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EuGH bestätigt Fremdbesitzverbote und stärkt Unabhängigkeit der Apotheken
Im großräumigen Gerichtssaal des Luxemburger Gerichts herrschte eine angespannte Atmosphäre, als am Dienstagmorgen, 9.40 Uhr, der Vorsitzende den Tenor der für Europas Apothekerinnen und Apotheker zentralen Grundsatzentscheidungen verkündete. Der EuGH hatte in den miteinander verbundenen Rechtssachen zur Rechtslage in Deutschland und in Italien zu entscheiden. Im deutschen Verfahren ging es um die DocMorris-Fremdbesitzapotheke in Saarbrücken. Ihr hatte der damalige Gesundheits- und Justiz(!)-
minister Josef Hecken im Juli 2006 unter bewusster Missachtung des deutschen Apothekenrechts eine Erlaubnis zum Betrieb einer Fremdbesitzapotheke erteilt. Im Rahmen des danach anhängigen Rechtsstreits setzte das Verwaltungsgericht des Saarlandes sein Verfahren aus und ließ vom EuGH überprüfen, ob das in Deutschland geltende apothekenrechtliche Fremdbesitzverbot für Kapitalgesellschaften mit der europarechtlichen Niederlassungsfreiheit in Einklang steht. Im zweiten Verfahren verklagte die EU-Kommission Italien wegen des dort geltenden Fremdbesitzverbots. In diesem sog. Vertragsverletzungsverfahren ging es um die Frage, ob sich pharmazeutische Großhändler an kommunalen Apotheken beteiligen dürfen oder nicht.
EuGH lässt sich nicht instrumentalisieren
In deutlichen Worten hat der Europäische Gerichtshof in seinen beiden Entscheidungen die gemeinschaftsrechtliche Zulässigkeit von Fremdbesitzverboten bei Apotheken bestätigt. Das "Spiel über die Brüsseler Bande" scheiterte für Celesio/DocMorris auf ganzer Linie. Dabei waren die Freunde des Fremdbesitzes bis zuletzt mit ihren Methoden wenig zimperlich. Apothekentests, vornehmlich bei Berufsvertretern mit und ohne Kamera durchgeführt, die versuchte Desavouierung des Generalanwalts wegen angeblicher "Befangenheit" (seine Tochter (!) ist Pharmazeutin) durch den saarländischen (!) FDP-Europaabgeordneten Jorgo Chatzimarkakis und – kurz vor Toresschluss – die brodelnde Gerüchteküche aus dem Hause Springer via Bild -Zeitung ("Das Fremdbesitzverbot fällt"). Genützt hat alles nichts. Das Spiel war zu durchsichtig. Der Gerichtshof lässt sich nicht instrumentalisieren.
Geplatzter Traum der Celesen
Die Luxemburger Richter haben feinsinniger und sensibler geurteilt, als dies die Oesterles und Schleckers offensichtlich erwartet hatten. Der Traum, das Arzneimittelversorgungssystem in Deutschland unter ihre renditeorientierte Fittiche zu bekommen, ist zerplatzt. Ungewohnt wortkarg fiel dann auch die Reaktion in der Neckartalstraße aus – oder war es eher ein Pfeifen im Walde? "Celesio und ihre Tochtergesellschaft DocMorris werden sich jetzt auf den Ausbau des Markenpartnergeschäfts und des Versandhandelsgeschäfts konzentrieren", heißt es in einer Presseinformation des Konzerns, die per E-Mail unter dem Betreff "EuGH PM Variante A" verschickt wurde. Die Variante B blieb demnach in der Schublade. Fremdbesitz adé? So ganz möchte man es noch nicht glauben, zumal DocMorris-Chef Ralf Däinghaus trotzt. Der Neo-Celese: "Solange das verwaltungsgerichtliche Verfahren noch läuft, bleibt unsere Apotheke in Saarbrücken geöffnet. Wir werden abwarten, wie das Verwaltungsgericht des Saarlandes mit der EuGH-Entscheidung umgeht."
Begründung für Sofortvollzug ist obsolet
Die sofortige Schließung der DocMorris-Fremdbesitzapotheke fordert nach dem EuGH-Urteil dagegen Helga Neumann-Seiwert. Die Apothekenleiterin, die auch Mitglied im Vorstand der Initiative für Unabhängige Heilberufe (IfUH) ist, hatte als erste gegen die Betriebserlaubnis der DocMorris-Filiale in Saarbrücken geklagt. "Ich bin froh, dass sich mein Kampf für die unabhängige Apotheke gelohnt hat. Das Urteil stärkt den präventiven Verbraucher- und Gesundheitsschutz. Das saarländische Gesundheitsministerium muss jetzt schnell handeln und die rechtswidrig erteilte Apothekenbetriebserlaubnis an DocMorris zurücknehmen." Und in der Tat: Der Sofortvollzug der Betriebserlaubnis war vom früheren Hecken-Ministerium mit der angeblichen Europarechtswidrigkeit des in Deutschland geltenden Fremdbesitzverbotes begründet worden. Diese Begründung ist jetzt obsolet.
