DAZ-Fresh-Up – Was Apotheker wissen müssen

Arzneimittel und künstliche Befruchtung – wer zahlt wann und was?

12.04.2022, 07:00 Uhr

Blick durch das Mikroskop bei einer In-vitro-Fertilisation. (x / Foto: Andriy Bezuglov / AdobeStock)

Blick durch das Mikroskop bei einer In-vitro-Fertilisation. (x / Foto: Andriy Bezuglov / AdobeStock)


Bei unerfülltem Kinderwunsch entscheiden sich viele Paare für eine künstliche Befruchtung. Auf Basis von § 27a Sozialgesetzbuch (SGB V) können bestimmte Hormone und Hormon-Rezeptormodulatoren zu diesem Zweck verordnet werden. In bestimmten Fällen trägt die Krankenkasse die Kosten für die Behandlung zumindest anteilig. Welche Arzneimittel und Rezeptformalitäten Sie kennen sollten, haben wir Ihnen in diesem DAZ-Fresh-up zusammengestellt.

Welche Methoden werden bei einer künstlichen Befruchtung angewendet?

Insemination: Die Samenzellen werden im Spontanzyklus oder nach hormoneller Stimulation direkt in die Gebärmutter der Frau eingebracht.

In-vitro-Fertilisation (IVF): Im Laborglas werden von der Frau entnommene befruchtungsfähige Eizellen entnommen und mit Samenzellen des Partners befruchtet.

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Intrazytoplasmatische Spermieninjektion (ICSI): Es handelt sich um eine Sonderform der IVF, bei der die Samenzellen direkt in die Eizelle der Frau injiziert werden.

Intratubarer Gametentransfer (GIFT): Es handelt sich um eine Mischform aus Insemination und IVF, bei der die Befruchtung im Körper der Frau stattfindet.

Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, damit die Krankenkasse die Kosten für eine künstliche Befruchtung (anteilig) übernimmt?

Unter bestimmten Voraussetzungen erstatten die Krankenkassen die Hälfte der Kosten für „medizinische Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft“. Nach § 27a SGB V (Abs. 3 und 5) sind folgende Bedingungen zu erfüllen:

  • Die Maßnahmen sind nach ärztlicher Feststellung erforderlich.
  • Es besteht nach ärztlicher Feststellung hinreichende Aussicht darauf, dass durch die Maßnahmen eine Schwangerschaft herbeigeführt werden kann. Eine hinreichende Aussicht besteht nicht mehr, wenn die Maßnahme dreimal ohne Erfolg durchgeführt worden ist.
  • Die betroffenen Personen sind miteinander verheiratet und es werden ausschließlich Ei- und Samenzellen der Eheleute verwendet.
  • Das Paar muss sich vor der Behandlung unter Berücksichtigung ihrer medizinischen und psychosozialen Gesichtspunkte von einer ärztlichen Person beraten lassen, die/der die Behandlung nicht selbst durchführen wird.
  • Beide Personen sind mindestens 25 Jahre alt. Die Frau darf nicht älter als 39 Jahre, der Mann nicht älter als 49 Jahre alt sein.
  • Vor der Behandlung ist der Krankenkasse ein Behandlungsplan zur Genehmigung vorzulegen.

Die Vorgaben des § 27a SGB V werden durch die „Richtlinien über künstliche Befruchtung“ des G-BA näher definiert. Hier ist zum Beispiel geregelt, wann für die jeweilige Methode keine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht.

Wer trägt die Kosten bei einer künstlichen Befruchtung?

Genehmigt die Krankenasse den Behandlungsplan, übernimmt sie in der Regel 50 Prozent der Kosten. Sollen Arzneimittel im Rahmen einer künstlichen Befruchtung anteilig zulasten der Krankenkassen verordnet werden, so kennzeichnen Ärzt:innen dieses mit dem Hinweis „Verordnung nach §27a SGB V“ oder „künstliche Befruchtung“, um die Indikation deutlich zu machen. Die Patient:innen zahlen dann die Hälfte des gesamten anfallenden Rezeptbetrags (Achtung: In vielen Softwaresystemen ist der § 27a für jedes Arzneimittel einzeln anzuwenden!) und keine gesetzliche Zuzahlung. 

Die andere Hälfte der verordneten Arzneimittel rechnet die Apotheke mit der jeweiligen Krankenkasse ab. Hierzu wird das Rezept mit der Sonder-PZN 09999643 bedruckt. Nachfolgend stehen die PZN der verordneten Arzneimittel mit den Faktoren. Die genaue Vorgehensweise ist in der Technischen Anlage 1 zur Arzneimittelabrechnungsvereinbarung gemäß § 300 SGB V verankert. Darin heißt es:

„Zur Kennzeichnung eines Arzneiverordnungsblattes als Verordnung zur künstlichen Befruchtung wird in die erste Abrechnungszeile des Apothekenfeldes das Sonderkennzeichen 09999643 mit dem Betrag „0“ im Feld „Taxe“ und „1“ im Feld „Faktor“ eingetragen. Nachfolgend sind die PZN der abzurechnenden Arzneimittel mit der entsprechenden Menge und dem Betrag einzutragen, der mit der Krankenkasse abzurechnen ist. Dies ist entweder 50 Prozent vom maßgeblichen Apothekenverkaufspreises oder 50 Prozent vom Festbetrag, wenn der Apothekenverkaufspreis größer als der Festbetrag ist. Besteht in diesem Fall ein Rabattvertrag nach § 130a Absatz 8 SGB V zum Ausgleich der Mehrkosten über dem Festbetrag, ist 50 Prozent vom Festbetrag plus Betrag der Mehrkosten (= Differenz AVK – FB) anzugeben. […] Das Feld „Zuzahlung“ wird mit Null „0“ gefüllt. […]“

Wie ist mit Rezepten umzugehen, bei denen der Vermerk auf § 27a fehlt?

