Arzneimittel bei COVID-19

Wo stehen wir bei Remdesivir?

Stuttgart - 24.06.2020, 07:00 Uhr

Das RKI hat die Studienlage zu Remdesivir unter die Lupe genommen. (m / Foto: felipecaparros / stock.adobe.com)

Das RKI hat die Studienlage zu Remdesivir unter die Lupe genommen. (m / Foto: felipecaparros / stock.adobe.com)


Schadet ein zu später Therapiebeginn?

Allerdings gibt es auch andere Daten: Eine chinesische multizentrische randomisierte Studie zeigte bei schwer an COVID-19 erkrankten Patienten keinen signifikanten Vorteil für Remdesivir verglichen mit Placebo in Bezug auf Sauerstoffbedarf, Länge des Krankenhausaufenthalts, Zeitraum bis zur Entlassung oder hinsichtlich der 28-Tage-Sterblichkeit. Remdesivir verkürzte zwar die Beatmungsdauer – aber nicht statistisch signifikant. Interessant ist hier vor allem die 28-Tages-Sterblichkeit: Bei frühem Therapiebeginn (innerhalb von zehn Tagen nach Symptombeginn) starben 15 Prozent der Placebopatienten und 11 Prozent der Remdesivirpatienten innerhalb von 28 Tagen. Im Gegensatz dazu starben bei einem späteren Therapiebeginn (mehr als zehn Tage nach Symptombeginn) mehr Patienten in der Remdesivirgruppe (14 Prozent) als in der Placebo-Gruppe (10 Prozent). Jedoch waren auch diese Unterschiede statistisch nicht signifikant, sie „zeigen lediglich eine Tendenz zugunsten eines früheren Einsatzes von Remdesivir“, so das RKI. Die Studie „Remdesivir in adults with severe COVID-19: a randomised, double-blind, placebo-controlled, multicentre trial“ wurde im Mai 2020 in Lancet veröffentlicht.

Das rät das RKI

Zusammenfassend empfiehlt das Robert Koch-Institut:

  • Behandlungsbeginn in der Frühphase der Erkrankung bei schwerkranken Patienten scheint erstrebenswert zu sein, ein späterer Einsatz (> 10 Tage nach Symptombeginn) bringt vermutlich keinen Vorteil mehr, kann gegebenenfalls sogar nachteilig sein.
  • Eine antivirale Therapie in der hyperinflammatorischen Phase von COVID-19 bringt nach der aktuellen Datenlage keinen Benefit. Ebenfalls fraglich erscheint aktuell der Benefit für Patienten mit mechanischer Beatmung, inklusive ECMO.
  • Remdesivir wird (wenn in klinischen Studien nicht anders vorgegeben) bei Patienten ohne invasive Beatmungstherapie oder ECMO über insgesamt fünf Tage (gegebenenfalls mit einer Verlängerung auf insgesamt zehn Tage) und bei Patienten mit invasiver Beatmungstherapie oder ECMO über insgesamt zehn Tage verabreicht.
  • Für die Dosierung gilt jeweils eine Loading-Dose mit 200 mg Remdesivir intravenös am ersten Behandlungstag, gefolgt von einer Erhaltungsdosis von 100 mg i.v. Remdesivir einmal täglich über weitere vier beziehungsweise neun Tage.

In Europa noch nicht zugelassen

Das RKI betont, dass Remdesivir in Deutschland zurzeit nicht zugelassen ist, und das Virostatikum ausschließlich im Rahmen von Studien und individuellen Heilversuchen bei schwer an COVID-19 Erkrankten eingesetzt werden darf, wobei sich das RKI bei der Definition einer „schweren“ Erkrankung an der Notfallgenehmigung der FDA (Food and Drug Administration) orientiert: periphere Sauerstoffsättigung von höchstens 94 Prozent unter Raumluft oder die Notwendigkeit einer Sauerstoff-Gabe oder nicht-invasiven oder invasiven Beatmungstherapie (inklusive ECMO).

Vor einer vorschnellen Zulassung von Remdesivir warnte jüngst der Präsident der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft, Professor Wolf-Dieter Ludwig. Der AkdÄ-Chef fürchtet, dass wenn die EMA Remdesivir tatsächlich zulässt, dass dann die Forschungsanstrengungen zu dem Arzneimittel leiden. „Das ist aus meinem Blickwinkel eine absolute Fehlentwicklung und wird nicht dazu führen, dass wir gut geprüfte, wirksame und sichere Arzneimittel gegen COVID-19 bekommen“, so Ludwig. Kritisiert hatte er unter anderem, dass unklar sei, wann Remdesivir am besten gegeben werden soll. Zumindest gibt es hier mit den „zehn Tagen nach Symptombeginn“ laut RKI nun eine grobe Richtschnur.



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


Diesen Artikel teilen:


0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.