Kein TiO2 in Lebensmitteln ab 2022

EMA: So wichtig ist Titandioxid für Arzneimittel

Stuttgart - 13.10.2021, 12:15 Uhr

Auf der Grundlage einer am vergangenen Freitag veröffentlichten Analyse der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) zur Verwendung von Titandioxid in Arzneimitteln, soll Titandioxid bis auf Weiteres als Zusatzstoff erlaubt bleiben. (c / Foto: Tatyana A. – tataks / AdobeStock)

Auf der Grundlage einer am vergangenen Freitag veröffentlichten Analyse der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) zur Verwendung von Titandioxid in Arzneimitteln, soll Titandioxid bis auf Weiteres als Zusatzstoff erlaubt bleiben. (c / Foto: Tatyana A. – tataks / AdobeStock)


Calciumcarbonat, Talkum und Stärke – keine echten Alternativen

Wie die EMA in ihrer Analyse weiter ausführt, wird Titandioxid extensiv in der Arzneimittelherstellung genutzt: Laut den EU-Handelsverbänden enthalten etwa 91.000 Humanarzneimittel und 800 Tierarzneimittel in der EU Titandioxid. Das betrifft so gut wie alle oralen Arzneiformen: Tabletten, Weichkapseln, Hartkapseln, Granulate/Pulver für orale Lösungen oder Suspensionen, orale Pasten oder Gele – aber auch in kutanen, inhalativen (Kapselhüllen), oromukosalen, sublingualen, transdermalen und vaginalen Arzneiformen kann Titandioxid enthalten sein. Essenzielle Arzneimittel wie Antidiabetika oder Antibiotika seien betroffen. 

Dieser weit verbreitete Einsatz ist offenbar damit zu begründen, dass bislang kein einziges Material identifiziert worden sei, das über die gleiche Kombination an Eigenschaften verfügt:

  • Opazität (Lichtundurchlässigkeit)
  • Kontrastverstärkung
  • TiO2 ist inert
  • UV-Schutz
  • Oberflächenbeschaffenheit des finalen Produkts

Gerade dort, wo Titandioxid für mehr als eine dieser Funktionen benötigt wird, sei ein Ersatz schwierig. Calciumcarbonat, Talkum und Stärke seien zwar mögliche Alternativen, diese sollen aber Nachteile mit sich bringen: 

  • keine ausreichend dünnen Filmüberzüge
  • Probleme in der Lieferkette
  • Verunreinigungsrisiko

Jedes betroffene Arzneimittel müsse zudem individuell hinsichtlich Alternativen, Neuformulierung, Auflösungs- und Stabilitätsdaten sowie potenziell Bioäquivalenz untersucht werden. All das müsse dann durch die zuständigen Zulassungsbehörden nochmals bewertet werden.

Wenn, dann müsste Titandioxid weltweit verboten werden

Außerdem befürchtet die EMA, dass Europa am Ende die einzige Region weltweit sein könnte, in der Titandioxid in Arzneimitteln nicht mehr verwendet werden darf. Die Industrie müsste also neue Formulierungen speziell für die EU entwickeln. Schließlich könne man jetzt auch noch keinen Zeitplan vorgeben, in dem eine schrittweise Abschaffung von Titandioxid in allen oder auch nur bestimmten Arzneimitteln machbar wäre. Eine Neuformulierung könne Jahre dauern. Lieferengpässe und Marktrücknahmen wären damit vorprogrammiert.

Es ist also eine Frage der Zeit. Aus rein technischer Sicht, erklärt die EMA, sollte ein (jeweils individueller) Ersatz von Titandioxid möglich sein.



Diana Moll, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (dm)
redaktion@daz.online


Diesen Artikel teilen:


4 Kommentare

Titandioxid in Medikamenten

von Joachim Maurice Mielert am 18.10.2021 um 8:51 Uhr

Es bedarf keiner erweiterten Expertise, um zu verstehen, dass chronisch Erkrankte, die ein restliches Leben lang Medikamente einnehmen müssen, Anspruch auf Patientensicherheit reklamieren. So haben wir in den letzten Wochen mindestens von drei führenden Herstellern Statements erhalten und die Fachaufsicht mit dem Thema beschäftigt. Endlich kommt Bewegung in die Sache. Es ist schon halbwegs "irre", einem Parkinson- oder MS- Patienten, dessen neurodegenerative Erkrankung mutmasslich im Darm den Ursprung hat, mit einem Hilfs- oder Füllstoff zu "füttern", der mit den Darmbakterien eine unheilvolle Allianz eingeht und vom menschlichen Organismus nur schwer verstoffwechselt werden kann. Natürlich sind Lieferketten zu berücksichtigen! Wenn es aber brennt, dann kommt die Feuerwehr sofort! Niemand käme auf die Idee, zu argumentieren, dass man die Feuerwehr nicht losschickt, damit die Garage im Feuerwehrhaus nicht leer steht!

Titandioxid muss aus der Versorgungskette genommen werden, und zwar jetzt ubd sofort und alternativlos! Es müssen administrative Barrieren überwunden werden und notfalls muss bei der EMA oder anderen Instanzen in Sonderschichten gearbeitet werden. Die Groteske, Titandioxid aus der Lebensmittelproduktion aus vernünftigen Gründen zu verbannen, es aber für erkrankte Menschen in den Arzneimitteln zu belassen, ist zur Chefsache zu erklären!

J.M.Mielert
DOPANET Wissen & Kommunikation

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Wenn man...

von Günter am 14.10.2021 um 10:43 Uhr

... Inhaltsstoffe in ein Produkt tut, das im Verdacht steht, krebserregend zu sein, und als Begründung anführt, dass dies optische Gründe hat und der Konsument so besser annimmt, dann ist das für mich "krank".

Und falls jemandem dieser Begriff nicht gefällt, dann möge er ihn durch "bescheuert", "blöd", "unverantwortlich" oder gleichwertiges ersetzen.

Ab 2022 wird es zumindest in Lebensmitteln verboten.
Da können die "ganz schlauen" auch nichts dagegen tun.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Farbstoff in Arzneimitteln???

von Günter am 13.10.2021 um 19:05 Uhr

Sorry, aber da hab ich kein Verständnis. Ich "esse" Arzneimittel ja nicht, weil sie so gut aussehen oder so gut schmecken, sondern weil es notwendig ist.
Wenn der Überzug vor UV-Strahlung oder anderen äußerlichen Einwirkungen schützen soll, dann bitte in einen lichtundurchlässigen Blister damit und Ende.
Warum muss überall dieser Schrott hinein?
Mikroplastik in Zahnpasta und Waschmittel, Farbstoff in Arzneimittel, das ist für mich dasselbe "kranke Verbrechen"!

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: Farbstoff in Arzneimitteln

von Bernd Küsgens am 14.10.2021 um 9:46 Uhr

Bitte sich zunächst schlau machen ehe man von
"krankem Verbrechen" spricht.

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.