Subtypen wie BA 2.12.1

Schnell, schneller, Omikron – immer neue Subtypen auf dem Vormarsch

Düsseldorf - 26.04.2022, 13:30 Uhr

Zahlen des CDC belegen, wie der Anteil des Omikron-Subtyps BA.2 sprunghaft zunimmt. Unterdessen beobachtet man in den USA die signifikante Zunahme einer weiteren Sublinie: BA 2.12.1. (c / Quelle: JPWeiland / Twitter) 

Zahlen des CDC belegen, wie der Anteil des Omikron-Subtyps BA.2 sprunghaft zunimmt. Unterdessen beobachtet man in den USA die signifikante Zunahme einer weiteren Sublinie: BA 2.12.1. (c / Quelle: JPWeiland / Twitter


Während der Variantenreichtum des COVID-19-Erregers sich weltweit vor allem auf Omikron reduziert hat, entstehen innerhalb der Variante immer neue Subtypen. Diese übertrumpfen einander in Sachen Ausbreitungsgeschwindigkeit immer mehr. Die neueste der dominanten Subtypen ist nun BA 2.12.1.

Lange galt der Malaria-Erreger, der Einzeller Plasmodium falciparum, mit einer geschätzten durchschnittlichen Basisreproduktionszahl (R0) von 17 als der ansteckendste Krankheitserreger der Welt (keine Mensch-zu-Mensch-Übertragung!). Ein Infizierter steckt demnach im Schnitt 17 weitere in einer nicht-immunisierten Population an. Das sehr ansteckende Masern-Virus rangiert in diesem Ranking bei einem R0 von 9. Die Omikron-Variante des COVID-19-Erregers, dem Virus SARS-CoV-2, dürfte diese rein mathematische Größe nun wohl getoppt haben. Immer neue Subtypen der Variante entstehen derzeit und verbreiten sich mit immer höheren Geschwindigkeiten – zum Teil auch innerhalb des geimpften Teils der Bevölkerung.

Das Fachmagazin Scientific American hat die Verbreitungsgeschwindigkeit von SARS-CoV-2-Omikron und die der Masern anschaulich gegenüber gestellt. Steckt demnach ein Masern-Infizierter in einer nicht-immunisierten Population innerhalb von zwölf Tagen im Schnitt 15 andere an, sind es bei der Omikron-Variante bereits 216. Und als das Magazin diese Berechnung Anfang Februar 2022 anstellte, ging es noch um den Subtyp BA.1 von Omikron. Außerdem grassierte zu dem Zeitpunkt noch die, wie Omikron, besorgniserregende Variante Delta.

Delta ist in Deutschland verschwunden

Nun, Ende April 2022, überholen sich bereits mehrere Subtypen von Omikron gegenseitig und zeigen dabei immer schneller werdende Ausbreitungsgeschwindigkeiten. Delta unterdessen droht das Schicksal des ehemals ebenfalls als VOC (Variants of Concern) von der Weltgesundheitsorganisation WHO gelisteten Varianten Alpha, Beta und Gamma. Sie ist mittlerweile fast vollständig durch die Omikron-Variante verdrängt. In Deutschland etwa ist Delta seit der Kalenderwoche 13 nicht mehr nachgewiesen worden, wie die Berichte des Robert Koch-Instituts darlegen.

Mutanten und Virusevolution

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Damit bieten Omikron und seine Subtypen ein gutes Beispiel für die Mechanismen der Evolution: Durch Mutationen entstandene Anpassungen – bei gleichzeitigem Selektionsdruck durch das Immunsystem, Impfungen und auch die sogenannten nicht-pharmakologischen Maßnahmen wie Maskentragen, Abstandhalten und Co. – führen zu sich besser durchsetzenden Varianten. Gleichzeitig ist mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit auch die wohl geringere krankmachende Wirkung der neuen Varianten eine evolutionäre Anpassung. Gut angepasste Viren töten ihren Wirt nämlich nicht, weiß man unter Virologen. Für Endpunkte solcher Entwicklungen ist etwa das Cytomegalievirus (CMV) ein Beispiel. Fast jeder Mensch ist damit irgendwann in seinem Leben infiziert, Symptome gibt es aber nur in besonderen Ausnahmefällen.