Einige Arzneimittel, die zur künstlichen Befruchtung zugelassen sind, haben noch weitere Indikationen, z. B. schwerer LH-/FSH-Mangel bei Frauen oder Hypogonadismus bei Männern. Fehlt hier der ärztliche Hinweis auf § 27a SGB V oder eine künstliche Befruchtung auf dem Verordnungsblatt, so wird dieses wie ein reguläres Kassenrezept behandelt und der/die Patient:in zahlt nicht mehr als die reguläre gesetzliche Zuzahlung. Ergeben sich im Beratungsgespräch oder durch die Verordnung (z.B. „Kinderwunschzentrum“) jedoch Hinweise darauf, dass es um eine künstliche Befruchtung handelt, sollten Sie ärztliche Rücksprache halten, um den Sachverhalt zu klären. Zudem sollten noch die jeweils geltenden regionalen Arzneilieferverträge berücksichtigt werden, wenn der Vermerk fehlt.

Hat die Apotheke eine Prüfpflicht bei Rezepten ohne Vermerk auf § 27a?

Nach den meisten Arzneilieferverträgen hat die Apotheke keine Prüfpflicht, wenn der Hinweis auf § 27a SGB V fehlt. In manchen Bundesländern (zum Beispiel Hamburg) haben Primärkassen in ihren Regionallieferverträgen jedoch vereinbart, dass bei Verordnungen über Arzneimittel mit einer Indikation zur künstlichen Befruchtung ohne Hinweis auf § 27a SGB V eine ärztliche Rücksprache zur Klärung des Sachverhalts verpflichtend ist. Das Ergebnis des Gesprächs ist auf dem Rezept zu notieren und abzuzeichnen. Um Retaxationen zu vermeiden, sollte der jeweils geltende regionale Arzneiliefervertrag der Primärkassen auf ähnliche Regelungen geprüft werden. Anders ist es bei den Ersatzkassen. Hier ist bislang keine Prüfpflicht bei Verordnungen gemäß § 27a SGB V vereinbart.

Übernehmen manche Krankenkassen mehr als 50 Prozent der Kosten einer künstlichen Befruchtung?

Einige Krankenkassen bieten ihren Versicherten freiwillige Mehrleistungen bei der künstlichen Befruchtung an. Für die Apotheke bleibt das Vorgehen jedoch gleich. Die Patient:innen können nach der getätigten Zahlung in der Apotheke die Quittung zur Erstattung bei ihrer Krankenkasse einreichen. Manche Krankenkassen bieten auch im Rahmen einer Satzungsleistung an, mehr als die nach SGB V vereinbarte Anzahl an Versuchen zu erstatten. Patient:innen sollten sich diesbezüglich bei ihrer Krankenkasse informieren.

Welche Arzneimittel werden bei einer künstlichen Befruchtung eingesetzt?

Um zu erkennen, welche Verordnungen potenziell für eine künstliche Befruchtung infrage kommen, ist es sinnvoll, die zum Einsatz kommenden Wirkstoffe zu kennen. Hier finden Sie eine Auswahl:

  • Follitropin (alfa bzw. beta)
  • Corifollitropin
  • Menotropin (= Urofollitropin plus Lutropin)
  • Choriongonadotropin
  • Cetrorelix
  • Ganirelix
  • Clomifen
  • Progesteron
  • Triptorelin
  • Buserelin
  • Nafarelin

Dürfen auch Arzneimittel ohne Indikation der künstlichen Befruchtung (etwa Schilddrüsenhormone) mit dem Vermerkt § 27a verordnet werden?

Im genauen Wortlaut des Paragrafen ist nicht festgehalten, dass es sich um ein Arzneimittel handeln muss, das für die Behandlung im Rahmen der künstlichen Befruchtung zugelassen ist. Darin geht es vor allem um „medizinische Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft“. Es empfiehlt sich jedoch eine ärztliche Rücksprache.

Werden die Kosten von der Krankenkasse auch übernommen, wenn die Eizellen oder Samenzellen per Kryokonservierung eingefroren wurden?

Auch für Versicherte, bei denen aufgrund einer keimzellschädigen Therapie Keimzellen gewonnen und kryokonserviert wurden, übernehmen Krankenkassen die Hälfte der Kosten einer künstlichen Befruchtung gemäß § 27a Abs. 4. Die genaue Ausgestaltung hat der G-BA im Februar 2022 in einer Anpassung der Richtlinie über künstliche Befruchtung festgelegt.

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Apothekerin Dr. Verena Kirsch, DAZ-Autorin
redaktion@daz.online


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