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Grundkurs Apothekenmarketing

Teil 1: Grundlagen des Marketings

Marketing für Apotheken? Das geht gar nicht! Diese Meinung war noch vor nicht allzu langer Zeit weit verbreitet. Inzwischen gehört Marketing zum unverzichtbaren Teil des Apothekenmanagements – und hierfür gibt es triftige Gründe.

Im Wettbewerb mit anderen öffent­lichen Apotheken und den Versandapotheken muss die eigene Apotheke für die Kunden möglichst attraktiv sein. Der wachsende wirtschaftliche Druck erfordert steigende Packungszahlen bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln und ebenso Zusatzumsätze im nicht verschreibungspflichtigen Bereich. Außerdem spielt auch die Compliance des Patienten eine Rolle, die immer dann erhöht wird, wenn er die kompetente Zuwendung in der Apotheke erfährt.

Marketing ist nicht nur Werbung oder aggressives Anbieten von apothekenüblichen Produkten. Mit Marketing stellen wir uns auf unsere Kunden bzw. Patienten ein, und zwar von Grund auf. Nun aber der Reihe nach.

Der Apothekenmarkt mit ­untypischen Konstellationen

Welchen Markt bedienen Apotheken? Das ist immer die Grundüberlegung des Marketings. Märkte entstehen dort, wo Nachfrage und Angebot zusammentreffen. Sie ­bilden ein „Austauschsystem“, ­welches den Austausch von Informationen sowie von Leistung und Gegenleistung umfasst. Hierbei geht man davon aus, dass beide Seiten – Anbieter und Nachfrager – frei entscheiden können.

Nicht so beim Apothekenmarkt. Die Nachfrager sind vor allem Patienten, die lediglich die Apotheke frei wählen können. Zumindest im verschreibungspflichtigen Bereich schreibt ihnen den „Einkaufszettel“, also das Rezept, ein anderer – der Arzt. Schließlich ist wiederum eine andere Stelle für die Zahlung verantwortlich, nämlich die Krankenkasse. Sie ist an möglichst geringen Arzneimittelausgaben interessiert. Daher tut sie alles, um auf niedrige Arzneimittelpreise hinzuwirken. Das Resultat sind u. a. die Importquote und die Rabattverträge. Dies führt dazu, dass die Apotheken oftmals nur die Arzneimittel nach Maßgabe solcher Verein­barungen abgeben dürfen.

Die Apotheken haben also nicht nur die Patienten als Kunden, ­sondern zwei weitere Partner in ihrem relevanten Markt: die Ärzte und die Krankenkassen. Allerdings sind die Patienten zunächst die wichtigsten Marktpartner. Sie haben die freie Apothekenwahl – und sie wollen schließlich auch ­gesund werden.

Nachgefragt

Was bedeutet für Sie Apotheken-Marketing?

Foto: privat

Peter Schöning

Apotheker Peter Schöning, Adler-Apotheke in Rheine: „Apothekenmarketing ist m.E. dann gut, wenn es personalisiert ist, damit die Kunden das persönliche Engagement des gesamten Teams sehen. Es bedeutet, dass mein Team und ich nicht nur kompetent beraten, sondern uns auch um jede Fragestellung und alle Probleme intensiv kümmern. Dabei ist größte Freundlichkeit selbstverständlich. Optimale Verfügbarkeit der Arzneimittel, eine umfangreiche Sichtwahl sowie ein attraktives Freiwahlsortiment verstehen sich von selber.“






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Thomas Riedrich

Apotheker Thomas Riedrich, Optymed-Apotheke an der Alten Spinnerei in Kolbermoor: „Apothekenmarketing? Ja klar! Für uns heißt dies vor allem permanente Innovationen zur Verbesserung des Kundenservice. Deshalb setzen wir beispielsweise 24-h-Abholautomaten ein und haben für unsere Kunden die Vorbestell-App ‚callmyApo‘ entwickelt. Wir bieten callmyApo als App vom Apotheker für Apotheker bundesweit auch Kollegen an und wurden dafür 2014 mit dem deutschen Apothekenpreis ausgezeichnet.“



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Christian Flössner

Christian Flössner, Saxonia Internationale Apotheke in Dresden: „Apothekenmarketing bedeutet für mich zunächst die richtige Standortwahl. Weiter haben wir auf eine äußerst attraktive Gestaltung der Offizin geachtet, weil unsere Kunden dies sehr schätzen. Übrigens darf man nicht vergessen, dass Apothekenmarketing bereits beim Einkauf beginnt. Nur so können wir wettbewerbsfähige Preise bieten.“

Marketing – vom Produkt zum Nutzen

Nachfrage entsteht immer dann, wenn ein Bedürfnis zugrunde liegt. Die Kunden kommen als ­Gesunde, als Patienten oder als Genesende in die Apotheke. Sie wollen gesund bleiben, Heilung oder Linderung ihrer Krankheit erfahren. Gesundheit, das ist das Bedürfnis der Apothekenkundschaft. Aber bei jedem sieht Gesundheit anders aus. Die individuellen Motivationen und Facetten sind unterschiedlich. Da ist der berufstätige Familienvater, der unter keinen Umständen krank werden möchte. Oder die alleinstehende Diabetikerin, die auf Dauermedikation angewiesen ist. Da ist die Mutter, welche für ihr epileptisches Kind neue Medizin holt. Krankheit und Gesundheit sind mit Hoffnung und Angst, mit Befürchtungen und Zuversicht verbunden. Das Bedürfnis „Gesundheit“ hat bei ­jedem dieser Menschen einen ­anderen Hintergrund. Dabei ­spielen die emotionalen Aspekte eine ­unterschiedlich starke, aber ­immer wesentliche Rolle.

