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„Die Lage ist katastrophal“

Nach Oxi droht in Griechenland der Kollaps für die Arzneimittelversorgung

BERLIN (lk) | In Griechenland spitzt sich die Situation zu – auch und vor allem in der Arzneimittelversorgung. „Die Lage ist katastrophal“, so CSU-Politiker Wolfgang Zöller, früherer Patientenbeauftragter der Bundesregierung und seit April 2014 Sonderbeauftragter des Bundesgesundheitsministeriums für Griechenland. Nach Einschätzung Zöllers steht die Arzneimittelversorgung kurz vor dem Kollaps. Und ein Hilfsprogramm für Griechenland sei nicht vorbereitet.

Nach Angaben des Europäischen Verbandes der Pharmazeutischen Industrie (EFPIA) schuldet Griechenland dem Verband angehörenden Unternehmen derzeit 1,1 Milliarden Euro. Mit weiteren 1,5 Milliarden Euro stehen griechische Kliniken bei Pharmaunternehmen in der Kreide. Nach eigenen Angaben steht EFPIA in Kontakt mit den EU-Behörden, um die sich zuspitzenden Arzneimittelengpässe zu bewältigen.

Nächste Woche werde man sich in Berlin an einen Tisch setzen, so Zöller – er als Sonderbeauftragter, das Bundesgesundheitsministerium und das Entwicklungshilfeministerium. Die Lage Griechenlands sei mittlerweile so dramatisch, dass sie an Zustände in Entwicklungsländern erinnere. Zöller: „Mit diesem Ausgang des Referendums hat niemand gerechnet. Das Nein ist eine Katastrophe.“ Er selbst habe gemeinsam mit dem Gesundheitsausschuss des Deutschen Bundestages mit dem griechischen Gesundheitsminister Panagiotis Kouroumplis vom Linksbündnis Syriza zu Jahresbeginn Gespräche geführt. „Seitdem haben wir nichts mehr gehört.“

Erst mal die politischen Beratungen abwarten

Auf EU-Ebene werden nach Zöllers Kenntnis in dieser Woche die Planungen für Hilfsmaßnahmen anlaufen. Die Berliner Vertretung der EU-Kommission wollte sich zu Hilfsmaßnahmen nicht äußern. Erst mal müsse man die politischen Beratungen abwarten. Dann werde man im Laufe der Woche weitersehen, so eine Sprecherin. Wie schwierig die Lage in Griechenland ist, weiß Zöller auch aus persönlicher Erfahrung. Der ehemalige Patientenbeauftragte ist mit einer Griechin verheiratet. „Meine Schwägerin ist 85 Jahre alt und kann nicht mehr laufen“, so Zöller. „Sie kann nicht mehr zur Bank gehen und anstehen. Wir schicken ihr per Brief Geld.“

Lieferungen nach Griechenland nicht mehr selbstverständlich

Arzneikonzerne leiden seit vielen Jahren unter der schwachen Zahlungsmoral. Der deutsche Medizinanbieter Fresenius hat deswegen den Verkauf bestimmter Medikamente in das südosteuropäische Land eingestellt. Standardprodukte wie Kochsalzlösungen werden seit März nicht mehr nach Griechenland geliefert, sagte ein Sprecher der Nachrichtenagentur Reuters. Diese Produkte würden aber auch von griechischen Anbietern hergestellt, die Versorgung damit sei daher gesichert. „Produkte, zu denen es für die Patienten keine ausreichenden Alternativen gibt, liefern wir weiter nach Griechenland.“ Die deutschen Pharmakonzerne Merck, Boehringer Ingelheim und Bayer liefern weiter nach Griechenland, wie Unternehmenssprecher sagten. Merck hatte sich eine Zeitlang in hartnäckigen Fällen verweigert und Medikamente nur gegen sofortige Zahlung geliefert. |

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