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Kalinichta, Pharmakio!

Zu Besuch in Athener Apotheken / Gespräch mit dem Apothekerpräsidenten Kostas Lourantos

καληνύχτα φαρμακείο – Gute Nacht, Apotheke! Die Apotheken Griechenlands leiden unter der Krise. Verspätete Zahlungen der Kassen, Umsatzeinbrüche, Lieferengpässe. Und morgen vielleicht OTCs im Supermarkt und Apothekenketten? Ich habe vor Ort recherchiert. Ich besuchte Apotheken in Athen und sprach mit der griechischen Apothekerin Mania Alexiou. Ihre Stimmung ist auf dem Tiefpunkt. In einem DAZ-Exklusiv-Interview kündigte der Präsident des griechischen Apothekerverbands, Kostas Lourantos, an, mit aller Macht gegen Apothekenketten kämpfen zu wollen. Ob es eine griechische Tragödie wird? Meine Reportage zeigt, wo Griechenlands Apotheken heute stehen, wie sie mit der Lage umgehen, was kommen kann. | Von Peter Ditzel

Es ist heiß in Athen, ungewöhnlich heiß. 40 Grad Celsius sind auch für griechische Verhältnisse viel. Mein erster Rundgang in der Innenstadt von Athen ist schweißtreibend. Der Verkehr ist dicht, eine Unmenge an gelben Taxis, dazwischen Motorräder – die Athener scheinen diese Maschinen zu lieben. Kein Wunder, mit dem Motorrad kommt man am schnellsten voran. Unwillkürlich fällt einem da der griechische Ex-Finanzminister Janis Varoufakis ein.

Ich gehe zum Syntagma-Platz mit dem mächtigen Parlamentsgebäude, das man in den letzten Monaten nahezu täglich in den Nachrichten sieht. Zahlreiche Touristen stehen davor, viele aus asiatischen Ländern (Mädchen mit Sonnenschirmchen), und knipsen, was die Speicherkarten fassen – man muss aufpassen, dass man nicht von Selfysticks aufgespießt wird.

Von dort gelange ich ins Altstadtviertel Plaka. Durch die kleinen Gassen strömen Mengen an Touristen – die Krise scheint dem Tourismus nichts anhaben zu können.

Nach Apotheken muss ich nicht lange suchen. Sie sind schon von Weitem erkennbar an dem flackernden grünen Kreuz aus LEDs und den leuchtenden Displays mit den verspielten Anzeigen, die zwischen dem Apothekennamen, einer Äskulapschlange am Kelch, Sonderangeboten und der Temperaturanzeige rasch wechseln. Die erste Apotheke in der Fußgängerzone ist ein kleines Ladenlokal mit der Aufschrift Pharmakio (ΦΑΡΜΑΚΕΙΟ). Sie reiht sich ein zwischen Handyladen und Nagelstudio. Gegenüber schon das nächste grüne Kreuz. Und an der Straßenecke kündigt ein weiteres Kreuz die nächste Apotheke an. Alles kleine Ladenlokale, für deutsche Verhältnisse sehr kleine. Die Schaufenster bewerben in der Regel Kosmetika, Präparate zum Abnehmen und Vitamine, ab und an kündigen Aufkleber auf den Fenstern Rabattaktionen (minus 25 Prozent) für Kosmetika an.

11.000 Apotheken hat Griechenland, eine Apotheke für 1000 Einwohner, das sind wirklich viele, zu viele Apotheken, wie griechische Kolleginnen und Kollegen selbst einräumen. Aber die Niederlassungsfreiheit, niedrige Angestelltenlöhne drängen viele Pharmazeuten zur Selbstständigkeit. Ganz abgesehen davon, dass sich viele Apotheken einen weiteren Approbierten kaum leisten können. Die Zahl der Einmann-Apotheken ist groß. Da ist es auch kein Wunder, dass ich Apotheken entdecke, die schließen mussten: Auf dem Schaufenster steht „Zu vermieten“.

Anziehungspunkt für Touristen aus der ganzen Welt: das ­griechische Parlament. Und überall Selfysticks.

