Arzneipflanze des Jahres 2021

Myrrhe – eine Option im OTC-Bereich bei Colitis ulcerosa?

Stuttgart - 08.12.2020, 10:45 Uhr

Myrrhe ist ein balsamisch-süß und würzig-warm riechendes Harz, das getrocknet sehr stabil ist. (Foto: Madeleine Steinbach / stock.adobe.com)

Myrrhe ist ein balsamisch-süß und würzig-warm riechendes Harz, das getrocknet sehr stabil ist. (Foto: Madeleine Steinbach / stock.adobe.com)


Der interdisziplinäre Studienkreis „Entwicklungsgeschichte der Arzneipflanzenkunde“ hat den Myrrhenbaum zur Arzneipflanze des Jahres 2021 gewählt. Der dornige kleine Baum aus der Familie der Balsambaumgewächse kommt heute in Europa vor allem bei Entzündungen der Haut sowie der Schleimhäute im Mund- und Rachenbereich zum Einsatz. Eine Kombination mit Kamille und Kaffeekohle wird zudem zur remissionserhaltenden Behandlung bei Colitis ulcerosa empfohlen.

Weltweit laufe derzeit eine umfangreiche Forschung, bei der neben dem Harz auch andere Bestandteile des Myrrhenbaumes untersucht würden, heißt es in der aktuellen Bekanntgabe der Arzneipflanze des Jahres 2021 (Myrrhenbaum – Commiphora myrrha). Im Harz habe bereits eine Fülle von pharmakologisch interessanten Substanzen identifiziert werden können, die auf weiteres medizinisches Potenzial hindeuteten. Der Myrrhenbaum trägt nun den Titel der Arzneipflanze des Jahres 2021, weil er durch eine „formalisierte Punktevergabe zur historischen Bedeutung, zur präklinischen und klinischen Forschungslage und zur aktuellen medizinischen Praxis“ die anderen von der Experten-Jury vorgeschlagenen Arzneipflanzen übertreffen konnte. Der interdisziplinäre Studienkreis „Entwicklungsgeschichte der Arzneipflanzenkunde“ kürt schon seit 1999 die Arzneipflanze des Jahres. Die Auslobung erfolgte zum 19. November, dem Geburtstag des im März 2019 verstorbenen Medizinhistorikers Dr. Johannes Gottfried Mayer.

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Der Myrrhenbaum (Commiphora myrrha, syn. Commiphora molmol) ist ein laubabwerfender, dorniger kleiner Baum aus der Familie der Balsambaumgewächse (Burseraceae), der etwa 4 Meter Höhe erreicht, heißt es in der Mitteilung zur Botanik. Beheimatet ist der Baum in den Trockengebieten des nordöstlichen Kenias und östlichen Äthiopiens, in Dschibuti, Somalia sowie auf der arabischen Halbinsel (Oman und Jemen).

Im deutschen Kulturkreis dürften vor allem die Erwähnungen der Myrrhe in der Bibel bekannt sein: „Am bekanntesten ist die Stelle des Matthäus-Evangeliums (Mt 2,11), wo die Sterndeuter aus dem Osten dem neugeborenen Kind Gold, Weihrauch und Myrrhe darbringen.“ Es handelt sich laut Mitteilung um ein balsamisch-süß und würzig-warm riechendes Harz, das getrocknet sehr stabil ist.

Aber auch in altägyptischen Texten sei eine sehr vielfältige medizinische Nutzung belegt, unter anderem in Rezepturen zur Behandlung von Husten und zur Versorgung von Wunden. Im Mittelalter hätten sich Beschwerden des Verdauungstraktes zu einem Hauptanwendungsgebiet der Myrrhe entwickelt. „In den überlieferten Handschriften der Naturkunde Hildegards von Bingen finden sich gleich zwei Kapitel zur Myrrhe, ausführlich beschreibt sie die Anwendung der Rinde bei Gelbsucht und Lähmungen, ferner die äußerliche Anwendung des Harzes bei Magenbeschwerden sowie innerlich bei Fieber.“

Myrrhe als Leitlinienempfehlung

In den frühen gedruckten Kräuterbüchern des 15. und 16. Jahrhunderts fokussierten sich die Anwendungen auf Atemwege und Verdauungstrakt – im 18. und 19. Jahrhundert sei die Myrrhe auch als allgemeines Stärkungsmittel für Magen, Herz und Nerven empfohlen worden. Heute dürften Apotheker:innen die Myrrhe beispielsweise als Inhaltsstoff in Mundwasser kennen. Der Studienkreis Entwicklungsgeschichte der Arzneipflanzenkunde erklärt dazu, dass Myrrhe adstringierende, entzündungshemmende und antimikrobielle Eigenschaften hat. Heute würden in Europa Zubereitungen aus Myrrhe vor allem bei Entzündungen der Haut sowie der Schleimhäute im Mund- und Rachenbereich, aber auch des Darmes eingesetzt. „Eine Kombination mit Kamille und Kaffeekohle wird aufgrund positiver Ergebnisse in klinischen Studien zur remissionserhaltenden Behandlung bei Colitis ulcerosa empfohlen“, heißt es außerdem. 

Diese Empfehlung findet sich auch in der Leitlinie „Diagnostik und Therapie der Colitis ulcerosa“ von 2018 wieder: „Eine Kombination aus Myrrhe, Kamillenblütenextrakt und Kaffeekohle kann komplementär in der remissionserhaltenden Behandlung eingesetzt werden. Evidenzgrad 2, Empfehlungsgrad 0, Konsens“ (Evidenzgrad 2 = „mäßig“, Empfehlungsgrad 0 = „kann“, Konsens = > 75-95 Prozent Zustimmung). 

Ein systematisches Review zu komplementären und alternativen Verfahren zur Behandlung von chronisch entzündlichen Darmerkrankungen habe eine qualitativ hochwertige klinische Studie zur Wirksamkeit und Sicherheit von Myrrhe, Kamillenblütenextrakt und Kaffeekohle (Myrrhinil intest®) in der remissionserhaltenden Therapie bei Colitis ulcerosa an 96 Patienten identifiziert, heißt es zum Hintergrund. Die Studie weise darauf hin, dass die Therapie mit Myrrhe, Kamillenblütenextrakt und Kaffeekohle der Standardtherapie mit Mesalazin in der remissionserhaltenden Therapie nicht unterlegen und sehr gut verträglich ist. Eine Follow-up-Fragebogenstudie sowie eine große Kohortenstudie dazu bekräftigten diese Hinweise. Die Publikationen verweisen auf eventuelle Interessenkonflikte mit Repha GmbH Biologische Arzneimittel, Zulassungsinhaberin von Myrrhinil intest®

Myrrhinil intest®-Tabletten sind in Deutschland als traditionelles pflanzliches Arzneimittel laut Fachinfo (Stand August 2020) „zur unterstützenden Behandlung bei Magen-Darm-Störungen mit unspezifischem Durchfall, begleitet von leichten Krämpfen und Blähungen“ registriert. 

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Diana Moll, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (dm)
redaktion@daz.online


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