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Recht

EuGH: Verschärfungen bei der Wertreklame für Arzneimittel

Ein Urteil zur Werbung einer lettischen Apotheke mit weitreichenden Folgen

Im Dezember 2022 hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) eine wegweisende Entscheidung zur Wertreklame für Arzneimittel getroffen. Sie justiert die einschlägige EU-Richtlinie 2001/83 (Gemeinschafts­kodex für Humanarzneimittel) neu und wird auch in Deutschland nicht unerhebliche Änderungen mit sich bringen. (EuGH, Urteil vom 22. Dezember 2022 – C 530/20) 
| Von Elmar J. Mand 

Die Tragweite der Entscheidung lässt sich bereits an der ungewöhnlichen Prozessgeschichte erkennen: Nachdem zunächst die Dritte Kammer, dann die Vierte Kammer des EuGH befasst waren, verwies der Gerichtshof die Rechts­sache schließlich an die Große Kammer. Deren nun vorliegende Entscheidung beendet ein Kapitel höchst heterogener Judikate der einzelnen Kammern des Gerichts, die sich der Problematik Wertreklame für Arzneimittel aus unterschiedlichem Blickwinkel genähert hatten. Am Ende bleibt insbesondere von der kompetenzrechtlich, verfahrensrechtlich und inhaltlich höchst angreifbaren und zunehmend isolierten Entscheidung der Ersten Kammer in der Rechtssache Deutsche Parkinson Vereinigung, die im einheit­lichen Apothekenverkaufspreis preisgebundener Arzneimittel beim grenzüberschreitenden Arzneimittelverkehr einen Verstoß gegen die Warenverkehrsfreiheit (Art. 34 AEUV) EU-ausländischer Versandapotheken gesehen hatte, nicht mehr viel übrig.

Darum ging es

Die Euroaptieka als Teil einer Unternehmensgruppe, die in Lettland unter anderem eine Apothekenkette betreibt, hatte auf ihrer Webseite und in ihrer Monatszeitung einen „Aktionsverkauf“ beworben. Beim Kauf von mindestens drei Artikeln, gleich ob Arzneimittel oder andere Gesundheitsprodukte aus dem Randsortiment, erhielt der Käufer nach seiner Wahl einen Preisnachlass von 15 Prozent für den Kauf eines der Produkte.

Im aktuellen Urteil trifft der EuGH hierzu drei sehr bedeutsame Feststellungen:

  • Die Werbebestimmungen des Gemeinschaftskodex für Humanarzneimittel gelten nicht nur bei Werbemaßnahmen für ein bestimmtes Arzneimittel, sondern auch bei Werbemaßnahmen für unbestimmte Arzneimittel, das heißt für Arzneimittel im Allgemeinen oder eine Gesamtheit von nicht identifizierten Arzneimitteln.
  • Die beschriebene Werbemaßnahme der Euroaptieka stellt in diesem Sinne Werbung für Arzneimittel im Sinne des Gemeinschaftskodex dar.
  • Der Gemeinschaftskodex verbietet verbindlich derartige Werbeformen (auch) für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel.

Sortimentsweite Wertreklame als „Werbung für Arzneimittel“

Die Erkenntnis, dass auch Werbung für unbestimmte Arzneimittel, insbesondere sortimentsweite Wertreklame von Apotheken, unter den Werbebegriff des Gemeinschafskodex fallen kann, scheint für Deutschland auf den ersten Blick keine größere Bedeutung zu haben. Denn der EuGH hatte bereits kürzlich entschieden, dass der Gemeinschaftskodex für Humanarzneimittel den Mitgliedstaaten nicht untersagt, sortimentsweite Wertreklame für Arzneimittel durch nationale Regelungen einzuschränken. Auch das primäre Unionsrecht, insbesondere die Warenverkehrsfreiheit, stehe entsprechenden nationalen Verboten regelmäßig nicht entgegen [1]. Auf dieser Grundlage hatte der Bundesgerichtshof jüngst überzeugend entschieden, dass die nationale Umsetzungsvorschrift in § 7 Heilmittelwerbegesetz (HWG) – unabhängig von einer engeren Auslegung des Werbebegriffs im Gemeinschaftskodex – bei OTC- wie bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln auch die sortimentsweite Werbung erfasst [2].

