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Management

Grundkurs Apothekenmarketing

Teil 11: Standortpolitik

Bekanntlich sind drei Dinge für den Erfolg im Einzelhandel und somit auch für die öffentlichen Apotheken wichtig: erstens Standort, zweitens Standort und drittens nochmals Standort. Standortentscheidungen haben langfristigen Charakter. Sie umfassen nicht nur Standorteröffnungen und möglicherweise Standortverlagerungen, sondern vor allem aber Standortoptimierungen. Die Standortbedingungen müssen daher permanent überprüft werden.

Die Standortpolitik befasst sich mit der Beurteilung sowie Festlegung der geografischen Lage der Apotheke bzw. der Filialapotheken, der Bestimmung und Analyse von Veränderungen im Einzugsbereich sowie allen Maßnahmen zur Sicherung und möglichst Erhöhung der Attraktivität der Standortqualität.

Bei Neugründungen steht bei der Bestimmung des Standortes naturgemäß das Kunden- und Patientenpotenzial im Vordergrund. Existierende Apotheken müssen permanent die Standortfaktoren überprüfen und Möglichkeiten und Wege finden, um die Qualität des Standortes zu sichern und zu verbessern.

Die Beurteilung des Apotheken-Standortes gliedert sich zweckmäßigerweise in die folgenden zwei Phasen. Dies sind:

1. Phase: Betrachtung des Makro­standortes, um das Umsatz- bzw. Verschreibungspotenzial im Einzugsgebiet der Apotheke zu ermitteln.

2. Phase: Betrachtung des Mikro­standortes, um die Attraktivität der Apotheke im direkten Umfeld und damit die Ausschöpfung des Potenzials optimal zu gestalten.

Es gibt eine Vielzahl von sinnvollen Typisierungen der Apotheken-Standorte. Hinsichtlich der Gewichtung der verschiedenen Standortfaktoren wird nun die ­folgende vereinfachende Standort-Typisierung vorgenommen:

1. Innenstadtlagen mit hoher Passantenfrequenz

2. „String-Locations“, eine Aneinanderreihung von Geschäften an Hauptstraßen

3. Lagen in einem sekundären Geschäftsgebiet mit eher niedriger Passantenfrequenz

4. Lagen im Wohngebiet

5. Standorte in Vororten und dörflichen Regionen

sowie als Sonderlagen

6. Ärztehaus-Apotheken und

7. Lagen im Einkaufszentrum

Erste Phase: Makrostandort

Im Rahmen der Analyse des Makrostandortes wird zunächst das Einzugsgebiet oder die Reichweite des Apotheken-Standortes bestimmt. Dies wird durch die Punkte definiert, von denen die zeitliche Entfernung zu den benachbarten Apotheken gleich ist. Hierzu können das Kreis-Distanz-Verfahren oder das aufwendigere Zeit-­Distanz-Verfahren angewandt werden. Zusätzlich muss bei der Ermittlung des Einzugs­gebietes berücksichtigt werden, dass große und attraktive Apo­theken in der Nachbarschaft womöglich eine größere Reichweite haben und ­daher das eigene Einzugsgebiet einengen.

Diese so definierte Zone ist das primäre Einzugsgebiet. Hier ist der Großteil – zwischen 50% und 80% der Kunden – lokalisiert (Quelle: Hanna Schramm-Klein, Standortpolitik im Handel, in: Handbuch Handel 2. Aufl., S. 496). Das sekundäre Einzugsgebiet umfasst mit 15% bis 25% der Kunden eine Überschneidungszone mit den anderen Apotheken. Im tertiären Einzugsgebiet befinden sich die restlichen Kunden, welche die Apotheke gelegentlich als Alter­native aufsuchen.

Das tatsächliche Einzugsgebiet kann sehr einfach mit dem sogenannten Customer-Spotting-Verfahren überprüft werden. Dabei kennzeichnet man anhand von ­Rezepten die Wohnorte der Patienten auf einer Karte.