Leichterer Zelleintritt, stabileres Spike-Protein und mehr Viren bei Omikron

Beispiele der besseren Anpassung bei Omikron sind zum einen das deutlich veränderte Spike-Protein der Variante. Es ist vollkommen anders gefaltet und strukturiert als die Spike-Proteine der anderen Varianten. Das bedeutet nicht nur, dass es dem Immunsystem entkommt (Immunescape), weil gegen ältere Varianten gebildete Antikörper viel schlechter oder gar nicht binden. Dazu kommt, dass das Omikron-S-Protein auf einen Co-Rezeptor beim Eintritt in die Zelle verzichten kann. Benötigten Alpha, Beta, Gamma und Delta etwa neben dem Rezeptor ACE2 (Angiotensin-konvertierendes Enzym 2) noch das Transmembranprotein TMPRSS2 (Transmembrane Serin Protease 2), um in die Zelle zu gelangen, genügt Omikron nur noch ACE2.

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Außerdem besitzt Omikron durch mehrere Mutationen stabilere und damit mehr Spike-Proteine auf seiner Oberfläche. Eine weitere Anpassung, die gleichzeitig zu mehr Virenverbreitung und gleichzeitig weniger schwerem Verlauf führt, ist, dass sich die Omikron-Variante besonders in den Zellen der oberen Atemwege vermehrt, statt wie die anderen Varianten in den Zellen in den Tiefen der Lunge. Das bedeutet mehr infektiöse Partikel, die ausgehustet und ausgeatmet werden und gleichzeitig weniger Schäden am Gewebe der Lunge.

Das Virus bleibt unberechenbar

Ob SARS-CoV-2 mit Omikron und seinen Subtypen so nun dabei ist, entsprechend endemisch, aber eher harmlos zu werden, wie einige Experten vermuten, ist allerdings spekulativ. Das Virus bleibt eher unberechenbar, wie auch Bundesgesundheitsminister (und promovierter Epidemiologe) Karl Lauterbach regelmäßig etwa in seinen Tweets auf Twitter erklärt.

Es ist nicht ausgeschlossen, dass im weiteren Verlauf der Pandemie schnell vollkommen neue Varianten auftauchen. Omikron etwa, das sich mit über 50 signifikanten Mutationen deutlich von seinen Vorgängern, dem Wuhan-Wildtyp, Alpha, Beta und Gamma unterscheidet, kam gewissermaßen aus dem Nichts. Es lässt sich nicht unmittelbar über Zwischenstufen von den anderen bekannten Varianten ableiten. Dementsprechend kann eine noch stärker veränderte Variante theoretisch jederzeit auftauchen.

Als eine mögliche Quelle gelten Langzeitinfizierte, deren Immunsystem geschwächt ist und in deren Körper über Monate hinweg in immer neuen Virusgenerationen neue Mutationen entstehen können. Erst vor kurzem zeigten britische Forscher des King’s College London, dass ein Patient 505 Tage lang bis zu seinem Tod positiv auf COVID-19 getestet wurde. Unter den analysierten Viren aus seinem Blut fanden sich etliche mit mindestens zehn Mutationen. Die Forscher stellten ihre Ergebnisse im April 2022 beim Europäischen Kongress für klinische Mikrobiologie und Infektionskrankheiten (ECCMID) in Portugal vor. Dabei hieß es, dass ein weiterer Patient diesen 505-Tage-Rekord Anfang Mai vermutlich noch überbieten wird.

Zukünftige Häufung von Delta und Deltakron eher unwahrscheinlich

Dass Delta nach der Omikron-Welle zurückkehrt, wie es etwa die Virologin Ulrike Protzer, Leiterin des Instituts für Virologie an der TU München, noch im Januar vermutete, ist mittlerweile wohl unwahrscheinlich. Auch die Mischvariante XD, aka „Deltakron“, die den Spikeprotein-Anteil von Omikron trägt und den Rest der pathogeneren Variante Delta, scheint sich nicht in dem Maße durchgesetzt zu haben, wie man befürchtet hatte. 

In Deutschland vermerkt das RKI Stand April 2022 genau einen nachgewiesenen Fall aus dem Februar. Da die Delta-Variante an sich so gut wie zurückgedrängt ist, sind neue entsprechende Mischungen eher unwahrscheinlich. Sie entstehen, wenn Individuen gleichzeitig mit zwei Varianten infiziert sind.