Äußerst relevant ist die aktuelle Entscheidung des EuGH deshalb, weil danach auch sortimentsweite Rabattwerbung für verschreibungspflichtige Arzneimittel unter den Werbebegriff des Gemeinschaftskodex fallen kann und insoweit schon unionsrechtlich per se verboten ist. Zudem setzt nach der Rechtsprechung des EuGH der Gemeinschaftskodex bei nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln nunmehr selbst sehr weitgehend eigene Grenzen für die sortimentsweite Wertreklame, die jedenfalls im Bereich der Rabattwerbung strenger sind als der bisherige § 7 HWG im deutschen Recht.

Konkretisierung des Werbebegriffs

Der EuGH hatte keinen Zweifel, dass die sortimentsweite Werbeaktion der lettischen Euroaptieka Arzneimittelwerbung im Sinne des Gemeinschaftskodex darstellt. Er verweist auf das für die Auslegung des Werbebegriffs zentrale Merkmal der Absatzförderungsabsicht [3] und stellt klar, dass lediglich „rein informatorische Angaben zu Arzneimitteln“, einschließlich „objektiver Informationen über deren Preis“, vom Werbebegriff der Richtlinie ausgenommen sein könnten. Die „Verbreitung von Informationen, die den Kauf von Arzneimitteln fördern, indem die Notwendigkeit des Kaufs anhand des Preises der Arzneimittel gerechtfertigt wird, ein Sonderverkauf angekündigt wird oder angegeben wird, dass diese Arzneimittel zusammen mit anderen Arzneimitteln (einschließlich zu einem reduzierten Preis) oder anderen Waren verkauft werden“, falle hingegen auch dann unter den Werbebegriff der Richtlinie, wenn sich diese Informationen nicht auf ein bestimmtes Arzneimittel, sondern auf unbestimmte Arzneimittel beziehen. Hiervon sei bei der besonderen Form des Mengenrabattes der Euroaptieka auszugehen.

OTC-Arzneimittel

Generell sei Wertreklame, so der EuGH, bei nicht verschreibungspflichtigen und nicht erstattungsfähigen Arzneimitteln in besonderer Weise geeignet, die Kaufentscheidung des Endverbrauchers zu beeinflussen, weil dieser weder notwendigerweise einen Arzt konsultiere noch über die Sachkenntnis verfüge, den therapeutischen Wert des Arzneimittels zu beurteilen. Im Ergebnis dürfte sortimentsweite Wertreklame für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel, die sich nicht auf die schlichte Angabe des Preises beschränkt, damit in der Regel als Arzneimittelwerbung im Sinne des Gemeinschaftskodex zu qualifizieren sein. Diese Auslegung des EuGH entspricht im Kern den inzwischen niedrigen Anforderungen an den Produkt­bezug der Werbung im Rahmen des § 7 HWG [4]. Die EU-Kommission hat die neue Rechtsprechung bereits in Art. 175 Abs. 1 lit. h) ihres Entwurfs einer neuen EU-Humanarzneimittel-Richtlinie berücksichtigt. Zur Arzneimittelwerbung zählt danach explizit auch „advertising related to medicinal products, that does not refer to specific medicinal products“.

Rx-Arzneimittel

Der EuGH stellt in seiner aktuellen Entscheidung weiterhin klar, dass die weite Auslegung des Werbebegriffs nicht auf OTC-Arzneimittel beschränkt ist. Auch Werbung für unbestimmte verschreibungspflichtige Arzneimittel könne unter den Werbebegriff des Gemeinschaftskodex fallen, obwohl dem Arzneimittelbezug insoweit eine ärztliche Verordnung vorausgeht. Der Gerichtshof stützt sich bei seiner weiten Auslegung des Werbebegriffs sogar explizit auf das umfassende Werbeverbot für verschreibungspflichtige Arzneimittel in der Öffentlichkeitswerbung gemäß Art. 88 Abs. 1 lit. a GKHA (Gemeinschaftskodex für Humanarzneimittel) und das optionale Verbot für erstattungsfähige Arzneimittel gemäß Art. 88 Abs. 3 GKHA. Art. 88 GKHA verbiete – anknüpfend an Art. 86 Abs. 1 GKHA – ausdrücklich „jede Werbung für Arzneimittel“. Die für die Öffentlichkeitswerbung für Arzneimittel geltenden Bestimmungen der Art. 89 und 90 GKHA seien zwar sprachlich enger gefasst, da sie nur die Werbung für „ein Arzneimittel“ im Singular regelten. Dies gelte nach Art. 89 Abs. 1 der Richtlinie jedoch gerade „unbeschadet des Art. 88“, weshalb der dortige weite Werbebegriff auch auf die Öffentlichkeitswerbung zu übertragen sei. Weiterhin bestehe insbesondere beim Werbeverbot für verschreibungspflichtige Arzneimittel und bei der Befugnis der Mitgliedstaaten gemäß Art. 88 Abs. 3 GKHA, jede Werbung für erstattungsfähige Arzneimittel zu untersagen, ein dringender Bedarf für eine weite Auslegung. Anderenfalls fielen Werbeaktionen, die sich z. B. auf eine ganze Klasse von Arzneimitteln mit gleicher Indikation bezögen, aus den genannten Beschränkungen heraus. Damit könnte das wesentliche Ziel des Schutzes der öffentlichen Gesundheit stark gefährdet werden.
 