Das Bedürfnis „Gesundheit“ wird daher bloß dann befriedigt, wenn der Apotheker nicht nur das Arzneimittel aushändigt, sondern auch die Beziehungsebene anspricht. Dies geschieht durch ­Gesten und Worte. Hierzu gehört auch, dass dem Patienten alle zusätzlichen Mittel und Dienstleistungen empfohlen werden, die ihm in seiner Situation weiterhelfen. Der Patient erfährt auf diese Weise einen Nutzen. Es handelt sich um einen regelrechten Prozess, der die Apotheke einzigartig macht. Je besser und stärker dieser Nutzen vom Kunden wahrgenommen wird, um so eher wird er diese Apotheke wieder besuchen und weiterempfehlen.

Eine Apotheke ist also überhaupt nicht entsprechend der griechischen Übersetzung der „Raum zum Aufbewahren von Arzneimitteln“ und auch nicht nur der Ort zur Herstellung und zur Abgabe von Arzneimitteln. Die Apotheke ist der Ort, wo die unterschiedlichen Kundenbedürfnisse nach Gesundheit durch individuelle pharmazeutische Leistungsbündel befriedigt werden und die Patienten bzw. Kunden einen möglichst hohen Nutzen für die Heilung ihrer Krankheit bzw. die Erhaltung ihrer Gesundheit erwarten können.

Diese Funktion gibt den Apotheken eine einzigartige Positionierung und eine Alleinstellung, welche sie von allen Wettbewerbern und Arzneimittelvertriebswegen abhebt. Damit sind die Apotheken in der therapeutischen Wertschöpfungskette neben den Kliniken und Arztpraxen ein ­unverzichtbarer Partner. Die Aufgabe des Apothekenmarketings besteht darin, diese Wertschöpfung zu erhöhen und damit die Kundenbedürfnisse besser und wirtschaftlicher zufriedenzu­stellen als der Wettbewerb.

Die Merkmale des Marketings

Der Schlüssel zum Marketing ist also die Orientierung an den ­Kundenwünschen. Dazu muss man die Kunden befragen. Hierfür werden Methoden der Marktforschung eingesetzt. Marktforschung muss systematisch und methodisch einwandfrei erfolgen, um Fehlinterpretationen der Kundenwünsche zu vermeiden. Die Apotheke sollte das nachfragerelevante Verhalten ihrer vorhandenen und potenziellen Kunden kennen, um sich darauf einzu­stellen. Auf die Möglichkeiten der Apothekenmarktforschung werden wir in einem späteren Beitrag an dieser Stelle eingehen.

Die Idealvorstellung des Marketings besteht darin, jeden Einzelnen so individuell wie möglich zu bedienen, um eine hohe Zufriedenheit der Kunden bzw. ­Patienten zu erreichen. Schlüssel hierfür ist die persönliche Kommunikation, welche ja – wie wir gesehen haben – Teil des Leistungspaketes der Apotheke ist.

Marketing schaut auch in die Zukunft, um die Apotheke rechtzeitig auf mögliche Veränderungen des Apothekenumfeldes oder des Kundenverhaltens vorzubereiten. Viele Maßnahmen wie der Umbau der Offizin, eine mögliche Veränderung des Standortes oder aber das Angebot neuer Dienstleistungen brauchen einen längeren Vorlauf. Sie müssen auf Grundlage valider Fakten rechtzeitig geplant werden.

Die Lebens- und Kaufgewohnheiten der Konsumenten ändern sich und damit auch die Erwartungen an die Apotheke. Die Apotheke ist und bleibt eine Institution mit einem zu Recht hohen ethischen Anspruch und dem Alleinstellungsmerkmal der pharmazeutischen Kompetenz. Alle Leistungen, welche hiermit verbunden sind – Information, Beratung, Service – können und sollen den Erwartungen der Kunden entsprechend immer wieder dem neuesten wissenschaftlichen und technischen Standard angepasst werden. Aktuell besteht in öffentlichen Apotheken ein großer Nachholbedarf bei der Digitalisierung. Hier ist Raum und Bedarf für Innovationen. Die Innovations-Orientierung ist ein wesentliches Merkmal des Marketings. Damit bleibt die Apotheke aktuell und attraktiv und kann sich gegenüber den Wettbewerbern profilieren.

Mit welchen Instrumenten sich die Apotheke erfolgreich auf ihre Kunden einstellen kann, erfahren Sie in einer der nächsten Ausgaben der Apotheker Zeitung. Sie dürfen gespannt sein. |

Prof. Dr. Dieter Benatzky


Prof. Dr. Dieter Benatzky ist Leiter des Instituts für Gesundheitswirtschaft in Bad Endorf und emeritierter Professor für Marketing an der FH Rosenheim

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