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Auch andere Mischvarianten, alle mit X… in der Nomenklatur versehen, zeigen sich nicht signifikant oft. Bei den aktuell bekannten handelt es sich um Mischformen der einzelnen Omikron-Subtypen. 

Derweil übertrumpfen sich diese einzelnen Subtypen der Omikron-Variante, die mit BA gekennzeichnet sind, gegenseitig. Als der Scientific American die eingangs erwähnte Berechnung anstellte, ging es noch um den Subtyp BA.1 (beziehungsweise BA.1.1). Bereits wenige Wochen später nahm der Subtyp BA.2 unter anderem in den Vereinigten Staaten deutlich zu. 

Zahlen des „Centers for Disease Control and Prevention“ CDC belegen, wie seit Ende Februar bis Mitte März der Anteil des Omikron-Subtyps BA.2 sprunghaft zunimmt, BA 1.1 zurück- und Delta sogar praktisch komplett verdrängt. Vergleichszahlen des RKI für Deutschland zeigen in der Kalenderwoche 5 noch ein Verhältnis von 82,3 Prozent BA.1 und 16,6 Prozent BA.2. Delta machte da noch 0,7 Prozent aus. In der Kalenderwoche 14 sind es bereits 95,3 Prozent BA.2, noch 4,3 Prozent BA.1 und seit der Kalenderwoche 13 kein Delta mehr. 

Sporadisch und in einzelnen Proben tauchen überall auf der Welt wohl auch noch die anderen Varianten auf – aktuell dominiert allerdings BA.2. Laut RKI ist die sogenannte effektive Reproduktionsrate (Re) von BA.2 gegenüber BA.1 um den Faktor 1,4 höher. Die Sublinie BA.1 wiederum reproduziert sich um den Faktor 3,2 mehr als Delta.

BA 2.12.1 schickt sich an, die anderen Subtypen zu verdrängen

Unterdessen beobachtet man in den Vereinigten Staaten seit Mitte März die signifikante Zunahme einer weiteren neuen Sublinie: BA 2.12.1 breitet sich noch einmal 2,5-mal so schnell aus wie BA.2 und dürfte diese dann wohl auch bald verdrängt haben.

Die Subtypen unterscheiden sich untereinander jeweils um bis zu 50 Aminosäure-Positionen, werden aber überwiegend noch unter Omikron zusammengefasst. Die WHO empfiehlt allerdings mittlerweile, die Sublinien einzeln zu erfassen. Mit BA.4 und BA.5 hat sie erst im April zwei als besorgniserregende neu erfasst. Das RKI vermeldet bis 18. April 2022 insgesamt 22 Fälle von BA.5, aber keine Fälle von BA.3 und BA.4 in Deutschland.

Deutlich sind die immer schneller werdenden Ausbreitungsraten der Omikron-Subtypen, die es auch zunehmend schaffen, bereits Geimpfte oder Genesene neu zu infizieren. Überwiegend beobachtet man allerdings besonders in dieser Gruppe mildere Krankheitsverläufe oder auch symptomlose. Allein, dass sich das Virus so weit verbreitet, lässt sich daran ablesen, dass zunehmend auch Prominente unter den positiv getesteten Fällen sind – trotz aller Sicherheitsmaßnahmen. Beispiele sind etwa Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier oder Bundesfinanzminister und FDP-Chef Christian Lindner.

Hinweise auf schwerere Krankheitsverläufe durch die Subvarianten gibt es unterdessen bislang nicht. Nichtsdestotrotz, so wie Omikron aus einer bislang noch unbekannten Quelle sehr plötzlich erst im November 2021 auftauchte und heute mit seinen Subtypen die einzige verbliebene Variante ist, könnte praktisch jederzeit eine neue Variante mit ganz neuen Eigenschaften auftreten. Zwar erhielt Bundesgesundheitsminister Lauterbach für seine Warnung vor einem unvorhersehbaren „Killervirus“ viel Kritik – ganz von der Hand weisen lässt sich die Warnung indes nicht.

Der weitere Verlauf der Pandemie bleibt unvorhersehbar.



Volker Budinger, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

Ach Was!

von Stefan Haydn am 26.04.2022 um 19:17 Uhr

Dank der FDP ist die Pandemie doch beendet.
Corona gibt es nicht mehr.

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