Auszug aus Art. 88 des Gemeinschaftskodex für Humanarzneimittel (GKHA) Verbot von Öffentlichkeitswerbung

(1) Die Mitgliedstaaten verbieten die Öffentlichkeitswerbung für Arzneimittel, die

a) gemäß Titel VI nur auf ärztliche Verschreibung abgegeben werden dürfen, (...)

(2) Für Arzneimittel, die nach ihrer Zusammensetzung und Zweckbestimmung so beschaffen und konzipiert sind, dass sie ohne Tätigwerden eines Arztes für die Diagnose, Verschreibung oder Überwachung der Behandlung, erforderlichenfalls nach Beratung durch den Apotheker, verwendet werden können, kann Öffentlichkeitswerbung erfolgen.

(3) Die Mitgliedstaaten sind berechtigt, in ihrem Gebiet die Öffentlichkeitswerbung für erstattungsfähige Arzneimittel zu untersagen.

Bezüglich der Frage, wann genau eine sortimentsweite Werbung für verschreibungspflichtige Arzneimittel unter den Werbebegriff der Richtlinie des Gemeinschaftskodex fällt, verbleiben nach dem aktuellen Urteil gleichwohl Randunschärfen. Denn der EuGH grenzt seine aktuelle Entscheidung zu den vorhergehenden Urteilen der Vierten Kammer ab, die in einem Gewinnspiel einer Apotheke, an dem jeder Einsender eines Rezepts teilnahm und Gegenstände des täglichen Gebrauchs gewinnen konnte, keine Arzneimittelwerbung, sondern eine Werbung für die Dienstleistung des Online-Verkaufs von Arzneimitteln gesehen hatte. „In diesem besonderen Kontext“, daran hält der EuGH ganz offenbar fest, ziele die Werbeaktion nicht darauf ab, den Kunden in der Entscheidung für ein bestimmtes Arzneimittel zu beeinflussen, sondern in der – nachgelagerten – Entscheidung für die Apotheke, bei der er das Arzneimittel kauft. Derartige Werbemaßnahmen fielen also nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinie. Ob man diese Abgrenzung für stichhaltig hält, erscheint durchaus zweifelhaft, weil mit jeder Einsendung eines Rezepts eine besondere Form eines geldwerten Vorteils verbunden ist, nämlich die Gewinnchance, deren Wert sich aus dem Wert des ausgelobten Gewinnes multipliziert mit der Wahrscheinlichkeit des Gewinns ergibt [5].

Folgen für die typische Reklame von Versandapotheken

Jedenfalls dürften die typischen Formen der Wertreklame von Versandapotheken, insbesondere die Auslobung von Geldgutscheinen, anderen Bonifikationen und der Verzicht auf Arzneimittelzuzahlungen für jede eingereichte Rezeptzeile nach den tragenden Erwägungen des aktuellen EuGH-Urteils unter den Werbebegriff des Gemeinschafskodex für Humanarzneimittel fallen. Sie sind daher abgesehen vom Verstoß gegen Art. 87 Abs. 3 GK (siehe dazu Abschnitt „Unionsrechtliche Anforderungen an die Wertreklame für OTC-Arzneimittel“) auch gemäß Art. 88 Abs. 1 lit. a) und optional gemäß Abs. 3 GKHA per se zu untersagen. Denn bei diesen Formen der Wertreklame wird ein wirtschaftlicher Vorteil ausgelobt, der zum Bezug der Arzneimittel motivieren soll. Dass der jeweiligen Bestellung eine ärztliche Verordnung vorausgehen muss, steht dem nicht entgegen, denn dies ist bei jedem verschreibungspflichtigen Arzneimittel der Fall. Dennoch hat der EuGH auch hier auf das Erfordernis einer Werbung für bestimmte Arzneimittel verzichtet. Für diese weite Auslegung sprechen nicht zuletzt die Schutzzwecke von Art. 88 Abs. 1 und Abs. 3 GKHA, die jede Werbung für verschreibungspflichtige und optional auch für alle erstattungsfähigen Arzneimittel verbieten. Die auch vom EuGH betonten Risiken für das finanzielle Gleichgewicht der nationalen Systeme der sozialen Sicherheit sind nämlich völlig unabhängig davon betroffen, ob die Arzneimittelnachfrage auf ein bestimmtes Arzneimittel, auf eine bestimmte Gruppe von Arzneimitteln (z. B. ein bestimmtes Indikationsgebiet) oder auf alle verschreibungspflichtigen bzw. erstattungsfähigen Arzneimittel gelenkt wird. Bei einer besonders breit angelegten Werbung ist der Schutzbedarf und damit die Gefahr für die öffentliche Gesundheit sogar noch größer.

