Pandemie Spezial

Nach Delta nun Omikron

Eine neue Virusvariante fordert die Staatengemeinschaft und die Wissenschaft heraus

Seit Ende letzter Woche sorgt eine in Botswana/Südafrika neu entdeckte SARS-CoV-2-Variante B.1.1.529 mit dem Namen Omikron für große Beunruhigung. Sie soll eine hohe Zahl von Mutationen aufweisen, 32 alleine im Spike-Protein. Zudem scheint sie sehr leicht übertragbar zu sein. Wie gut unsere Impfstoffe schützen, wie mild oder schwerwiegend die Erkrankungsverläufe gerade bei älteren Patienten mit Vorerkrankungen sein werden, das ist derzeit unklar. Beobachtungen in Südafrika sprechen für ungewöhnliche, von Müdigkeit geprägte milde Verläufe, allerdings in einer jungen Bevölkerung. | du

Die WHO erfuhr von der neuen Virusvariante B.1.1.529 erstmals am 24. November 2021, der erste in Südafrika bestätigte Fall ist auf den 9. November 2021 datiert. Am 26. November stufte die WHO auf Basis der vorliegenden Daten die Variante als Variant of Concern und damit als besorgniserregend ein und geht von einem sehr großen Risiko aus. Allein aufgrund der bis zu diesem Zeitpunkt bekannten Mutationen habe die Mutante das Potenzial, schneller übertragen zu werden und die Epidemiologie von COVID-19 dramatisch zu verändern, virulenter zu sein und zu schwerwiegenden Krankheitsverläufen zu führen, so die Einschätzung der WHO. Zudem bestehe die Gefahr, dass die bislang vorhandenen präventiven, diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen in ihrer Effektivität eingeschränkt werden könnten.

Foto: Bihlmayerfotografie/AdobeStock

SARS-CoV-2-Varianten werden in der Reihenfolge des griechischen Alphabets benannt. Die neue zunächst in Südafrika entdeckte Variante hätte eigentlich Ny heißen müssen, englisch nu ausgesprochen wie new, das war zu missverständlich. Die nächste Option wäre Xi gewesen, ein häufiger Nachname. Auch das wurde ausgeschlossen. So fiel die Wahl auf Omikron.

Erste Einschätzungen

Mit dem Bekanntwerden der neuen Virusvariante war wieder verstärkt die Expertise von Virologen gefragt. So äußerte sich Prof. Dr. Richard Neher, Leiter der Forschungsgruppe Evolution von Viren und Bakterien am Biozentrum der Universität Basel, gegenüber dem ScienceMediaCenter wie folgt: „Die Variante ist aus verschiedenen Gründen bemerkenswert. Zum einen unterscheidet sie sich an vielen Stellen im Spike-Protein von den ursprünglichen Varianten und kombiniert viele Mutationen, die wir aus anderen besorgniserregenden Varianten kennen. Viele dieser Veränderungen fallen in Regionen, an die Antikörper binden, in die Rezeptor-Binde-Stelle und die Furin Cleavage Site. Es ist also durchaus vorstellbar, dass die Variante sowohl sehr übertragbar ist als auch Teilen der Immunantwort entkommt. Zum anderen haben wir bislang keine intermediären Varianten zwischen B.1.1.529 und denen vom Anfang 2020 beobachtet. Die Variante kam also unerwartet und scheint sich jetzt im Süden Afrikas rasch auszubreiten. Eingehende klinische und virologische Untersuchungen stehen noch aus.“

Hoffen auf T-Zell-Antwort und Auffrischimpfung

Allerdings äußerte Neher die Hoffnung, dass die verfügbaren Impfstoffe aufgrund einer robusten T-Zell-Antwort auch gegen diese Variante noch einen Schutz bieten. Trotzdem könne es vermehrt zu Durchbruchinfektionen kommen, weshalb die Gabe einer dritten Dosis umso wichtiger sei.

Die Hersteller der für die Auffrischimpfung zugelassenen Impfstoffe, Biontech und Moderna, prüfen intensiv, ob und wie gut ihre mRNA-Impfstoffe gegen Omikron schützen. Moderna teilte mit, dass auch geprüft werde, ob eine Auffrischimpfung mit 100 µg mRNA einen besseren Schutz bietet als die derzeit zugelassene mit 50 µg mRNA. Zudem treiben beide Hersteller die Anpassung ihrer Impfstoffe voran. Biontech teilte mit, dass man innerhalb von 100 Tagen in der Lage sein könnte, einen angepassten Impfstoff zur Ver­fügung zu stellen. Moderna hat mit mRNA-1273.211 schon einen weiteren Impfstoff in Phase II der klinischen Entwicklung, der gegen die Beta-Variante entwickelt wurde. Da die Beta-Variante mehrere Mutationen im Spike-Protein aufweist, die auch bei der Omikron-Variante zu finden sind, hofft man hier auf einen gut wirksamen Impfstoff. Gleiches gilt wohl auch für mRNA-1273.213, einen weiteren Moderna-Impfstoff, der gegen die Delta- und Beta-Variante entwickelt worden ist und sich ebenfalls in klinischer Entwicklung befindet. Zudem hat Moderna auch schon mit mRNA-1273.529 kurzfristig einen Boosterkandidaten gegen Omikron konzipiert.

