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Mündliche Verhandlung
DocMorris und AKNR vor dem EuGH: Worum geht es?
Am heutigen Donnerstag treffen vor dem EuGH zwei alte Bekannte aufeinander: die Apothekerkammer Nordrhein und DocMorris. Die mündliche Verhandlung an sich dürfte eher etwas für juristische Feinschmecker sein. Doch der Ausgang des Verfahrens ist für die Apothekerschaft von großer Bedeutung. Denn alle Verfahren um Rx-Boni liegen auf Eis, bis klar ist, wie der EuGH in der Sache entscheidet.
DocMorris lässt sich bekanntlich nicht von deutschen Gesetzen schrecken. Ob Fremdbesitzverbot, Versandhandelsverbot, Rx-Preisbindung: Der niederländische Versender rebellierte gegen alle ihn einengende Normen und beschäftigte damit die deutschen Gerichte über Jahre – und auch den Europäischen Gerichtshof (EuGH). Die bisherigen Verfahren in Luxemburg liefen unterschiedlich: Das Versandhandelsverbot wurde nur im Hinblick auf nicht-verschreibungspflichtige Arzneimittel für europarechtswidrig befunden – allerdings erst im Dezember 2003 und damit zu spät für Deutschland, wo der Versand kurz zuvor umfassend erlaubt wurde. Das Fremdbesitzverbot blieb von den EU-Richtern unangetastet (2009). Die im Arzneimittelgesetz normierte Rx-Preisbindung für den grenzüberschreitenden Versand fiel hingegen 2016 vor dem EuGH durch.
Letzteres Urteil wühlte die Apothekenwelt massiv auf. Die europäischen Richter ließen sich nicht überzeugen, dass die Preisbindung erforderlich sei, um das flächendeckende Apothekennetz in Deutschland zu erhalten – sie vermissten hierfür Belege. Nur so hätte man den von ihnen angenommenen Eingriff in die Warenverkehrsfreiheit rechtfertigen können.
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Diese Entscheidung ist letztlich auch der Anlass für das jetzt in Luxemburg anhängige Verfahren. Offensichtlich im Freudenrausch startete DocMorris nach dem Sieg im EuGH-Verfahren „Deutsche Parkinson Vereinigung“ eine Attacke gegen seine größte Widersacherin: die Apothekerkammer Nordrhein (AKNR). Sie hatte DocMorris (ebenso wie andere Anbieter fragwürdiger Boni und Geschäftspraktiken) über Jahre mit wettbewerbsrechtlichen Gerichtsverfahren überzogen. Die Kammer kämpft bis heute dafür, dass deutsche Vor-Ort-Apotheken nicht das Nachsehen haben. Diese Boni-Verfahren gingen zuungunsten von DocMorris aus – denn nach einer 2012 ergangenen Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes schien klar, das sich auch EU-Versandapotheken an die Arzneimittelpreisverordnung halten müssen und keine Boni auf Rezept gewähren dürfen.
18 Millionen Euro Schadenersatz?
Nachdem sich das Blatt durch die EuGH-Entscheidung gewendet hatte, klagten die Niederländer gegen die AKNR auf Schadenersatz. Schließlich seien rückblickend die vorangegangen einstweiligen Verfügungen und die Vollstreckung von Ordnungsgeldern unzulässig gewesen. In erster Instanz wies das Landgericht Köln die Klage ab. Das Oberlandesgericht Düsseldorf sah es jedoch anders. Im März 2022 bejahte es das Bestehen eines Schadensersatzanspruchs dem Grunde nach – zur Höhe gab es allerdings keine Entscheidung. DocMorris selbst fordert mehr als 18 Millionen Euro von der AKNR. Eine nicht nachvollziehbare Summe – doch die Kammer will natürlich auch keinen Bruchteil davon zahlen. Sie rief daraufhin den Bundesgerichtshof an. Auch dieser ist nicht überzeugt, dass es sich DocMorris so leicht machen kann und hat erst einmal dem EuGH einige Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt hat.
Diesmal müssen sich die Luxemburger Richter nicht mit der – ohnehin nicht mehr existierenden – arzneimittelrechtlichen Preisbindung befassen, sondern damit, wie das deutsche Heilmittelwerberecht – speziell einige der Varianten des § 7 HWG – europarechtskonform auszulegen ist. Denn selbst wenn der EuGH die Geltung der Arzneimittelpreisbindung für ausländische Versandapotheken damals infrage gestellt haben mag: Arzneimittel sind eine ganz besondere Ware und für die Werbung gelten sehr enge Grenzen, in Europa wie auch national. Es geht hier um Verbraucherschutz – niemand soll unsachlich beeinflusst und schon gar nicht zu einem Arzneimittelmehrgebrauch verleitet werden. Dies zeigen auch verschiedene jüngere Entscheidungen des EuGH, in denen er sich mit der Werbung für Arzneimittel beschäftigt hat. Doch beim Urteil von 2016 blieb dieser Aspekt unberücksichtigt.
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Sind also die fraglichen Boni jedoch als Verstoß gegen das heilmittelwerberechtliche Zugabeverbot zu werten, kann die AKNR aufatmen. Zudem wird die EuGH-Entscheidung Auswirkung auf eine Reihe weiterer anhängiger Gerichtsverfahren haben. Im Grunde ist derzeit jedes Rx-Boni-Verfahren vor deutschen Gerichten ausgesetzt, weil man warten will, was der EuGH sagt. Die jüngsten Boni im Zusammenhang mit Rezepteinlösungen waren deshalb gar nicht mehr beklagt worden (die Freie Apothekerschaft hingegen mahnte Shop Apotheke kürzlich ab).
Es bleibt abzuwarten, ob sich aus der mündlichen Verhandlung vor der 5. Kammer des EuGH schon ablesen lässt, in welche Richtung die Entscheidung gehen mag. Fest steht: Geduld brauchen wir noch. Der Verhandlung folgen zunächst die Schlussanträge des Generalanwalts. Bis das Urteil fällt, könnte durchaus ein halbes Jahr vergehen. Und dann ist es Sache des Bundesgerichtshofs, eine Entscheidung im konkreten Fall zu fällen.
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