Eine typische Apotheke in Athen

„Kommen Sie am frühen Abend in meine Apotheke, da ist es kühler als am Nachmittag“, empfahl mir die Apothekerin, mit der ich mich in Athen verabredet hatte. Mania Alexiou ist gebürtige Athenerin. Sie ging für ihr Pharmaziestudium nach München, arbeitete noch ein paar Jahre in deutschen Apotheken. Aber dann zog es sie wieder in ihre Heimat nach Athen – dort wartete die Apotheke ihres Vaters auf sie, die sie Anfang der 90er Jahre übernahm und kurz darauf in neue Räume verlegte.

Der Athener Stadteil Vironas, in dem die kleine Pharmazie von Mania Alexiou liegt, gehört nicht zu den wohlhabenden Vierteln Athens. Ein Gewirr an Straßen, Billigläden, Kleinstunternehmen, Cafés und Tavernen. Auch in unmittelbarer Umgebung ihrer Apotheke sehe ich auf Anhieb drei weitere Apotheken.

Als ich die Apotheke betrete, ist die Apothekerin im Beratungsgespräch. Ich warte. Der erste Eindruck: Die Offizin ist zeitgemäß gestaltet, in den Regalen Kosmetika, Freiwahlartikel, allerdings nur jeweils eine oder höchstens zwei Packungen – und es ist angenehm kühl, die Klimaanlage läuft auf Hochtouren.

Apothekerin Mania Alexiou hofft auf bessere Zeiten. Dennoch, die Kunden werden freundlich empfangen und beraten.


Die Begrüßung ist herzlich, über meinen Besuch freut sie sich sehr: „Ich hoffe, Sie können den deutschen Kolleginnen und Kollegen berichten, wie schlimm unsere Probleme sind“, und sie nimmt mich mit an die Eingangstür und zeigt auf die gegenüberliegende Straßenseite: Dort stehen die Anwohner vor einem Bankautomaten Schlange, um 50 oder 60 Euro zu ziehen. Das Wochenlimit ist noch immer auf 420 Euro begrenzt. „Das ist deprimierend zu sehen“, ist die Apothekerin erschüttert, „wie die Menschen anstehen müssen, um an ihr Geld zu kommen.“

Wenn die Kassen nicht zahlen ...

Wir kommen schnell ins Gespräch. Das zurzeit größte Problem für griechische Apotheken ist: „Wie erhalten wir unser Geld aus den Rezeptumsätzen?“ Die schleppende Zahlung der staatlichen Einheitskrankenkasse EOPYY macht allen Apotheken schwer zu schaffen. Apothekerin Alexiou muss mindestens drei, mittlerweile schon vier Monate auf das Geld warten. „Ich weiß nie, wann eine Überweisung der Kasse auf meinem Konto eingeht. Letzte Woche habe ich erst 50 Prozent der Rezeptabrechnung aus dem Monat März bekommen“, ist Mania Alexiou gefrustet, „die andere Hälfte und die Abrechnungen der Monate April, Mai und Juni stehen noch aus. Und der Juli wird erst noch Ende des Monats abgerechnet.“

Wie bezahlt sie die laufenden Kosten der Apotheke, die Gehälter der Mitarbeiter, die Rechnungen des Großhandels? „Mit privatem Geld“, verrät sie mir, „zum Glück konnte ich in guten Zeiten ein paar Rücklagen bilden. Wer das nicht gemacht hat, der sieht alt aus.“ Aber trotzdem, ihr fehlen die Bareinnahmen aus dem OTC- und Freiwahlgeschäft: „Der Umsatz im Freiwahlbereich ist vollkommen eingebrochen, Kosmetika, Vitamine und Nahrungsergänzungsmittel liegen wie Blei in den Regalen.“ Einige Apothekerinnen und Apotheker versuchen zurzeit, bessere Einkaufsbedingungen für die Artikel des Randsortiments beim Großhandel und bei den Arzneimittelherstellern herauszuhandeln, um Rabatte an die Kunden weitergeben zu können. An einigen Apothekenschaufenstern sieht man die Hinweise auf Rabattaktionen von 25 Prozent und mehr, beispielsweise für Kosmetika, um überhaupt ein wenig Umsatz mit diesen Waren zu machen.

Die Apotheke von Mania Alexiou im Athener Stadteil Vironas.