Bei den genannten Werbeaktionen ausländischer Versandapotheken wird dies besonders deutlich. Denn diese Versender stellen nicht etwa objektive Informationen über den Preis bereit, der ohnehin in aller Regel von den Krankenversicherungen getragen wird und nicht von den Endkunden, die die ausgelobten Vorteile als Kaufanreiz erhalten. Bei einem Zuzahlungsverzicht wird vielmehr – zumindest indirekt – auch für die Erstattungsfähigkeit geworben, bei zusätzlichen Boni droht gar ein „Geldverdienen auf Rezept“, der Kunden dazu veranlassen könnte, sich entsprechende Arzneimittel überhaupt erst verordnen zu lassen. Die Werbung betrifft also – in den Worten des EuGH – keineswegs nur die ohnehin der Verordnung stets „nachgelagerte“ Entscheidung für die Apotheke als Bezugsquelle. Vielmehr wird mittels einer Gewährung wirtschaftlicher Vorteile die „Notwendigkeit eines Arzneimittelkaufs“ als solche gerechtfertigt, der Bezug verschreibungspflichtiger Arzneimittel gefördert und dadurch die finanzielle Stabilität der sozialen Sicherungssysteme untergraben.

Kein Raum für Schadensersatzansprüche

Für ausländische Versandapotheken wie DocMorris ist dies misslich. Denn damit dürften nicht nur die mit dem Vor-Ort-Apotheken-Stärkungsgesetz neu eingeführten Preisregeln und Zuwendungsbeschränkungen in § 129 Abs. 3 Satz 3 SGB V [6] unionsrechtlich nicht mehr angreifbar sein. Auch der vorübergehende Sieg von DocMorris in der Rechtssache Deutsche Parkinson Vereinigung verliert an Wert. Insbesondere dürften Schadensersatzansprüche wegen zwischenzeitlich erwirkter einstweiliger Unterlassungsverfügungen gemäß § 945 Zivilprozessordnung schon deshalb entfallen, weil die konkret untersagten Werbeaktionen (Verzicht auf Zu­zahlungen, Bonusversprechen), wenn auch vielleicht nicht wegen Verstoßes gegen die deutsche Arzneimittelpreisbindung gemäß § 78 Abs. 2 AMG, wohl aber wegen Verstoßes gegen §§ 4a Abs. 2, 10 Abs. 1 HWG, welche die Art. 88 Abs. 1 lit. a) und Abs. 3 GKHA in nationales Recht umsetzen, und wegen Verstoßes gegen § 7 HWG, der Art. 87 Abs. 3 GKHA umsetzt, ohnehin verboten waren. Womöglich verloren gegangene Gewinne aus solchen ohnehin verbotenen Werbe­aktionen begründen aber keinen ersatzfähigen Schaden [7].

Unionsrechtliche Anforderungen an die Wertreklame für OTC-Arzneimittel

Im Bereich von OTC-Arzneimitteln enthält der Gemeinschaftskodex keine ausdrücklichen Regelungen zur Wertreklame in der Öffentlichkeitswerbung. Der Gerichtshof leitet nunmehr allerdings aus dem für jede Arzneimittelwerbung geltenden Art. 87 Abs. 3 GKHA (in Verbindung mit Erwägungsgrund 45 GKHA) einen Anspruch auf Vollharmonisierung auch in diesem Bereich ab – einschließlich des Bereichs der sortimentsweiten Wertreklame [8]. Dies beschränkt die Freiheit der Mitgliedstaaten zu eigenständiger Regelung, die noch im Urteil des Gerichtshofs vom 1. Oktober 2020 in der Rechtssache C-649/18 zur grenzüberschreitenden Online-Werbung für Arzneimittel durchschien [9]. Viel spricht für die Annahme, dass der EuGH sich mit seinem aktuellen Urteil die Deutungshoheit in diesem wichtigen Bereich des Arzneimittelwerberechts zurückholen wollte.

