen wurde, während sich bei Präventionsbeginn nach der 19. SSW nur noch marginale Effekte ergaben.

Eine systematische Übersicht von 2014 aus den USA bestätigte, dass die Einnahme von ASS bei Frauen mit hohem Risiko nicht nur das Risiko einer Präeklampsie senkte, sondern auch die Häufigkeit intrauteriner Wachstumsstörungen und die Zahl der Frühgeburten. Hierbei verringert die Prävention das Präeklampsierisiko zwar vor der 37. SSW, nicht jedoch in Nähe des Geburtstermins. In Deutschland hat sich inzwischen eine ASS-Dosierung von 100 mg/Tag bis zur 34. SSW etabliert. Eine generelle ASS-Prophylaxe für alle Schwangeren ist laut Leitlinie jedoch nicht indiziert.

α-Methyldopa zur länger­fristigen Gabe

Die moderate Gestationshypertonie kann erst einmal ambulant betreut werden, eine entsprechende Compliance der schwangeren Frau vorausgesetzt (z. B. häusliches Blutdruckprotokoll). Obligat sind eine körperliche Schonung sowie die regelmäßige Kontrolle von Blutdruck, Körpergewicht, Eiweiß­ausscheidung, fetalem Zustand und Fruchtwassermenge.

Tab. 3: Indikationen zur Klinikeinweisung einer ambulant betreuten Schwangeren mit Gestationshypertonie.
  • Hypertonie ≥ 150 mmHg systolisch bzw. ≥ 100 mmHg diastolisch,

  • Präeklampsie mit Proteinurie und Gewichtszunahme im 3. Trimenon (≥ 1 kg/Woche)

  • drohende Eklampsie (Prodromalsymptome: Oberbauchschmerzen, Übelkeit, Erbrechen; ZNS-Symptome: Augen­flimmern, persistierende Kopfschmerzen, Hyperreflexie)

  • klinischer Verdacht auf HELLP-Syndrom, vor allem bei persistierenden Oberbauchschmerzen

  • Hinweise für fetale Bedrohung:
- suspektes/pathologisches Kardiotokogramm (CTG) oder
- suspekter/pathologischer dopplersonografischer Befund
- Zeichen einer intrauterinen Wachstumsrestriktion

  • zwar milde Hypertonie oder Proteinurie, jedoch zusätz­liche Risikofaktoren wie
- vorbestehende mütterliche Erkrankungen (z. B. Diabetes mellitus)
- Mehrlingsgravidität
- frühes Gestationsalter (< 34. SSW)
- An- oder Oligohydramnion (fehlende oder zu geringe Fruchtwassermenge)
- pathologischer sFlt-1/PLGF-Quotient

Bei Progression bzw. bestimmten Konstellationen (s. Tab. 3) sollte die Schwangere in die Klinik überwiesen werden. Nur dort sollte – falls indiziert – eine medikamentöse Therapie eingeleitet werden, weil hierzu eine stationäre Beobachtung unter kontrollierten Bedingungen (mehrmals tägliche Kardiotokogramme des Feten) erforderlich ist. Spätestens bei Blutdruckwerten über 160/110 mmHg sollte eine orale antihypertensive Therapie begonnen werden, wobei die Ziel­werte systolisch unter 150 mmHg und diastolisch zwischen 80 und 100 mmHg liegen sollten. Die derzeitige Leitlinie unterscheidet folgende Substanzen:

  • α-Methyldopa gilt in einer Dosierung von maximal 2 g pro Tag als Mittel der ersten Wahl.
  • Nifedipin retard (bis 120 mg/Tag) oder selektive β1 -Rezeptorenblocker wie Metoprolol (bis 200 mg/Tag) sind eingeschränkt geeignet. Betablocker können mit einem erhöhten fetalen Risiko einhergehen.
  • Als nicht geeignet (wegen möglicher fetaler Gefährdung) gelten Diuretika (Verminderung der uteroplazentaren Perfusion), ACE-Hemmer und AT1 -Antagonisten (Oligo­hydramnion, akutes Nierenversagen).
  • Wegen ausgeprägter Nebenwirkungen bei der Mutter (z. B. Kopfschmerzen, Reflextachykardie) wird auch Dihydralazin nicht zur längerfristigen Applikation empfohlen.

Bei Verdacht auf eine drohende Eklampsie wird der Schwangeren zusätzlich Magnesium i.v. verabreicht.

Nach erfolgreichen Pilotstudien in den USA und in Deutschland könnte sich eine alternative Therapieoption etablieren: Durch eine zweistündige Apheresebehandlung gelang es, die mütterliche sFlt-1-Konzentration um 25 bis 30 Prozent zu senken. Durch wiederholte Prozeduren war es möglich, die nach der Apherese immer wieder ansteigenden sFlt-1-Spiegel im physiologischen Bereich zu halten. Als Benefit zeigte sich eine rasche und deutliche Abnahme der Proteinurie mit nachfolgender Stabilisierung der Schwangerschaft.