Apothekerin Alexiou ist außerdem Mitglied eines Großhandels, der den Apothekern selbst gehört. Dadurch hat sie zum Teil bessere Konditionen, vor allem aber bessere Zahlungsfristen. „In der jetzigen Zeit ist das besonders wichtig. Bisher habe ich meine Großhandelsrechnungen immer bezahlen können. Aber heute habe ich zwangsläufig Schwierigkeiten, pünktlich zu bezahlen. Meine Zahlungen verzögern sich. Ich bin froh, dass mein Großhandel das duldet. Aber ich weiß, dass einige Kolleginnen und Kollegen von ihren Großhändler nur gegen sofortige Bezahlung beliefert werden. Auch Großhandlungen mussten sogar schon schließen.“

Ein weiteres Problem: „Wir haben zurzeit sehr viele Defekte und Lieferengpässe. Firmen liefern nicht mehr regelmäßig nach Griechenland, da der Staat ständig die Preise nach unten drückt“, schaut die Apothekerin verzweifelt auf eine lange Defektliste, die sie mir übergibt. Viele Rezepte kann sie nicht mehr vollständig beliefern. „Tegretal, Tenormin, Begrivac, Euthyrox – alles defekt, kann zurzeit nicht geliefert werden. Ich bemühe mich, die Leute, die durch die Medien zusätzlich verunsichert werden, ein wenig zu beruhigen, aber es wird immer schwerer“, klagt die Apothekerin.

Eine griechische Apotheke hat nur ein kleines Warenlager, mit der Krise ist es weiter geschrumpft. Nur sechs Schubladensäulen reichen aus, um die benötigten Arzneimittel zu lagern, „eigentlich ist das schon viel für eine griechische Apotheke, die meisten Apotheken haben nur drei oder weniger solcher Säulen“, erklärt sie mir den Apothekenbetrieb, „jede Apotheke muss den Umfang ihres Warenlagers gering halten, weil sie ein großes Lager gar nicht bezahlen kann. Außerdem muss man mit plötzlichen staatlichen Preisreduktionen rechnen – das bedeutet, dass die Ware am Lager über Nacht weniger wert ist.“ Nahezu jeden Monat erhalten die Apotheken eine neue Arzneimittelpreisliste, eine neue Taxe mit geänderten Preisen – in Griechenland setzt der Staat die Preise für jedes OTC- und Rx-Arzneimittel fest. Mit der letzten Preisliste hat sich auch die Mehrwertsteuer bei Arzneimitteln, die bisher bei 6,5 Prozent lag, auf 6 Prozent reduziert.

Wenn der Patient nicht zahlt ...

Die Eigenbeteiligung des Patienten an seinen verschriebenen Arzneimitteln ist in Griechenland von der Indikation abhängig. In den meisten Fällen muss der Patient 25 Prozent des Arzneimittelpreises selbst tragen, bei Antidiabetika und Insulinen werden dagegen nur 10 Prozent fällig, Zytostatika sind zuzahlungsfrei. „Für die Patienten ist es nicht leicht, die im Vergleich zu Deutschland hohe Zuzahlung bei Arzneimitteln zu zahlen“, weiß die Apothekerin. So hat sie auch Patienten, die nicht zahlen können – „ich musste sie wegschicken, denn eine Arzneimittelabgabe ohne den Zuzahlungsbetrag zu kassieren kann ich mir nicht leisten. Wenn ich den Kunden gut kenne, dann darf er morgen oder übermorgen bezahlen. Aber bei fremden Leuten kann ich das nicht machen.“

Seit etwa drei Jahren speichern Ärzte die Rezepte in einem Zentralrechner. Jedes Rezept trägt einen Balkencode. Scannt die Apotheke diesen Code, wird das Rezept vom Zentralrechner abgerufen und erscheint auf dem Bildschirm der Apotheke. Die Abgabe wird im System vermerkt. Zusätzlich wird auf dem vorgelegten Papierrezept ein Doppel des Packungsaufklebers, der einen Balkencode mit Arzneimittelname und Preis enthält, aufs Rezept geklebt. „Früher verordneten die Ärzte nach Wirkstoffen“, erklärt mir die Apothekerin das griechische Rezept, „und wir konnten ein entsprechendes Mittel abgeben. Aber heute geht der Arzt mehr und mehr dazu über, auch den Namen des Fertigarzneimittels anzugeben, so dass wir genau dieses Arzneimittel abgeben müssen. Da war der Vertreter der Pharmafirma beim Arzt und hat ihn bearbeitet“, vermutet die Apothekerin, „die Ärzte machen den großen Gewinn.“

Griechische Frauenpower (v. li.): Apothekerin Mania Alexiou, Helferin Eleni Liarokapi, Apothekerin Maria Miliou und PTA Elena Antonatou.

