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GKV-Finanzstabilisierungsgesetz
Viele Pläne und große Sparerwartungen bei der Arzneimittelpreisbildung
Neben den unmittelbaren Folgen für die Apotheken interessieren am Referentenentwurf für das neue GKV-Finanzstabilisierungsgesetz aus Apothekersicht insbesondere die Sparbeiträge der Pharmaindustrie und die Maßnahmen bei der Preisbildung von Arzneimitteln. Letztere sind als dauerhafte Reform angelegt und betreffen über die Preisbildung indirekt auch die Apotheken.
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) will den Apotheken für die Dauer von zwei Jahren einen von 1,77 Euro auf 2 Euro erhöhten Kassenabschlag auferlegen. So ist es im Referentenentwurf eines GKV-Stabilisierungsgesetzes vorgesehen. Doch was genau steckt für die Pharmaindustrie im Sparpaket? Immerhin würde eine Arzneimittelpreisbremse indirekt auch die Apotheken betreffen.
Sehr einfach ist die Funktionsweise beim Preismoratorium, das über das Jahresende 2022 um weitere vier Jahre verlängert werden soll. Je länger es gilt, umso mehr koppelt es die betroffenen Pharmaunternehmen von der wirtschaftlichen Entwicklung ab. Die weiteren Maßnahmen zur Pharmaindustrie beziehen sich ausdrücklich nur auf patentgeschützte Arzneimittel. Offenbar herrscht Konsens, dass im Generikamarkt nichts mehr einzusparen ist.
Zwei Jahre Solidaritätsabgabe
Eine neuartige Maßnahme ist die geplante Solidaritätsabgabe pharmazeutischer Unternehmer in Höhe von 1 Milliarde Euro pro Jahr für zwei Jahre. Zunächst war die Rede von einmalig 1 Milliarde Euro, nun sind aber zweimal 1 Milliarde Euro vorgesehen. Die Forderungen sollen abhängig vom Anteil der Unternehmen am Markt der patentgeschützten Arzneimittel erhoben werden, auch von den Herstellern von Arzneimitteln gegen seltene Leiden. Bemerkenswert erscheint, dass hier Unternehmen unabhängig von einer bestehenden Vertragsbeziehung zur GKV zu Zahlungen an die GKV herangezogen werden sollen.
Freie Preise nur für sechs Monate
Die weiteren Pläne beziehen sich auf die Preisbildung im Anschluss an die frühe Nutzenbewertung von Arzneimitteln mit einem neuen Wirkstoff oder einer neuen Indikation. Nachdem bereits seit Jahren über mögliche Reformen des Bewertungsprozesses diskutiert wird, würden die geplanten Neuerungen in ihrer Summe die wohl größte Änderung seit der Einführung des Verfahrens im Jahr 2011 darstellen. Der ausgehandelte Erstattungsbetrag, der bisher ab dem 13. Monat nach Markteinführung gilt, soll künftig schon ab dem siebten Monat gelten. Die bisher einjährige Phase mit freier Preisbildung für die Industrie würde also auf ein halbes Jahr verkürzt. Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) erwartet dadurch Einsparungen von etwa 150 Millionen Euro pro Jahr.
Neuer Kombinationsabschlag
Ein ganz neues Instrument soll ein neuer Kombinationsabschlag von 20 Prozent auf den ausgehandelten Erstattungsbetrag werden. Die Idee dahinter ist, dass bei Kombinationen neuer Arzneimittel der innovative Effekt nicht mehrfach honoriert werden soll. Daher soll der Gemeinsame Bundesausschuss Kombinationen solcher Arzneimittel definieren. Dann können die Krankenkassen ermitteln, welche ihrer Patienten solche Kombinationen verordnet bekommen.
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Auf Basis der neuen Rechtslage sollen die Krankenkassen Vereinbarungen mit den Herstellern treffen, um den Abschlag von den Herstellern zu erhalten. Dies dürfte also an den Apotheken vorbeigehen, weil nur die Krankenkassen alle Verschreibungen für einen Versicherten erfassen können. Das heißt jedoch einmal mehr, dass die Krankenkassen die Taxpreise letztlich nicht in voller Höhe tragen. Der Kombinationsabschlag soll mittelfristig zu Einsparungen von rund 185 bis 250 Millionen Euro führen, schreibt das BMG. Vermutlich ist damit ein jährlicher Betrag gemeint.
Therapiegerechte Dosierung und seltene Leiden
Eine weitere grundsätzliche Neuerung soll die Vorschrift werden, dass die Preise von neuen Arzneimitteln anzupassen sind, wenn bei einer oder mehreren Patientengruppen bei therapiegerechter Dosierung ein Verwurf von mehr als 20 Prozent des Packungsinhalts zu erwarten ist. Das BMG erwartet dadurch mittelfristig Einsparungen von jährlich etwa 50 Millionen Euro. Vermutlich zielt die Regelung primär auf Arzneimittel, die in Spezialrezepturen verarbeitet werden. Sie dürfte einen Anreiz zur sinnvollen Bemessung der Packungsgrößen geben und könnte damit auch den Umgang mit solchen Arzneimitteln in der Rezeptur beeinflussen.