Das Umsatzpotenzial für den Non-Rx-Bereich ergibt sich aufgrund der Bevölkerung im Einzugsgebiet. Bei der Ermittlung der Anzahl der Personen sind die Ein- und Auspendler zu berücksichtigen. Sie spielen insbesondere für Innenstadtlagen, für „String-Locations“ sowie für Standorte in Vororten und dörflichen Regionen eine große Rolle. Daher muss die Abflussquote subtrahiert und die Zuflussquote addiert werden. Zur Berechnung des apothekenrelevanten Umsatzpotenzials wird die Personenzahl mit den Pro-Kopf-Ausgaben für OTC-Arzneimittel und Freiwahlprodukte multipliziert. Dieser Betrag muss mit der regionalen Kaufkraft-Kennziffer korrigiert werden. Entsprechende Zahlen sind bei den statistischen Landesämtern, dem statistischen Bundesamt sowie selbstverständlich bei der ABDA erhältlich.

Zur Berechnung des viel interessanteren Verschreibungspotenzials kann man vereinfacht ähnlich vorgehen. Es ergibt sich theoretisch durch Multiplikation der ­Einwohner mit den Pro-Kopf-­Packungszahlen verschreibungspflichtiger Arzneimittel.

Genauer und aufschlussreicher ist es, wenn alle relevanten Ärzte einzeln aufgelistet werden. Die pro Arzt verschriebenen Packungszahlen werden nun entsprechend der Lage im Einzugsgebiet anteilig der eigenen Apotheke zugerechnet. Alle erforderlichen Zahlen zum Verschreibungsvolumen werden von spezialisierten Marktforschungs-Institutionen wie Insight Health oder IMS Health ermittelt.

Damit ist das Umsatz- und Packungspotenzial auf Makroebene bestimmt. Dies sind immer nur mögliche erreichbare Werte, die auf Mikroebene ausgeschöpft und in Umsätze bzw. abgegebene Packungen umgemünzt werden müssen.

City-Standorte und „String-Locations“ leben vor allem von der Frequenz und damit von Einpendlern außerhalb des nach obigen Überlegungen umrissenen Einzugsgebietes. Außerdem befinden sich an diesen Standorten üblicherweise mehrere Wettbewerbsapotheken in enger Nachbarschaft. Daher sind für diese Apotheken sowohl die attraktive Außendarstellung als auch die Profilierung von größter Bedeutung.

Zweite Phase: Mikrostandort

„All business is local“ – dies trifft vor allem für Apotheken zu. Die Ausschöpfung des Umsatz- und Verschreibungspotenzials entscheidet sich vor Ort am Mikro­standort. In diesem Sinne müssen die folgenden Standortfaktoren genau geprüft und – soweit möglich – zum Vorteil der eigenen Apotheke gestaltet werden.

Verkehrssituation und Erreichbarkeit: Es muss gewährleistet sein, dass die Apotheke sowohl zu Fuß als auch mit dem Auto und mit öffentlichen Verkehrsmitteln gut erreichbar ist. Hierzu gehören u. a. ein Fußgängerübergang, eine Haltestelle von Straßenbahn, Bus oder U-Bahn sowie ein Parkplatz. Außerdem ist abzuklären, ob Pläne für eine Änderung der Verkehrsführung bestehen. Wenn der Kunde die Wahl zwischen zwei Apotheken am gleichen Standort hat, wird er im Zweifel die für ihn bequemer erreichbare wählen – und wenn es sich nur um einige Meter zu Fuß vom Parkplatz oder von der Haltestelle zur Apotheke handelt. Am Mikrostandort kann der Erfolg durch Kleinigkeiten herbeigeführt oder aber auch durch Frequenzbarrieren verhindert werden.

