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Krebs durch Ranitidin?

Stuttgart - 01.03.2021, 07:00 Uhr

In einer Versuchsanordnung wurden bei einem konstanten pH von 2,5 die Nitritkonzentrationen variiert: 50 / 25 / 10 / 5 / 2,5 / 1 mmol/l Natriumnitrit. Dort wurde eine 150 mg Ranitidin-Tablette der Sorte „cool mint“ hinzugefügt. (Foto: IMAGO / ZUMA Wire)

In einer Versuchsanordnung wurden bei einem konstanten pH von 2,5 die Nitritkonzentrationen variiert: 50 / 25 / 10 / 5 / 2,5 / 1 mmol/l Natriumnitrit. Dort wurde eine 150 mg Ranitidin-Tablette der Sorte „cool mint“ hinzugefügt. (Foto: IMAGO / ZUMA Wire)


Das sagt die EMA

Dass der Humanarzneimittelausschuss CHMP der EMA empfohlen hat, Ranitidin in der EU vorerst nicht mehr zu vermarkten, das hatte DAZ.online bereits im Mai 2020 berichtet. Auch wenn das Risiko, das von NDMA ausgeht, gering sei, schrieb die Europäische Arzneimittelbehörde EMA damals, sei die Nitrosaminverunreinigung doch in verschiedenen Ranitidin-Präparaten oberhalb akzeptabler Grenzwerte gefunden worden. Laut EMA gab es einige Hinweise, dass sich NDMA durch den Abbau von Ranitidin selbst bildet – mit zunehmender Konzentration über die Lagerdauer. Klar sei währenddessen nicht, ob NDMA auch im Körper aus Ranitidin entsteht. Die Studienlage wurde als widersprüchlich beschrieben.

Die amerikanische Arzneimittelbehörde FDA hatte die Marktrücknahme von Ranitidin bereits am 1. April 2020 bekannt gegeben. Damit sollte aber weder in den USA noch in der EU das endgültige Aus von Ranitidin besiegelt werden. Auch die EMA empfahl Bedingungen, um die Aussetzung der Zulassung der Ranitidin-Präparate rückgängig zu machen – etwa durch Auflagen für Unternehmen, mehr Daten zur Verfügung zu stellen.

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Offenbar gefiel die Empfehlung des CHMP – die Zulassung zu pausieren – einem Zulassungsinhaber von Ranitidin (Ranitidina S.A.L.F.) in Europa nicht. Er beantragte eine erneute Prüfung, doch die EMA bekräftigte ihre ursprüngliche Empfehlung im September 2020. Auch wenn die Gefahr durch die Nitrosamin-Verunreinigungen in Ranitidin der Behörde zufolge für den Menschen nicht groß ist, hieß es, bleibt die Zulassung ausgesetzt – vor allem weil noch immer nicht klar zu sein schien, woher letztlich die Nitrosamin-Verunreinigungen in Ranitidin stammen.

Das CHMP über epidemiologische Studien zu Ranitidin

Am 7. Januar 2021 hat das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) schließlich das vorläufige Ruhen aller Zulassungen von ranitidinhaltigen Arzneimitteln bis zum 2. Januar 2023 angeordnet. Zur wissenschaftlichen Begründung im Einzelnen wird auf den Durchführungsbeschluss der EU-Kommission vom 24.11.2020 verwiesen. Daraus geht hervor, dass zwar epidemiologische und klinische Studien bisher kein erhöhtes Krebsrisiko nach einer Ranitidin-Anwendung haben nachweisen können, dennoch kam die Europäische Kommission nach der erneuten Bewertung der Stellungnahme des CHMP (Ausschuss der europäischen Arzneimittelbehörde für Humanarzneimittel) zu dem Schluss, dass das Nutzen-Risiko-Verhältnis von Ranitidin aktuell als negativ eingestuft werden muss. 

Ein theoretisches Risiko könne nicht ausgeschlossen werden. Während es wissenschaftlich plausibel sei, dass die Grunderkrankung bei Patient:innen, die mit H2-Rezeptor-Antagonisten behandelt werden, das Risiko für Magen- und Bauchspeicheldrüsenkrebs erhöht, sei jedes potenzielle Krebsrisiko aufgrund einer Exposition gegenüber NDMA im Zusammenhang mit der Anwendung von Ranitidin zwar gering und lasse sich „mittels konventioneller tierexperimenteller Studien oder epidemiologischer Studien wahrscheinlich nicht erkennen“, hieß es. Das liege aber daran, dass die Krebserkrankung verzögert auftritt und „jedes potenzielle Krebsrisiko aufgrund einer Exposition gegenüber NDMA im Zusammenhang mit der Anwendung von Ranitidin im Vergleich zum Grundrisiko für die Entstehung von Krebs im Laufe eines gesamten Lebens gering ist“. Jedoch könne ein Risiko nicht ausgeschlossen werden, da die aktuell verfügbaren Daten möglicherweise nicht zur Aufdeckung eines solchen Risikos geeignet seien, so die wissenschaftliche Begründung im November 2020

EMA: Fast jedes Ranitidin überschritt den Grenzwert

Immerhin hätten fast alle Ranitidin-Wirkstoffchargen und Arzneimittel, die im Hinblick auf NDMA getestet wurden, NDMA in einer Konzentration über dem Grenzwert von 0,16 ppm enthalten (basierend auf einer lebenslangen zulässigen Aufnahme von 96 ng/Tag und einer lebenslangen Ranitidin-Tageshöchstdosis von 600 mg). Das CHMP gelangte schließlich zu dem Schluss, dass NDMA in ranitidinhaltigen Arzneimitteln nicht nur als Verunreinigung (während des Herstellungsprozesses), sondern auch aufgrund des Abbaus von Ranitidin als Wirkstoff vorhanden ist. Der Abbau von Ranitidin als Wirkstoff und im Arzneimittel sei dabei unzureichend beschrieben. „Darüber hinaus gelangte der CHMP zu dem Schluss, dass das Risiko einer endogenen Bildung von NDMA nach der Verabreichung von Ranitidin derzeit nicht auszuschließen ist und dass weitere Untersuchungen durchzuführen sind.“



Diana Moll, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (dm)
redaktion@daz.online


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