Schild lässt nicht locker
Aber auch ansonsten ist die Luxemburger Entscheidung für das dortige CDU-geführte Ministerium für Justiz, Arbeit, Gesundheit und Soziales hochnotpeinlich – in drei Monaten sind im Saarland Landtagswahlen. Noch immer nicht geklärt ist, welche Rolle Staatssekretär Wolfgang Schild, der spiritus rector des saarländischen Rechtsbruchs, bei der Erteilung der Betriebserlaubnis an die DocMorris-Fremdbesitzapotheke gespielt hat und welche Fäden bei ihm zusammenlaufen. Sein Verhalten ist weiterhin dubios. Auch nach der Entscheidung der Luxemburger Richter lässt der Jurist nicht locker und schwadroniert: "Das deutsche Fremdbesitzverbot geht davon aus, dass der bei einem Nichtapotheker oder einer GmbH angestellte Apotheker eine Gefahr für die Gesundheit der Bevölkerung sei." Und von einem Branchendienst wird Schild mit den Worten zitiert: "Die Diskussion um das Fremdbesitzverbot hat die Debatte um die Qualität pharmazeutischer Beratung belebt. Insoweit hat sie das befördert, was das saarländische Ministerium für Justiz, Arbeit, Gesundheit und Soziales nie aus dem Auge verloren hat: dass in deutschen Apotheken sachgerecht beraten werden kann und muss." Das ist originell: Offener Rechtsbruch als QMS-Baustein! Kein Wunder, dass die Saar-SPD bei so viel Konfusion von einer "Ohrfeige für den neoliberalen Kurs der CDU-Landesregierung" spricht und fragt: "Wieso unterstützt die saarländische Landesregierung eine holländische Kapitalgesellschaft dabei, dem saarländischen Mittelstand, zu dem 350 Apotheken mit 3000 Mitarbeitern gehören, das Leben schwer zu machen?" Bleibt ergänzend zu fragen: Wie lange noch leistet sich die Landesregierung diesen Staatssekretär?
Ulla Schmidt: Klares Bekenntnis zum Fremd-besitzverbot
So beleidigt die Saar-CDU auf den Luxemburger Urteilsspruch reagierte, so breit ist ansonsten die Zustimmung zur rechtlichen Bestätigung des Approbationsgebots für Apotheken-Eigentümer. Erfreulich deutlich äußerte sich die Bundesregierung zum Ausgang des EuGH-Verfahrens, in dem sie bereits zuvor für die Beibehaltung des apothekenrechtlichen Fremdbesitzverbotes plädiert hatte. "Die Apotheke im Eigentum des Apothekers sichert in Deutschland eine von Kapitalinteressen unabhängige Arzneimittelversorgung", erklärte Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt, die in Europa inzwischen die dienstälteste Amtsinhaberin im Gesundheitsressort ist. Das Urteil bestätige die hohe Verantwortung der Apotheker für die sichere und qualitativ hochwertige Versorgung der Menschen mit Arzneimitteln.
Viel Beifall für den EuGH – nur Biggi Bender mosert
Beifall zum EuGH-Urteil auch von der Bundes-CDU, der SPD, der Linken, der FDP (Ausnahmen, siehe oben, bestätigen die Regel). Nur die grüne Ketten-Freundin Biggi Bender, in deren Wahlkreis Celesio angesiedelt ist und die dort ein gern gesehener Gast ist, zeigte sich offen enttäuscht. Jetzt hofft sie auf "Alternativen zum Fremdbesitzverbot", die sie auf die politische Tagesordnung setzen möchte. Schon heute freut sich die gesundheitspolitische Sprecherin der grünen Bundestagsfraktion über "Franchise-Systeme, Versandapotheken und die Beteiligung von Drogerie-Discountern am Arzneimittelhandel, die längst Teil der Versorgungsrealität sind". Nun denn, die konzernnahen Positionen Benders stoßen inzwischen auch innerhalb der Grünen – "dezentral, basisnah, sozial" – auf Kopfschütteln. Zumindest im grünen Wahlprogramm für den nächsten Bundestag findet sich ihre Forderung nach Abschaffung des Fremd- und Mehrbesitzes nicht mehr …
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