Anhaltende Kritik an Plänen zur GKV-Finanzstabilisierung

„Hier wird definitiv am falschen Ende gespart“

Berlin - 11.07.2022, 17:15 Uhr

LAV-Vorsitzener Berend Groeneveld: „Dieses ‚Löcherstopfgesetz‘ des BMG wird für das Gesundheitssystem keine effektive Wirkung haben.“ (Foto: LAV Nds / Lorena Kirste)

LAV-Vorsitzener Berend Groeneveld: „Dieses ‚Löcherstopfgesetz‘ des BMG wird für das Gesundheitssystem keine effektive Wirkung haben.“ (Foto: LAV Nds / Lorena Kirste)


Aus der Apothekerschaft wird weiterhin scharfe Kritik an den Sparplänen des Bundesgesundheitsministeriums im Apothekenbereich laut. Die Erhöhung des Kassenabschlags werde zu weiteren Apothekenschließungen führen, warnen nun auch die Kammer Baden-Württemberg und der Verband Niedersachsen.

Am kommenden Mittwoch steht die Verbändeanhörung zum Referentenentwurf für das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz an. Es ist absehbar, dass es im Bundesgesundheitsministerium heiß hergehen wird. Ob Pharmaverbände, (Zahn)Ärzte- oder Apothekerschaft – niemand mag die Sparpläne von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach. Nicht einmal die Krankenkassen zeigen sich begeistert.

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Die Apotheken sollen durch eine zweijährige Erhöhung des Kassenabschlags von 1,77 Euro auf 2,00 Euro ihren Beitrag zur Stabilisierung der Kassenfinanzen leisten. Schon in der vergangenen Woche haben sich neben der ABDA auch einige Landesorganisationen der Apothekerschaft kritisch zu Wort gemeldet. Zu Beginn der neuen Woche geht es weiter.

So erklärte Martin Braun, Präsident der Landesapothekerkammer Baden-Württemberg: „Auch wenn im Angesicht der aktuellen weltpolitischen und -ökonomischen Lage die Erzielung von Einsparungen ein nachvollziehbares politisches Anliegen ist, so ist der Gesundheitsminister dafür bei den Apotheken an der falschen Adresse.“ Schließlich hatte das Apothekenhonorar im vergangenen Jahr gerade einmal einen Anteil von 1,9 Prozent an den GKV-Gesamtausgaben. „Kaum ein anderer Bereich im Gesundheitssystem arbeitet derart effizient wie die Apotheken“, betont Braun. „Statt eines wenigstens anteiligen Inflationsausgleiches steht nun eine erhebliche Honorarkürzung im Raum. Das geht an die Substanz vieler Apotheken und wird hingegen kaum eine nennenswerte Entlastung für das Gesamtsystem bringen.“

Sinkende Apothekenzahl sollte deutliche Warnung sein

Die Kammer verweist darauf, dass die Apothekenzahl in Baden-Württemberg in den vergangenen fünf Jahren um rund 7 Prozent zurückgegangen sei. Das sollte aus ihrer Sicht „eine deutliche Warnung an die Politik sein“. Es stehe zu befürchten, dass mit den jetzigen Plänen die finanzielle und personelle Belastungsgrenze der Vor-Ort-Apotheken überschritten und es damit zu weiteren Schließungen kommen werde. Damit werde sich auch die Versorgung der Bevölkerung mit apothekerlichen Dienstleistungen – vor allem außerhalb der Ballungsräume – deutlich verschlechtern.

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Auch der Landesapothekerverband Niedersachsen (LAV) weist auf das seit Jahren stagnierende Apothekenhonorar hin und befürchtet eine Beschleunigung des Apothekenrückgangs. „Mit Entsetzen haben wir die Nachricht über die Pläne des BMG aufgenommen, den ohnehin bereits schon zu hohen Abschlag um weitere 23 Cent pro abgegebene Arzneimittelpackung zu erhöhen“, sagt Verbandsvorsitzender Berend Groeneveld. „Das ist für uns Apothekerinnen und Apotheker, die während der Corona-Pandemie viele zusätzliche Sonderaufgaben übernommen haben, ein absoluter Vertrauensbruch, den wir nicht hinnehmen wollen!“ 

Man arbeitete schon jetzt über der Belastungsgrenze und habe mit großen Personalproblemen zu kämpfen. Der LAV-Vorstandsvorsitzende warnt: „Erhöht das BMG den Abschlag, werden mittelfristig weitere Schließungen der Vor-Ort-Apotheken die Folge sein, denn viele Apotheken werden sich nicht mehr halten können und der Nachwuchs wird in der Übernahme einer öffentlichen Apotheke keine Zukunft mehr sehen. Ein wichtiger Arbeitgeber, eine soziale Anlaufstelle und Lotse im Gesundheitswesen geht in den Regionen und Gemeinden Niedersachsens verloren.“

Groeneveld ist überzeugt: „Dieses ‚Löcherstopfgesetz‘ des BMG wird für das Gesundheitssystem keine effektive Wirkung haben, sondern führt zu einer massiven Belastung der Apothekerinnen und Apotheker. Hier wird definitiv am falschen Ende gespart.“


Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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1 Kommentar

Kernforderung! Jetzt!

von Uwe Hansmann am 12.07.2022 um 20:31 Uhr

KERNFORDERUNG

Nur zur Erinnerung für alle, die erst danach eingestiegen sind:

GMG 2004 - Artikel 23 Änderung des Arzneimittelgesetzes

§ 78 wird wie folgt geändert:

. . .
bb)
Folgender Satz wird angefügt:

„Abweichend von Satz 1 wird das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, den Festzuschlag entsprechend der Kostenentwicklung der Apotheken bei wirtschaftlicher Betriebsführung anzupassen."

Die Politik hält uns seit 2004 wie einen Wurm an der Honorarangel.

Solange diese Kernforderung nicht annähernd erfüllt wird, glaube doch niemand, daß wir mit PdL irgendeinen Blumentopf gewinnen können.

Hier wird geschickt und ganz bewußt auf Nebenkriegsschauplätzen "Politik gemacht" um von den eigentlich drängenden, wirtschaftlichen Problemen, die angesichts der in 18 Jahren aufgelaufenen Kostensteigerungen jetzt vehement zu Tage treten, abzulenken.

Ich stelle mal die Behauptung auf, daß bei aktuellen Mieten für Geschäftsräume und den aktuellen, im Januar 2023 weiter steigenden Tariflöhnen, viele Apotheken in existenziell bedrohliche, wirtschaftliche Schieflagen kommen werden - wenn sie nicht schon drin sind. Zudem wird eine Betriebsübertragung an potentielle Nachfolger ungleich schwerer.

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