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- AZ 51/2003
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Europäischer Gerichtshof: Versandhandel mit verschreibungspflichtigen Arzneimit
In ihrer 23-seitigen Urteilsbegründung unterscheiden die europäischen Richter sowohl zwischen verschreibungspflichtigen und nicht-verschreibungspflichtigen Arzneimitteln als auch zwischen in Deutschland zugelassenen und nicht-zugelassenen Medikamenten. In der rechtlichen Beurteilung der Versandhandels- und Werbeverbote kommen sie je nach Zuordnung und Risikopotenzial der Arzneimittelgruppen zu differenzierten Ergebnissen. Dabei ist entscheidend, ob bestehende Verbote zum Schutze von Leben und Gesundheit erforderlich sind. Dies ist nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs dann der Fall, wenn sich bestehende (auch absolute) Versandhandels- und Werbeverbote in einem Mitgliedstaat auf - verschreibungspflichtige Arzneimittel und/oder - in Deutschland nicht zugelassene Arzneimittel (gleichgültig, ob verschreibungspflichtig oder nicht) beziehen. Umgekehrt sind nach Auffassung des Gerichts bei nicht-verschreibungspflichtigen Arzneimitteln, die in Deutschland zugelassen sind, stichhaltige Rechtfertigungsgründe für ein absolutes Versendungs- und Werbeverbot nicht ersichtlich.
DAV: "Zu 80% bestätigt"
In einer ersten Stellungnahme begrüßte Hermann S. Keller, Vorsitzender des Deutschen Apothekerverbands, die Luxemburger Entscheidung: "Das Gericht hat unsere Auffassung zu 80% bestätigt." Es habe sich gezeigt, dass der deutsche Gesetzgeber mit der geltenden Freigabe des Versandhandels auch für verschreibungspflichtige Arzneimittel voreilig gehandelt habe. Keller: "Die in Deutschland ab 1. Januar 2004 geltenden Regelungen gehen weit über die Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs hinaus." Wirtschaftlich negative Auswirkungen auf die deutschen Apotheken sieht Keller gleichwohl nicht: "Im nächsten Jahr ist der Versandhandel mit Arzneimitteln zwar erlaubt, er wird aber ökonomisch uninteressant. Die neue Honorierung der apothekerlichen Leistung durch Festzuschläge wird die bisherige Rosinenpickerei des Versandhandels beseitigen."
Ministerium: "Voller Erfolg für Bundesregierung"
In einer Verlautbarung seiner Pressestelle bezeichnet das Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung das Urteil des Europäischen Gerichtshofs als "vollen Erfolg für die Bundesregierung und die Gesundheitsreform". Die Luxemburger Richter bestätigten, dass das bisherige Versandverbot gegen EG-Recht verstoße. Soweit das Gericht keine europarechtlichen Bedenken habe, wenn ein Mitgliedstaat zum Schutze des Patienten den Versand verschreibungspflichtiger Arzneimittel verbiete, berücksichtige die Gesundheitsreform diesen Sicherheitsaspekt bereits und erlaube den Arzneimittelversand nur unter strengen Verbraucherschutzanforderungen. Zu weiteren Auskünften war die Pressestelle des Ministeriums auf Anfrage dieser Zeitung nicht bereit.
Im wahrsten Sinne Funkstille herrschte nach Bekanntwerden des EuGH-Urteils bei DocMorris: Auf der Homepage des niederländischen Versenders hieß es unter "Willkommen bei DocMorris" lapidar, dass "der Versandhandel mit Arzneimitteln nach Deutschland vom Europäischen Gerichtshof bestätigt" worden sei. Und weiter: "Aufgrund der großen Medienresonanz auf das Gerichtsurteil ist unsere Bestellannahme im Moment stark ausgelastet. Um eine Verlängerung von Lieferzeiten zu vermeiden, bitten wir vor allem Neukunden, erst im neuen Jahr zu bestellen." Schöne neue Internet-Versand-Welt.
Leitsätze des EuGH:
1. Ein § 43 Abs. 1 AMG (Arzneimittelgesetz) entsprechendes nationales Verbot des Versandhandels mit Arzneimitteln, die in dem betreffenden Mitgliedstaat ausschließlich in Apotheken verkauft werden dürfen, stellt eine Maßnahme gleicher Wirkung im Sinne von Art. 28 EG dar. 2. Art. 30 EG kann geltend gemacht werden, um ein nationales Verbot des Versandhandels mit Arzneimitteln, die in dem betreffenden Mitgliedstaat ausschließlich in Apotheken verkauft werden dürfen, zu rechtfertigen, soweit dieses Verbot verschreibungspflichtige Arzneimittel betrifft. Dagegen kann Art. 30 EG nicht geltend gemacht werden, um ein absolutes Verbot des Versandhandels mit Arzneimitteln, die in dem betreffenden Mitgliedstaat nicht verschreibungspflichtig sind, zu rechtfertigen. 3. Art. 88 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83/EG steht einem § 8 Abs. 1 HWG (Heilmittelwerbegesetz) entsprechenden nationalen Werbeverbot für den Versandhandel mit Arzneimitteln, die in dem betreffenden Mitgliedstaat nur in Apotheken verkauft werden dürfen, entgegen, soweit dieses Verbot Arzneimittel betrifft, die nicht verschreibungspflichtig sind.
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