Notfalltherapie: antihypertensiv und antikonvulsiv

Gelingt es mit oralen Antihypertensiva nicht, den Blutdruck adäquat einzustellen, wird die hypertensive Schwangerschaftserkrankung als schwer eingestuft. Vor allem beim hypertensiven Notfall (länger als 15 Minuten Werte über 160/110 mmHg) drohen Organschäden bei der Mutter, etwa eine hypertensive Enzephalopathie mit Sehstörungen, Schwindel, starken Kopfschmerzen, Bewusstseinstrübung und neurologischen Ausfällen. Zur Akuttherapie werden in Deutschland in der Regel folgende Substanzen eingesetzt:

  • Nifedipin initial 5 mg oral, bei Bedarf nach 20 Minuten wiederholen.
  • Urapidil initial 6,25 mg langsam i.v. (2 min), anschließend 3 – 24 mg/h über Perfusor.
  • Dihydralazin initial 5 mg langsam i.v. (2 min), anschließend 2 – 20 mg/h über Perfusor; alternativ 5 mg i.v. alle 20 min. Hierbei kommt es signifikant häufiger zu Nebenwirkungen als bei Urapidil und Nifedipin.

Tritt außerdem eine Herzinsuffizienz oder ein Lungenödem auf, sollten der Patientin zusätzlich 10 bis 20 mg Furosemid injiziert werden (bei Bedarf mit erhöhter Dosis wiederholen), flankiert durch 500 ml Volumengabe.

Sind antikonvulsive Maßnahmen erforderlich, ist die intravenöse Gabe von Magnesiumsulfat die Therapie der Wahl. Begonnen wird mit einer Initialdosis von 4 – 6 g, appliziert in verdünnter Form über 15 – 20 min mittels Perfusor oder Kurzinfusion. Die Erhaltungsdosis beträgt 1 g pro Stunde.

Wann sofort entbinden?

Letztendlich stellt bei der Präeklampsie bzw. drohender Progression die Entbindung die einzige kausale Therapie dar. Je nach Konstellation hat entweder die mütterliche oder die kindliche Indikation mehr Gewicht:

  • Ab der vollendeten 34. bis 37. Schwangerschaftswoche sollte jede Patientin mit schwerer Präeklampsie oder HELLP-Syndrom möglichst rasch entbunden werden. Bei einem milden Verlauf wird die Geburt hinausgezögert, aber auch „späte Frühgeburten“ weisen eine bis zu 5,5-fach höhere Mortalität auf als reife Kinder.
  • Bei Präeklampsie oder HELLP-Syndrom ab der vollendeten 24. bis 34. SSW sollte die Schwangere kontinuierlich in einem Perinatalzentrum überwacht werden. Je nach der Risikoeinschätzung ist ein abwartendes Verhalten gerechtfertigt oder eine Entbindung indiziert. Eine fetale Indikation zur Entbindung wäre eine schwere Wachstumsrestriktion unterhalb der 5. Perzentile mit hochpathologischen dopplersonografischen Befunden. Für eine Beendigung der Schwangerschaft aus mütterlicher Indikation sprechen beispielsweise eine therapierefraktäre Hypertonie oder Niereninsuffizienz, eine kardiale Dekompensation (ggf. mit akutem Lungenödem), plötzliche zentral­nervöse Symptome und/oder ein eklamptischer Anfall oder eine disseminierte intravasale Gerinnung. |

Literatur

[1] Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG). S1-Leitlinie: Diagnostik und Therapie hypertensiver Schwangerschaftserkrankungen. AWMF-Register-Nr. 015/018. Stand 12/2013

[2] Dadak C, Mörtl M. Präeklampsie. ÖÄZ 2010;6:31-37

[3] Beinder E. Vorgehen bei Präeklampsie – Pathogenese, Screening, Prävention, Früherkennung. Gynäkologie 2006;11(5):18-22

[4] Weber M, Stepan H. Etablierung angiogener Faktoren in der Diagnostik und Prognoseabschätzung der Präeklampsie. Gyn 2015;20:266-268

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[6] Lachmann R, Schlembach D. Präeklampsiescreening. Frauenarzt 2013;54(4):326-331

[7] Speer R, Dudenhausen JW. Diagnostik und Management bei intra­uteriner Wachstumsrestriktion. Frauenarzt 2009;50(9):760-768

[8] Stepan H, Benzing T. Neue Therapieoption für Präeklampsie durch extrakorporale sFlt-1-Apherese. Frauenarzt 2013;54(7):656-657

[9] Rath W, Fischer T. Diagnostik und Therapie hypertensiver Schwanger­schaftserkrankungen. Dtsch Arztebl Int 2009;106(45):733-738

Autor

Clemens Bilharz ist Facharzt für Anästhesie und Intensivmedizin und zusätzlich als wissenschaftlicher Fachzeitschriftenredakteur ausgebildet. Er ist als Autor und Berater für Fachverlage und Agenturen tätig.

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