Handlungsanweisung der ABDA

Händedesinfektionsmittel-Herstellung: Das müssen Apothekenteams wissen

Stuttgart - 05.03.2020, 16:24 Uhr

Ausverkaufte Desinfektionsmittel? Solche Schilder will die ABDA nicht mehr an Apothekentüren hängen sehen. Eigenherstellung ist angesagt! (s / Foto: imago images / Jannis Große)

Ausverkaufte Desinfektionsmittel? Solche Schilder will die ABDA nicht mehr an Apothekentüren hängen sehen. Eigenherstellung ist angesagt! (s / Foto: imago images / Jannis Große)


Am gestrigen Mittwoch hat die Bundesstelle für Chemikalien als zuständige Behörde per Allgemeinverfügung den Apotheken die Möglichkeit verschafft, isopropanolhaltige Biozide zur Händedesinfektion herzustellen. Für Ethanol gab es diese Option ohnehin schon. Nun hat die ABDA, wie angekündigt, eine Handlungsempfehlung für Apotheken veröffentlicht.

Nun gibt es also auch seitens der ABDA das lang ersehnte klare Signal an die Apotheken: Ihr dürft selbst Hautdesinfektionsmittel herstellen beziehungsweise ihr sollt es sogar! (Verfügbarkeit der Rohstoffe natürlich vorausgesetzt). Hintergrund ist eine am gestrigen Mittwoch erlassene Allgemeinverfügung, mittels der eine befristete Ausnahmegenehmigung zur Herstellung solcher Mittel erteilt wird. Sie gilt bis zum 31. August 2020, kann aber auch jederzeit widerrufen werden. 

Denn nach Ansicht der ABDA unterliegen Desinfektionsmittel für die Hände in jedem Fall der Biozid-Verordnung und dürfen von Apotheken nicht so ohne weiteres, sondern nur nach entsprechender Zulassung hergestellt werden. Da dieses vermeintliche Hindernis aber für Isopropanol nun durch besagte Allgemeinverfügung beseitigt wurde – für ethanolhaltige Gemische existierte es übrigens nie, weil die auf Grundlage von Übergangsvorschriften weiterhin ohne Zulassung verkehrsfähig sind – hat die ABDA nun eine Handlungsanweisung für Apotheken zur Herstellung von Händedesinfektionsmitteln in der Apotheke veröffentlicht.

Welche Mischungen sind erlaubt

Zunächst wird dort aufgeführt, welche Desinfektionsmittel in der Apotheke derzeit hergestellt werden dürfen:

  • Ethanol-Wasser-Gemische, die aufgrund der Übergangsregelungen der EU-Biozid-Verordnung derzeit noch zulassungsfrei hergestellt und in Verkehr gebracht werden dürfen, allerdings gelten für sie Meldepflichten nach der Biozid-Meldeverordnung.
  • Sowie auf Basis der Allgemeinverfügung 2-Propanol-Wasser-Gemische 70 % (V/V) und 2-Propanol-Wasser-Gemisch mit Wasserstoffperoxid und Glycerol nach WHO- Formulierung: 
 volumetrischgravimetrisch
2-Propanol75,15 ml59,03 g
Wasserstoffperoxid 3 %4,17 ml4,22 g
Glycerol 98 %1,45 ml1,83 g
Gereinigtes Wasserzu 100,00 ml87,08 g
   

Desinfektionsmittel keine Arzneimittel: Arzneibuchqualität nicht notwendig

Die ABDA betont, dass es sich bei der Herstellung dieser Desinfektionsmittel nicht um die Herstellung von Arzneimitteln handelt. Es sei somit nicht erforderlich, dass die Qualität der Ausgangsstoffe den Anforderungen des Arzneibuchs entspricht. Allerdings sei zu beachten, dass die Mindestreinheit von 2-Propanol mindestens 99 % (m/m) entsprechend 99,22 (V/V) entspricht. Bei Verwendung von 2-Propanol 99 % (m/m) müsse die Rezeptur entsprechend angepasst werden. Auch die Bestimmungen der Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) für die Herstellung, die Abpackung in Primärpackmittel, die Etikettierung und die Dokumentation fänden keine Anwendung. Jedoch empfiehlt die ABDA, sich möglichst an die entsprechenden Prozesse anzulehnen.

Die Ethanol-Wasser- und 2-Propanol-Wasser-Gemische sollen entsprechend den Angaben des Arzneibuchs hergestellt werden. Bei Verwendung der Alkohole als Gefahrstoff könne die Dichte im Regelfall dem Sicherheitsdatenblatt entnommen werden. Für die gravimetrischen Herstellungsformeln der unvergällten Mischungen wird zudem auf die DAC/NRF-online-Tools verwiesen („Tabellen für die Rezeptur“). Sie seien jeweils identisch mit denen für die vergällten Mischungen, heißt es. Abgefüllt werden sollten die Mischungen in dicht schließende Behältnisse aus Polyethylen oder Glas. Als Verschluss empfiehlt die ABDA eine Schraubmontur mit Spritzeinsatz.