Die Auswirkungen der jüngsten EuGH-Entscheidung reichen deshalb sehr weit. Zum einen steht nunmehr verbindlich fest, dass der Begriff der Werbegabe in § 7 HWG in seiner bisherigen Auslegung den Vorgaben des Gemeinschaftskodex für Humanarzneimittel insgesamt nicht gerecht wird. So stellt der EuGH klar, dass es sich auch bei einem günstigen (reduzierten) Gesamtpreis um Werbung für Arzneimittel handelt, auch wenn keines der beworbenen Produkte der Euroaptieka vollständig ohne Entgelte abgegeben wurde. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der – orientierend an den überkommen, aber in § 7 HWG übernommenen Vorgaben der Zugabeverordnung – bisher für Werbegaben voraussetzte, dass der Endkunde diese als „echtes Geschenk“ ansieht, sollte dementsprechend durch den Begriff des wirtschaftlichen Vorteils, mit dem der Kauf gerechtfertigt wird, ersetzt werden. Darüber hinaus ist die Ausnahme in § 7 HWG, die unbegrenzt die Ankündigung und Gewährung von Barrabatten bei nicht preisgebundenen Arzneimitteln erlaubt, bei Humanarzneimitteln einzuschränken. Insbesondere das in Deutschland bei OTC-Arzneimitteln inzwischen verbreitete Bewerben von Sonderverkaufspreisen, etwa in der Form, dass der alte Preis durchgestrichen und der neue (zeitweilig) reduzierte Preis daneben angegeben wird, erweist sich nach dem aktuellen Urteil des EuGH als unionsrechtswidrig [10]. Ob dieses Ergebnis im Wege der richtlinienkonformen Auslegung des § 7 HWG durch die Rechtsprechung erreicht werden kann, erscheint nicht ganz unzweifelhaft [11]. Unabhängig davon sollte der Gesetzgeber aus Gründen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit, § 7 HWG an die Vorgaben des Unionsrechts anpassen [12]. |

Literatur und Rechtsprechung

 [1] EuGH, Urt. v. 01.10.2020 – C 649/18, GRUR 2020, 1219 Rdnr. 52 ff., dazu Mand E, A&R 2021, 229 ff.

 [2] BGH, Urt. v. 18.11.2021, A&R 2022, 34 – Gewinnspielwerbung II; vgl. Mand E, A&R 2021, 227, 233.

 [3] Eingehend dazu Mand E in: Prütting, Medizinrecht, 5. Auflage 2022, § 1 HWG Rdnr. 7 ff.

 [4] Vgl. BGH, Urt. v. 24.11.2016 – I ZR 163/15, GRUR 2017, 635 Rdnr. 31 f. – Freunde werben Freunde.

 [5] BGH, Beschl. v. 20.02.2020 – I ZR 214/18, GRUR 2020, 659 Rdnr. 28; Mand E in: Gröning/Mand/Reinhart, Heilmittelwerberecht, Stand: 2015, § 7 HWG Rdnr. 57.

 [6] Eingehend dazu Mand E, Meyer H, A&R 2020, 147.

 [7] Vgl. BGH, Urt. v. 20.07.2006 – IX ZR 94/03, NJW 2006, 2767 Rn. 27

 [8] Ebenso bereits Mand E, GRUR 2016, 556; ders., in Gröning/Mand/Reinhart, Heilmittelwerberecht, Stand: 2015, § 7 HWG Rdnr. 108 ff.

 [9] Vgl. Mand E, A&R 2021, 227, 230 ff.

[10] Zutreffend Douglas M, A&R 2023, 44, 48.

[11] Vgl. Mand E in: Prütting, Medizinrecht, 5. Auflage. 2022, Einführung HWG Rdnr. 35 ff.

[12] Vgl. Mand E, GRUR 2016, 56.

Autor

Foto: DAZ/Moritz Hahn

Prof. Dr. Elmar J. Mand, LL.M. (Yale)

Der Apotheken- und Arzneimittelrechtsexperte ist Honorarprofessor an der Philipps-Universität Marburg und Richter am Landgericht Bielefeld.

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