Sichtbarkeit und Aufmerksamkeit: Die Apotheke sollte möglichst von Weitem sichtbar sein und den Passanten ins Auge fallen. Empfehlenswert ist es, sich in die Person eines unbeteiligten Dritten zu versetzen und sich als Fußgänger, als Benutzer öffentlicher Verkehrsmittel oder als Autofahrer der Apotheke zu nähern. Hierbei sollte ­darauf geachtet werden, wann die Apotheke in welcher Weise in Erscheinung tritt. Eine gut gemachte Apothekenwerbung kombiniert mit einer gezielten Außenwerbung in Form von Werbetransparenten oder Hinweisschildern können die Präsenz und Attraktivität der Apotheke und damit die Kundenfrequenz verbessern.

Passantenfrequenz: Arzneimittel sind Versorgungsgüter, keine „Shopping Goods“. Sie werden gezielt besorgt, weil sie benötigt und nicht weil sie während eines Einkaufsbummels entdeckt werden. Daher brauchen Apotheken in ihrer Nachbarschaft Frequenzbringer, möglichst öffentliche ­Ämter, Cafés oder Restaurants, die von vielen Menschen aufgesucht werden, bzw. Supermärkte oder Discounter mit Produkten des täglichen Bedarfs.

Erscheinungsbild: Die Apotheke muss nicht nur gut sichtbar, sondern vor allem einladend sein. Hierüber entscheiden Fassade, Schaufenster und der Eingangs­bereich. Sie sind die Visitenkarte der Apotheke und sollten entsprechend gepflegt sein. Im Umfeld des benachbarten Einzelhandels sollte sich die Apotheke positiv ­abheben. Hierbei spielt die Beleuchtung eine große Rolle.

Es sind viele Faktoren, die am ­Mikrostandort stimmen müssen, die wichtigsten sind in der Tabelle „Faktoren, die die Qualität des ­Mikrostandorts bestimmen“ zusammengefasst.

Faktoren, die die Qualität des ­Mikrostandorts bestimmen
Verkehrssituation und Erreichbarkeit
Sichtbarkeit und Aufmerksamkeit
Passantenfrequenz
Erscheinungsbild
Zufahrten
Parkplatz
Haltestelle(n)
Fußgängerüberwege
Ampel
Verkehrsplanungen
Hinweisschilder
Werbetafeln
Apothekenwerbung
Supermarkt
Discounter
Restaurant
Café
Post
Fassade
Schaufenster
Eingangsbereich
Beleuchtung
Einzelhandelsniveau

Standortqualität sichern und steigern

Die Standortfaktoren im Makro­umfeld und auch im Mikroumfeld können sich ändern. Daher sollte man sich rechtzeitig bei den entsprechenden Ämtern informieren und frühzeitig reagieren. Die Standortpolitik läuft auf ein Standortmanagement hinaus, welches auch die ständige Anpassung der Apotheke an die sich verändernden Gegebenheiten des Umfeldes sicherstellt. Standortmanagement umfasst im Einzelhandel die in der Grafik und im Kasten „Standortmanagement für Apotheken“ aufgeführten Aufgabenbereiche Rollout, Refascia, Refurbishment, Remerchandising und Relocation. Diese sind durchaus auch für Apotheken aktuell.

Standortmanagement für Apotheken

Quelle: Benatzky/Institut für Gesundheitswirtschaft

Rollout: Eröffnung der Apotheke

Refascia: Notwendige Veränderungen des äußeren Erscheinungsbildes

Refurbishment: Modernisierung der Apothekeneinrichtung

Remerchandising: Anpassung an die geänderte Nachfrage im Umfeld der Apotheke durch Veränderung von Sicht- und Freiwahl sowie Apothekendienstleistungen

Relocation: Verlagerung von Standorten, die an Attraktivität verloren haben

Standortmanagement ist eine wichtige und vor allem permanente Aufgabe, die in weitere Bereiche des Marketingmix eingreift. Wir werden uns in der nächsten Folge mit der Leistungspolitik der Apotheke befassen, nämlich der Sortiments- und Dienstleistungsgestaltung. |

Prof. Dr. Dieter Benatzky

Prof. Dr. Dieter Benatzky ist Leiter des Instituts für Gesundheitswirtschaft in Bad Endorf und emeritierter Professor für Marketing an der FH Rosenheim

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