Was wird aus den Schadenersatzforderungen von DocMorris?

Die Rx-Boni-Frage landet wieder vor dem EuGH

Berlin - 13.07.2023, 11:59 Uhr

Der Bundesgerichtshof hat erneut den Europäischen Gerichtshof angerufen: Steht es im Einklang mit EU-Recht, die Werbung für Rx-Boni von DocMorris zu verbieten? (Foto: IMAGO / imagebroker)

Der Bundesgerichtshof hat erneut den Europäischen Gerichtshof angerufen: Steht es im Einklang mit EU-Recht, die Werbung für Rx-Boni von DocMorris zu verbieten? (Foto: IMAGO / imagebroker)


Muss die Apothekerkammer Nordrhein mehrere Millionen Euro Schadenersatz an DocMorris zahlen? Dazu wurde am heutigen Donnerstag eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs erwartet. Doch der hält die Sache spannend: Er hat das Verfahren ausgesetzt. Zunächst soll der Europäische Gerichtshof einige Fragen klären.

DocMorris will Schadenersatz von der Apothekerkammer Nordrhein (AKNR). Der Versender sieht sich geschädigt, weil ihn die Kammer in der Vergangenheit wegen diverser Rx-Boni-Werbeaktionen immer wieder mit Verbotsverfügungen überzogen und diese auch vollzogen hat. Denn spätestens nach der Entscheidung des Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes im Jahr 2012 schien allen klar: Auch EU-Versender müssen sich an die deutsche Preisbindung halten, wenn sie hierzulande Rezepte abfischen. Doch dann entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH) im Herbst 2016 anders. Die seinerzeit zuständige Kammer befand, dass die deutsche Rx-Preisbindung für EU-ausländische Versandapotheken europarechtswidrig sei. Ein umstrittenes Urteil, das die deutsche Apothekenwelt gründlich aufmischte.

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Muss die AKNR DocMorris Schadenersatz zahlen?

Es sorgte auch dafür, dass DocMorris in die Offensive ging: Die Niederländer klagten gegen die AKNR, weil aus ihrer Sicht rückblickend alle vorangegangen Verfügungen und Vollstreckungen unzulässig waren. In erster Instanz wies das Landgericht Köln die Klage ab. Das Oberlandesgericht Düsseldorf sah es jedoch anders. Im März 2022 bejahte es das Bestehen eines Schadensersatzanspruchs dem Grunde nach– zur Höhe gab es allerdings keine Entscheidung. Und die Forderungen von DocMorris sind mittlerweile in schwindelerregende Höhen gestiegen – mehr als 18 Millionen Euro will der Versender von der Kammer.

Die AKNR ließ das Düsseldorfer Urteil selbstverständlich nicht auf sich sitzen und zog vor den Bundesgerichtshof. Dieser setzte am heutigen Donnerstag das Verfahren aus. Vor seiner Entscheidung will er erst noch einige Fragen vom Europäischen Gerichtshof geklärt wissen. Welche das sind, wurde heute bekannt, welche Überlegungen dahinter stehen, also die schriftlichen Gründe des Beschlusses, sind allerdings noch nicht veröffentlicht.

Wichtig bei diesem Verfahren: Hier geht es nicht mehr darum, ob DocMorris Preisnachlässe gewähren darf. Es geht nun nur noch um die Werbung für diese Preisnachlässe – diesen Aspekt hatte der EuGH 2016 in seiner Entscheidung gar nicht berücksichtigt. Denn selbst wenn ein Rabatt nicht verboten sein mag: Arzneimittel sind noch immer eine ganz besondere Ware und für die Werbung gelten sehr enge Grenzen, in Europa wie auch national.

Unterliegt die sortimentsweite Werbung für Rx den EU-Arzneimittelwerbevorschriften?

Und so will der Bundesgerichtshof vom EuGH zunächst grundsätzlich wissen, ob eine Werbung für den Bezug verschreibungspflichtiger Arzneimittel aus dem gesamten Warensortiment einer Apotheke dem Anwendungsbereich der Regelungen zur Werbung für Arzneimittel in der Richtlinie 2001/83/EG (Titel VIII und VIIIa, Art. 86 bis 100) unterliegt – also dem EU-Arzneimittelkodex.

So besagt Art. 88 der Richtlinie, dass die Mitgliedstaaten die Öffentlichkeitswerbung für verschreibungspflichtige Arzneimittel verbieten. Aber sind damit einzelne Arzneimittel gemeint, oder wird damit auch eine allgemeine Rabattwerbung für Rx-Arzneimittel erfasst?

Für den Fall, dass der EuGH diese erste Frage bejaht, will der Karlsruher Zivilsenat genauer wissen, was man in Luxemburg vom deutschen heilmittelwerberechtlichen Zuwendungsverbot mit seinen Ausnahmen hält – § 7 Heilmittelwerbegesetz mit seinen vielen Varianten bietet schließlich jede Menge juristischen Zündstoff. Ausgenommen vom Zuwendungsverbot sind etwa auf bestimmte Art zu berechnende Barrabatte (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 Nr. 2 Teilsatz 1 Buchst. a HWG). Aber wie sieht es nun aus mit Gutscheinen über einen Geldbetrag oder prozentualen Rabatten für den späteren Erwerb von Produkten? Ist es im Rahmen des europarechtlich Zulässigen, diese EU-Versendern im Rx-Bereich zu verbieten?

Ebenfalls für den Fall, dass die erste Frage bejaht wird, fragt der Bundesgerichtshof noch nach, ob es mit den EU-Vorgaben im Einklang steht, wenn besagte HWG-Norm „dahin ausgelegt wird, dass sie die Werbung für das gesamte Sortiment verschreibungspflichtiger Arzneimittel einer in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Versandapotheke mit Werbegaben in Gestalt unmittelbar wirkender Preisnachlässe und Zahlungen gestattet“.

Man darf also wieder einmal gespannt sein, wie Luxemburg in Sachen Arzneimittelwerbung entscheidet. Erst im vergangenen Dezember zog er strenge Grenzen für die Apothekenwerbung für nicht-verschreibungspflichtige Arzneimittel.

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 13. Juli 2023, Az.: I ZR 182/22


Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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