DAZ-Tipp

Ein EuGH-Urteil und seine Folgen für die Arzneimittel-Werbung

06.07.2023, 07:00 Uhr

(Foto: Nadzeya/stock.adobe.com)

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Ist bald Schluss mit einer Werbung für OTC zu Sonderpreisen? Und müssen typische Werbeaktionen von EU-Versendern neu bewertet werden? Ende vergangenen Jahres traf der EuGH ein wegweisendes Urteil zum Arzneimittelwerberecht, das auch das deutsche Heilmittelwerberecht aufmischen wird. Es dürfte zudem eine Rolle spielen, wenn in Kürze der Bundesgerichtshof entscheidet, ob DocMorris von der Apothekerkammer Nordrhein Schadenersatz verlangen kann. In der aktuellen DAZ erklärt Professor Elmar J. Mand die weitreichenden Folgen der EuGH-Entscheidung.

Im Dezember 2022 hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) eine wegweisende Entscheidung zur Wertreklame für Arzneimittel getroffen. Sie justiert die einschlägige EU-Richtlinie 2001/83 (Gemeinschafts­kodex für Humanarzneimittel) neu und wird auch in Deutschland nicht unerhebliche Änderungen mit sich bringen – davon ist der Apothekenrechtsexperte Professor Elmar J. Mand überzeugt. Warum, legt er in einem ausführlichen Beitrag in der aktuellen DAZ Nr. 27, 2023 dar. 

Darum ging es

Die lettische Apothekenkette Euroaptieka hatte auf ihrer Webseite und in ihrer Monatszeitung einen „Aktionsverkauf“ beworben. Beim Kauf von mindestens drei Artikeln, gleich ob Arzneimittel oder andere Gesundheitsprodukte aus dem Randsortiment, erhielt der Käufer nach seiner Wahl einen Preisnachlass von 15 Prozent für den Kauf eines der Produkte. Die zuständige Aufsichtsbehörde untersagte diese Werbung. Denn in Lettland gibt es eine Vorschrift, die Werbung für Arzneimittel verbietet, die sich auf die Preise, auf Sonderangebote oder auf kombinierte Verkäufe von Arzneimitteln zusammen mit anderen Waren bezieht.

Aber ist das mit den Vorgaben des Gemeinschaftskodex vereinbar? Der EuGH traf hierzu drei sehr bedeutsame Feststellungen:

  • Die Werbebestimmungen des Gemeinschaftskodex für Humanarzneimittel gelten nicht nur bei Werbemaßnahmen für ein bestimmtes Arzneimittel, sondern auch bei Werbemaßnahmen für unbestimmte Arzneimittel, das heißt für Arzneimittel im Allgemeinen oder eine Gesamtheit von nicht identifizierten Arzneimitteln.
  • Die beschriebene Werbemaßnahme der Euroaptieka stellt in diesem Sinne Werbung für Arzneimittel im Sinne des Gemeinschaftskodex dar.
  • Der Gemeinschaftskodex verbietet verbindlich derartige Werbeformen (auch) für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel.

Relevant ist die Entscheidung des EuGH unter anderem deshalb, weil danach auch sortimentsweite Rabattwerbung für verschreibungspflichtige Arzneimittel unter den Werbebegriff des Gemeinschaftskodex fallen kann und insoweit schon unionsrechtlich per se verboten ist. Zudem setzt nach der Rechtsprechung des EuGH der Gemeinschaftskodex bei nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln nunmehr selbst sehr weitgehend eigene Grenzen für die sortimentsweite Wertreklame, die jedenfalls im Bereich der Rabattwerbung strenger sind als der bisherige § 7 Heilmittelwerbegesetz (HWG) im deutschen Recht.

Schwindende Relevanz des EuGH-Urteils zur Preisbindung 

Das dürfte Konsequenzen haben: Zum einen dürften nicht nur die mit dem Vor-Ort-Apotheken-Stärkungsgesetz neu eingeführten Preisregeln und Zuwendungsbeschränkungen in § 129 Abs. 3 Satz 3 SGB V unionsrechtlich nicht mehr angreifbar sein. Auch der vorübergehende Sieg von DocMorris in der Rechtssache Deutsche Parkinson Vereinigung verliert an Wert. Insbesondere dürften die vom EU-Versender gegenüber der Apothekerkammer Nordrhein geltend gemachten Schadensersatzansprüche wegen zwischenzeitlich erwirkter einstweiliger Unterlassungsverfügungen schon deshalb entfallen, weil die konkret untersagten Werbeaktionen (Verzicht auf Zu­zahlungen, Bonusversprechen), wenn auch vielleicht nicht wegen Verstoßes gegen die deutsche Arzneimittelpreisbindung, wohl aber wegen Verstoßes gegen die HWG-Normen, die den Gemeinschaftskodex in nationales Recht umsetzen, ohnehin verboten waren. Womöglich verloren gegangene Gewinne aus solchen ohnehin verbotenen Werbe­aktionen begründen aber keinen ersatzfähigen Schaden. 

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Überdies steht nunmehr verbindlich fest, dass der Begriff der Werbegabe in § 7 HWG in seiner bisherigen Auslegung den Vorgaben des Gemeinschaftskodex für Humanarzneimittel insgesamt nicht gerecht wird. Schon aus Gründen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit sollte der Gesetzgeber 7 HWG daher an die Vorgaben des Unionsrechts anpassen.

Hier lesen Sie den gesamten Artikel.

Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 22. Dezember 2022, Rs. C‑530/20

Moritz Hahn

Prof. Dr. Elmar J. Mand, LL.M. (Yale)

Der Apotheken- und Arzneimittelrechtsexperte ist Honorarprofessor an der Philipps-Universität Marburg und Richter am Landgericht Bielefeld.


Deutsche Apotheker Zeitung
redaktion@daz.online


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