Für Arzneimittel gegen seltene Leiden, bei denen ein Zusatznutzen ohne Nutzenbewertung als belegt gilt, soll die Umsatzschwelle von 50 Millionen Euro auf 20 Millionen Euro pro Jahr sinken. Die daraufhin künftig erforderlichen Nutzenbewertungen sollen mittelfristig zu Einsparungen von 100 bis 200 Millionen Euro jährlich führen. Hintergrund ist der Dauerstreit, ob der Sonderstatus dieser Arzneimittel als Hintertür für überhöhte Preise ausgenutzt wird.
Neue Leitplanken für Preisverhandlungen
Weitere Maßnahmen betreffen die Preisverhandlungen. Die ursprüngliche Idee des im Jahr 2011 eingeführten Verfahrens war, dass der GKV-Spitzenverband und der jeweilige Hersteller auf der Grundlage der Nutzenbewertung, aber ohne gesetzliche Vorgaben einen Preis aushandeln. Inzwischen wurden jedoch für bestimmte Konstellationen Vorgaben eingeführt, die nun noch enger gefasst werden sollen.
Bisher konnten die Vertragspartner gemäß § 130b Absatz 1a Satz 1 SGB V „auch mengenbezogene Aspekte, wie eine mengenbezogene Staffelung oder ein jährliches Gesamtvolumen“ vereinbaren. Künftig soll das zur Pflicht werden. Dabei sollen Vereinbarungen für eine mögliche Ausweitung des Marktpotenzials eines Arzneimittels getroffen werden, damit im Fall einer Indikationsausweitung nicht die Ergebnisse eines neuen Bewertungsverfahrens abgewartet werden müssen, heißt es in der Begründung des BMG.
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Außerdem geht es um die Preise selbst. Die dafür vorgesehenen „Leitplanken“ beziehen sich auf die Preise der jeweiligen zweckmäßigen Vergleichstherapie, sofern diese patentgeschützt ist. Für Arzneimittel, die keinen Zusatznutzen haben und keiner Festbetragsgruppe zugeordnet werden können, soll ein Erstattungsbetrag gelten, der zu Jahrestherapiekosten führt, die mindestens 10 Prozent geringer als bei der Vergleichstherapie sind. Wie bisher sollen neue Arzneimittel ohne belegten Zusatznutzen einen geringeren Preis als die Vergleichstherapie haben.
Künftig sollen neue Arzneimittel mit geringem oder nicht quantifizierbarem Zusatznutzen einen vergleichbaren Preis wie eine patentgeschützte Vergleichstherapie erhalten. Die Bezugnahme auf eine patentgeschützte Vergleichstherapie soll ein angemessenes Preisniveau sicherstellen. Wenn eine Vergleichstherapie nicht Gegenstand einer Nutzenbewertung war, soll nicht ihr tatsächlicher Preis, sondern ein um 15 Prozent geringerer Betrag als Grundlage für die Preisbildung anderer Arzneimittel herangezogen werden. Für Arzneimittel mit mehr als geringem Zusatznutzen soll es weiterhin keine Vorgaben für die Preisverhandlungen geben. Aufgrund der Veränderungen bei der Preisbildung erwartet das BMG mittelfristig Einsparungen von 250 bis 435 Millionen Euro pro Jahr.
Reform im Schatten kurzfristiger Sparmaßnahmen
Damit sieht der Referentenentwurf für das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz neben dem verlängerten Arzneimittelpreismoratorium und dem zweijährigen Solidarbeitrag der Pharmaindustrie vielfältige dauerhafte Eingriffe in die Bewertung und Preisbildung neuer Arzneimittel vor. Über mögliche Reformen an der frühen Nutzenbewertung und der anschließenden Preisverhandlung wird schon lange diskutiert. Nun präsentiert das BMG gewissermaßen im Schatten kurzfristiger Sparmaßnahmen dauerhafte Änderungen dieses Verfahrens. Allerdings sind dies vielfach Änderungen der bekannten Parameter und nur kleine strukturelle Neuerungen. Einige Stellgrößen werden zulasten der Pharmaindustrie nachjustiert. Das viel diskutierte Problem, welche Forschungsanreize die frühe Nutzenbewertung setzen kann und soll, bleibt jedoch unberührt. Außerdem bleibt gerade angesichts der Vielzahl der geplanten Maßnahmen derzeit noch offen, welche davon letztlich beschlossen werden.
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