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Hormonelle Verhütung im Langzyklus
Ist eine „Pillen“-Pause doch sinnvoll?
Neu ist die Idee zwar nicht, orale hormonale kombinierte Kontrazeptiva (hin und wieder) ohne hormonfreies Intervall einzunehmen, die Pillen-Einnahme also nicht zu unterbrechen. Öffentlich diskutiert und erstmals auch in Leitlinien erwähnt wird dieses Einnahme-Regime jedoch erst seit wenigen Jahren. Während es bislang keine Anhaltspunkte dafür gab, dass dieser sogenannte Langzyklus Nachteile mit sich bringen könnte, enthält nun zumindest eines der für den Langzyklus zugelassenen Präparate einen Hinweis, dass sein Risiko für venöse Thromboembolien leicht erhöht sein kann, obwohl als Gestagen-Komponente Levonorgestrel enthalten ist.
Am vergangenen Donnerstag machte das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) „firmenunabhängig“ erneut mit einem Rote-Hand-Brief darauf aufmerksam, dass kombinierte hormonale Kontrazeptiva (KHK) mit den Gestagenen Levonorgestrel, Norethisteron oder Norgestimat das geringste Risiko für venöse Thromboembolien (VTE) besitzen. Folglich sollen möglichst KHK mit dem niedrigsten VTE-Risiko verordnet werden. (Zur Unterstützung wird erneut auf genehmigtes Schulungsmaterial für Patientinnen sowie eine Checkliste für die Verschreibung von KHK für Ärzte aufmerksam gemacht.)
Neu ist die Botschaft also nicht, die DAZ berichtete zuletzt im Juli darüber. Damals gab es erstmals auch für die Gestagen-Komponenten Chlormadinon und Nomegestrol Daten zum VTE-Risiko, die allerdings noch zu bestätigen sind. Das geht auch aus der aktualisierten Übersichtstabelle zum VTE-Risiko im aktuellen Rote-Hand-Brief hervor. Vergleicht man diese Tabelle allerdings mit der im Dezember 2018 veröffentlichten Tabelle, fällt eine andere Neuerung ins Auge.
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2018 war eine Metaanalyse, die für Pillen mit der Gestagen-Komponente Dienogest im Vergleich zu den levonorgestrelhaltigen Kombinationen ein erhöhtes Risiko zeigte, Anlass für einen Rote-Hand-Brief mit entsprechender Tabelle gewesen. Jetzt sind – auch wenn diese nicht der Grund für die neue Rote Hand sind – in der Tabelle erstmals Daten zu Levonorgestrel im Langzyklus enthalten. Konkret wird der Markenname „Seasonique“ genannt.
Demnach deuten neuere Daten darauf hin, dass das VTE-Risiko für Seasonique® im Vergleich zu levonorgestrelhaltigen KHK, die in einem konventionellen 28-Tage-Zyklus angewendet werden, 1,4-fach höher sein kann (HR 1,40; 95 % KI 0,90 – 2,19). Zudem könnte das VTE-Risiko bei Frauen, die Seasonique® als erste orale Empfängnisverhütung verwenden, weiter erhöht sein, heißt es. Dazu wird auch auf die Fachinformation verwiesen (Stand 03/2021). Dort steht zusätzlich bei den Warnhinweisen unter Abschnitt 4.4.:
„Die Entscheidung, Seasonique® anzuwenden sollte nur nach einem Gespräch mit der Frau getroffen werden, bei dem sicherzustellen ist, dass sie Folgendes versteht: das Risiko für eine VTE bei Anwendung von Seasonique®, wie ihre vorliegenden individuellen Risikofaktoren dieses Risiko beeinflussen, und dass ihr Risiko für VTE in ihrem allerersten Anwendungsjahr am höchsten ist. Es gibt zudem Hinweise, dass das Risiko erhöht ist, wenn die Anwendung eines KHK nach einer Unterbrechung von 4 oder mehr Wochen wieder aufgenommen wird.“
Ist eine Pillen-Pause zumindest hinsichtlich des VTE-Risikos also doch sinnvoll?
Was die deutsche Leitlinie zum Langzyklus sagt
Erstmals hatte die DAZ im Juli 2015 über Seasonique® zu deren Markteinführung berichtet. Laut einer Pressemeldung von Teva, anlässlich des positiven Votums des Arzneimittelausschusses CHMP der EMA, hieß es damals, dass Seasonique® in den Vereinigten Staaten bereits seit 2006 erhältlich sei. Während diese dort innerhalb von zwei Jahren 25 Prozent des Marktanteils habe gewinnen können, konnte das Langzyklus-Präparat in Europa erst im zweiten Anlauf die Zulassungshürde nehmen. Die deutsche Arzneimittelbehörde hatte offenbar Bedenken hinsichtlich der Wirksamkeit und hinsichtlich unregelmäßiger Blutungen.