Warum es kaum Generika gibt …

Was mir beim Blick in die Schubladen auffällt: so gut wie keine Generika, nur Originalpräparate. Der Marktanteil an Generika beträgt nur fünf Prozent. Ein plakatives Beispiel: „ASS-Präparate gibt es nicht, es gibt Aspirin“, bestätigt mir die Apothekerin. Aber es gebe doch Untersuchungen, sage ich ihr, die zeigen, dass das griechische Gesundheitswesen viel sparen könnte, wenn Originalpräparate durch Generika ersetzt würden. Warum setzen sich Generika auf dem griechischen Markt trotzdem nicht durch? „Ärzte sind an das Markenpräparat gewöhnt, das Vertrauen in Generika ist nicht besonders hoch, deswegen verordnen sie nur Originalpräparate“ vermutet die Apothekerin und gesteht: „Ich glaube, auch Apotheker selbst wollen keine Generika, Arzneimittel sind doch heute schon so billig bei uns, mit Generika verdienen wir noch weniger. Außerdem sind Generika arbeitsintensiver: Wir müssen mehr mit den Patienten reden und sie vom Generikum überzeugen. Das kostet Zeit und Personal. Vermutlich wollen auch Patienten keine Generika, sie sind noch nicht so weit. Sie wollen das Präparat, an das sie gewöhnt sind, das sie schon immer hatten – und das ist nicht das Generikum. Ich glaube, unsere Ärzte, unsere Patienten, aber auch wir selbst sind noch nicht so weit.“

Die Apotheke ist modern gestaltet. In der Freiwahl finden sich vor allem Kosmetika, Nahrungsergänzungsmittel und Vitamine.

… und keine Rezeptur

Während Mania Alexiou zwei Kunden bedient, schaue ich mich im hinteren Bereich der Apotheke um: ein schmaler Raum mit einem Mikro-Warenlager, einem älteren Glasschrank mit Standgefäßen für Salben und chemischen Substanzen, einer alten Balkenwaage und einem modernen Salbenrührer – „ist das die Rezeptur“, frage ich die Apothekerin? Sie lacht: „Rezepturen in griechischen Apotheken? Nein, Ärzte verordnen sie nicht, Apotheker lernen während der Ausbildung die Herstellung von Salben oder Kapseln nicht mehr. Ich habe früher mal einige Salben für Kunden hergestellt, aber jetzt bleibt dafür keine Zeit mehr.“

Warum die Personalsituation angespannt ist

Wie sieht die Personalsituation im griechischen Apothekenmarkt aus? „Oh je“, stöhnt Mania Alexiou, „gar nicht rosig, aber hier gibt es viele hausgemachte Probleme“, gesteht sie. Erst vor Kurzem kündigte ein junger Apotheker, den sie ausgebildet und danach angestellt hatte: Er hatte keine Lust mehr gehabt, die Leute zu beraten, außerdem wollte er während des Sommers nicht arbeiten: „Er kündigte und ging.“ Auf Annoncen melden sich in Athen zurzeit keine Mitarbeiter. Keiner hat Lust im Sommer zu arbeiten, eventuell wieder ab September. Diese Mentalität ihrer Landsleute kann sie nicht verstehen. Damit will sie allerdings nicht sagen, die Griechen seien arbeitsscheu: „Griechen arbeiten sehr viel, genauso viel wie andere Europäer.“

Sie selbst verbringt knapp 60 Stunden in der Woche in der Apotheke. Seit die Öffnungszeiten frei gegeben wurden, hält sie ihre Apotheke über 50 Stunden in der Woche geöffnet. Sie schließt morgens um acht auf, um zwei wird für die Mittagspause geschlossen. Um vier Uhr nachmittags geht der Betrieb weiter bis halb neun am Abend. Eine Approbierte in Teilzeit und zwei Helferinnen stehen ihr zur Seite.

„Eigentlich beute ich mich zurzeit aus“, beschreibt Mania Alexiou ihre Situation, „es bleibt fast kein Gewinn übrig, von der Apotheke kann ich nicht leben – so lässt sich keine Apotheke führen.“ Sie ist froh, dass sie ihre Angestellten bezahlen kann. Wenn sie ihren mitverdienenden Mann nicht hätte, wüsste sie nicht, wie sie über die Runden kommen sollte.