„Es ist besser, wenn man geimpft ist, es ist noch besser, geboostert zu sein!“

Prof. Dr. Christian Drosten, Heute journal am 28.11.2021 zum Schutz vor Omikron

Sprechen die Tests an?

Eine weitere Sorge ist, dass die neue Omikron-Variante durch herkömm­liche PCR- und Antigen-Schnelltests nicht mehr erkannt werden könnte. Hier ist Neher zuversichtlich: „Diese Variante hat die gleiche PCR-Signatur wie Alpha, das heißt eine Deletion an Position 69/70 im Spike-Protein. Daher sollten die PCR-Assays, die vor einem knappen Jahr entwickelt wurden, auch für diese Variante effizient sein.“ Ähnlich schätzt Priv.-Doz. Dr. Roman Wölfel, Oberarzt und Leiter des Instituts für Mikrobiologie der Bundeswehr in München, die Situation ein: „Die Genabschnitte des Virus, die für die PCR-Diagnostik verwendet werden, sind bei B.1.1.529 kaum oder gar nicht verändert. Diese neue Variante wird also genauso sicher mit PCR-Tests erkannt werden“. In Bezug auf die Antigen-Schnelltests verweist er darauf, dass diese unabhängig von der Virusvariante im Vergleich zum PCR-Test immer schlechter abschneiden. Aber: „Die meisten Schnelltests identifizieren das Virus über sein Nukleokapsid-Protein. B.1.1.529 weist hier keine Mutationen auf, die eine Beeinträchtigung der Funktion von Antigen-Schnelltests erwarten lassen.“ Allerdings müsse dies immer auch noch mit dem echten Virus im Labor überprüft werden.

„Auch wichtig, die Antigentests (3 verschiedene von Roche, Siemens und Flowflex) sind auch bei Omikron positiv und funktionieren!“

Prof. Dr Sandra Ciesek, Frankfurt auf Twitter

Escape-Potenzial schwer ­einzuschätzen

Schwer einzuschätzen ist derzeit, welche Rolle Omikron für das Pandemiegeschehen spielen wird. Neher: „Das Immunevasions-Potenzial scheint größer, die Variante scheint sich in Süd­afrika gegen Delta durchzusetzen.“ Allerdings seien in Südafrika die Fallzahlen derzeit recht niedrig, was die Interpretation erschwere. Auch sei momentan nicht klar, unter welchen Bedingungen sich diese Variante schneller übertrage als Delta. „Die nächsten Tage werden hier hoffentlich mehr Antworten liefern“, so Nehers Hoffnung. 

Milde Verläufe in Südafrika?

Für Hoffnung sorgten am Wochenende Meldungen, dass in Südafrika vor allem milde Verläufe mit einer vor allem von Müdigkeit geprägten Symptomatik beobachtet worden sind. Für Prof. Dr. Christian Drosten von der Berliner Charité sind solche Meldungen wenig aussagekräftig. Im Heute journal am 28. November 2021 betonte er, dass man bislang nur etwa 1000 Fälle kennen würde. In Südafrika soll es sich vor allem um junge Menschen handeln, die zum Teil schon eine oder zwei SARS-CoV-2-Infektionen durch­gemacht hätten und jetzt wieder mit Symptomen erkrankt seien – möglicherweise ein Indiz für ein Escape-Geschehen. Drostens Einschätzung der Lage: „Keiner kann wirklich mit Sicherheit sagen, was da auf uns zukommt. Das Einzige, was man wirklich mit Sicherheit sagen kann: Es ist besser, wenn man geimpft ist, es ist noch besser, wenn man geboostert ist!“ |
 

Literatur

Classification of Omikron (B.1.1.529): SARS-CoV-2 Variant of Concern. Pressemitteilung der WHO vom 26. November 2021

Moderna Announces Strategy to Address Omikron (B.1.1.529) SARS-CoV-2 Variant. Pressemitteilung von Moderna vom 26. November 2021

Neue Coronavirus-Variante B.1.1.529. ScienceMediaCenter, 26. November 2021, www.sciencemediacenter.de/alle-angebote/rapid-reaction/details/news/neue-coronavirus-variante-b11529

 

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