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Wie die DAZ im Februar 2019 berichtete, sieht die britische FSRH (Faculty of Sexual & Reproductive Healthcare of the Royal College of Obstetricians & Gynaecologists) laut ihrer Leitlinie zu kombinierten hormonellen Kontrazeptiva (KHK) keinen Grund für eine Pillenpause. Das siebentägige hormonfreie Intervall soll keinen gesundheitlichen Benefit bringen, hieß es 2019. (Das Evidenzlevel der entsprechenden Empfehlungen zum Langzyklus-Regime entsprach Expertenmeinungen, welche sich nur auf kombinierte orale Kontrazeptiva (KOK) bezogen, die weniger als 35 µg Ethinylestradiol kombiniert mit Progesteron enthalten – auf Darreichungsformen wie Pflaster und Ring sollen sie sich aber übertragen lassen.)
Seit August 2019 gibt es auch eine neue deutsche Leitlinie zur „hormonellen Empfängnisverhütung“, die den Unterschieden im Nutzen-Risiko-Profil hormonaler Kontrazeptiva im Langzeitzyklus ein eigenes Kapitel widmet.
Von 90 Tage bis ununterbrochen
Die Zeiträume der kontinuierlichen KOK-Anwendung reichen demnach von 90 Tagen bis zur ununterbrochenen kontinuierlichen Einnahme. Auch wenn sich daraus Fragen hinsichtlich Wirkung, Sicherheit und Wohlbefinden ergeben sollen, gelte ganz allgemein: „Die kontrazeptive Sicherheit ist sowohl bei der konventionellen Einnahme wie auch bei der langfristigen Einnahme in jeder Form sehr gut.“
Hinsichtlich des Endometriums hätten sich bei beiden Therapieansätzen keine pathologischen Veränderungen gezeigt. Auch was Risiken wie Thrombose, Embolie, Herzinfarkt, Schlaganfall angehe, sei bei beiden Anwendungsschemata das Risiko gleich, heißt es in der Leitlinie.
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Tatsächlich sei die Langzyklusanwendung der konventionellen Einnahme sogar überlegen, wenn man an menstruellen Beschwerden wie Dysmenorrhoe oder Migräne leide und sie hinsichtlich intestinaler Irritationen oder Blutungstage beurteile. Allerdings gilt für all diese Aussagen nur der Evidenzgrad 2, das bedeutet: Sie basieren auf „Fall-Kontroll-Studien oder Kohortenstudien mit hohem Risiko systematischer Fehler (Bias) oder Verzerrung (Confounding) und signifikantem Risiko, dass die Beziehung nicht ursächlich ist“.
Welche Pillen für den Langzyklus zugelassen sind
In Deutschland gibt es bislang nur wenige Präparate, die auch tatsächlich für den Langzyklus (mit HFI) zugelassen sind, ansonsten fällt der Langzyklus unter den Off-Label-Use. Drei Beispiele sind:
- Seasonique® (30 µg Ethinylestradiol + 150 µg Levonorgestrel über 84 Tage, gefolgt von sieben Tabletten mit 10 µg Ethinylestradiol)
- Velmari® Langzyklus (20 µg Ethinylestradiol + 3 mg Drospirenon, über mindestens 24 Tage oder maximal 120 Tage, dann vier Tage Pause)
- Evaluna® 30 Langzyklus (30 µg Ethinylestradiol + 150 µg Levonorgestrel, wie Seasonique® über 84 Tage. Die 7-tägige Pause erfolgt dann aber komplett wirkstofffrei – also ohne Tabletteneinnahme)
Beim Langzyklus-Präparat Velmari® ist besonders zu beachten, dass für die Gestagenkomponente Drospirenon grundsätzlich von einem erhöhten VTE-Risiko auszugehen ist. In der Fachinformation (Stand 03/2021) heißt es: „Arzneimittel, die Levonorgestrel, Norgestimat oder Norethisteron enthalten, sind mit dem geringsten Risiko für eine VTE verbunden. Andere Arzneimittel, wie Velmari® Langzyklus, können ein bis zu doppelt so hohes Risiko aufweisen.“
Evaluna® enthält im Langzykluspräparat im Vergleich zu Seasonique® keine wirkstoffhaltigen Tabletten für die siebentägige „Pause“. In der Fachinformation (Stand 02/2021) von Evaluna® 30 Langzyklus heißt es außerdem: „Präparate, die Levonorgestrel (Evaluna 30 Langzyklus), Norgestimat oder Norethisteron enthalten, sind mit dem geringsten VTE-Risiko verbunden.“
Angesichts dieser Informationen und der neuen Risikoeinschätzung zu Seasonique® scheint es nach aktuellem Stand am sinnvollsten zu sein, von diesen drei Präparaten Evaluna® im Langzyklus anzuwenden, wenn man sich für diesen entscheidet.
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Übrigens – ob Langzyklus oder konventioneller Zyklus – einen generellen Vorteil hat die hormonelle Verhütung laut der deutschen Leitlinie immer: „Als weiterer Benefit wird die Langzeitprotektion gegenüber den Risiken eines Endometrium- oder Ovarialkarzinoms bei beiden Anwendungsformen gesehen.“
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