Als es Abend wird, kommt einer ihrer Söhne in die Apotheke, der am Ende seines Pharmaziestudiums steht und gerade ein Praktikum in der Apotheke absolviert. Er wird wohl im nächsten Jahren die Apotheke von seiner Mutter übernehmen. Ob er seine Ausbildung, seinen zukünftigen Beruf zuversichtlich angeht, möchte ich von ihm wissen. „Auf jeden Fall“, meint er, „meine Generation ist da optimistischer als die unserer Eltern. Wir sehen die Fehler, die gemacht wurden, wir sehen, was falsch läuft und wir sehen, was man verbessern kann und muss – aber wir wissen auch, in den nächsten drei oder fünf Jahren wird sich das nicht ändern. Irgendwie wird es weitergehen.“

Sohn Georgios Stamou studiert Pharmazie und absolviert ein Praktikum in der Apotheke seiner Mutter. Er wird die Apotheke übernehmen. Trotz Krise: Er blickt zuversichtlich in die Zukunft. Irgendwann wird es wieder besser gehen, hofft er.


„Ich hoffe, er wird die Apotheke in meinem Sinn weiterführen“, zeigt sich Mania Alexiou zuversichtlich, „ich habe immer versucht, meine Apotheke so zu führen, als wäre es eine deutsche Apotheke. Ich berate intensiv, frage nach. Ich bemühe mich, mit der Kundschaft einen etwas engeren Kontakt aufzubauen – das hat mir schon sehr viel eingebracht. Meine Kunden schätzen das.“

„Das wäre ein Chaos, eine Katastrophe“

Zum Abschluss unseres Gesprächs kommen wir auf die Zukunftsperspektiven zu sprechen. Wie beurteilt sie die Überlegungen der EU und der Regierung, OTC-Arzneimittel und Freiwahlartikel für den Verkauf im Supermarkt freizugeben? „Das wäre ein Chaos“, klagt die Apothekerin, „man hat das Gefühl, die Regierung möchte die Apotheken kaputt machen.“ Der erste Schritt in diese Richtung war die vor Kurzem verabschiedete Bestimmung, dass das Sortiment an OTC-Arzneimitteln nicht mehr von den Krankenkassen bezahlt wird. Der nächste Schritt könnte nun sein, dass dieses Sortiment für den Supermarkt freigegeben würde – „das wäre eine Katastrophe für den Patienten, es sind doch Arzneimittel, die unsere Beratung brauchen“ entrüstet sich die Apothekerin. „Es sind Arzneimittel wie Bisolvon oder Diclofenac darunter. Es wäre aber auch schlimm für uns Apotheken, denn wir leben zu einem großen Teil vom Verkauf dieser OTC-Arzneimittel.“ 


Gingen die Präparate in den Supermarkt, hätten diese Präparate keinen staatlichen Festpreis mehr, sondern könnten frei kalkuliert werden. Für Griechenland könnte folgendes Szenario entstehen: Der Hersteller gibt seine Präparate zu höheren Preisen ab als heute, die Apotheke hätte höhere Einkaufspreise und müsste auch höhere Verkaufspreise nehmen als heute. Große Supermarktketten würden jedoch aufgrund hoher Abnahmemengen einen günstigeren Einkaufspreis aushandeln und könnten folglich diese Arzneimittel zu günstigeren Preisen als die Apotheke verkaufen. Damit wäre das Credo der Politik und von Wirtschaftlern bestätigt, dass Arzneimittel in Supermärkten günstiger seien als in Apotheken – obwohl sie defacto teurer sind als heute. „Das Schlimmste wäre es, wenn man Apothekenketten zulassen würde, wenn der Fremd- und Mehrbesitz käme. Das würde viele Apotheken vernichten. Es ist eine Katastrophe für die griechische Apotheke“, fasst Mania Alexiou die Situation zusammen, schließt die Eingangstüre ihrer kleinen Apotheke und lässt den Rolladen runter.

Und trotzdem: „Bei allen Schwierigkeiten, wir lieben unsere Heimat, unser Land, die Inseln, das Meer“, lächelt sie, als wir beim griechischen Wein in einer Taverne im Hafen von Piräus sitzen und der Vollmond auf dem Meer glitzert. Es sind diese Momente, in denen man nur zu gut die griechische Mentalität verstehen kann. |

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