Arztpraxen und Pflegeheime berücksichtigen,  für den privaten Bereich nur haushaltsübliche Mengen 

Was die Verteilung angeht, rät die Standesvertretung den Apothekern, bei Herstellung von Desinfektionsmitteln den derzeit naturgemäß hohen Bedarf von Einrichtungen des Gesundheitswesens, insbesondere Arztpraxen, aber auch von Pflegeheimen zu berücksichtigen. Im Hinblick auf diese Einrichtungen habe die WHO-Formulierung den Vorteil, dass sie aufgrund des Wasserstoffperoxid –Gehalts sporenfrei sei, heißt es weiter. Bei 2-Propanol-Wasser-Gemischen könne das nur durch Filtration gewährleistet werden, was angesichts der mutmaßlich in den Apotheken hergestellten Mengen in den Augen der ABDA nicht zu realisieren ist. Bei Verwendung von Desinfektionsmitteln durch Privatpersonen hingegen stehe derzeit die Abtötung der SARS-CoV-2-Viren im Vordergrund, sodass die Sporenfreiheit nachrangig sei, also nicht zwingend eine Filtration notwendig ist.

Auch weist die ABDA darauf hin, dass im privaten Bereich die gute Händehygiene, also häufiges und gründliches Waschen der Hände mit Seife, im Vordergrund stehen sollte und Desinfektionsmittel nur in Situationen zum Einsatz kommen sollten, in denen über längere Zeit die Hände nicht gewaschen werden können, heißt es. Daher sollten aus Sicht der Standesvertretung ‒ auch mit Blick auf die vorhandenen Ressourcen ‒ für den privaten Bereich lediglich haushaltsübliche Mengen abgegeben werden, somit empfehle sich die Abfüllung in 100-ml-Gefäße.

Darf man werben? 

Ein weiterer Punkt ist das Thema Werbung. Dazu schreibt die ABDA: „Für Desinfektionsmittel als Biozidprodukte darf nach Artikel 72 EU-Biozid-Verordnung nicht in einer Art und Weise geworben werden, die hinsichtlich der Risiken des Produkts für die Gesundheit oder für die Umwelt oder seiner Wirksamkeit irreführend ist. Angaben, z. B. „Biozidprodukt mit niedrigem Risikopotenzial“, „natürlich“ oder „unschädlich“ sind nicht erlaubt. Jeder Werbung ist folgender Hinweis hinzuzufügen: „Biozidprodukte vorsichtig verwenden. Vor Gebrauch stets Etikett und Produktinformation lesen“. Diese Angaben müssen sich von der eigentlichen Werbung deutlich abgrenzen und gut lesbar sein.

Kennzeichnung und Dokumentation

Da für die Ethanol-Wasser-Gemische 70 % (V/V), 80 % (V/V) die Meldepflichten nach der Biozid-Meldeverordnung sowie besondere Kennzeichnungspflichten gelten, weist die ABDA auch auf diese hin. So müssen Apotheken, die nach diesen Formulierungen Händedesinfektionsmittel herstellen wollen, lediglich eine einfache und gebührenfreie elektronische Meldung des Biozidproduktes gemäß Biozid-Meldeverordnung tätigen. Dafür steht ein Portal der BAuA zur Verfügung (www.baua.de > Themen > Anwendungssichere Chemikalien und Produkte > Chemika- lienrecht > Die Biozid-Verordnung > Biozid-Meldeverordnung > Datenbank der gemeldeten Biozidprodukte).

Zudem empfiehlt die ABDA, für alle Mischungen aus Gründen der Rückverfolgbarkeit ein Herstellungsprotokoll anzufertigen, das sich im Falle der Einzelherstellung an § 7 ApBetrO und im Fall der Herstellung mehrerer abgabefertiger Lösungen an § 8 ApBetrO anlehnen soll ‒ unter Berücksichtigung der datenschutzrechtlichen Vorgaben versteht sich. Dazu wird ein Musterherstellungsprotokoll zur Verfügung gestellt, das ebenso wie die Vorgaben zur Kennzeichnung hier zu finden ist (nur mit Login).



Julia Borsch, Apothekerin, Chefredakteurin DAZ
jborsch@daz.online


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2 Kommentare

Händedesinfektionsmittel-Herstellung

von Dr. Helmut Strohmeier am 06.03.2020 um 10:35 Uhr

Nur, liebe ABDA, was nützt uns das Wissen (das wir vorher schon hatten) wenn es weder über den Großhandel noch bei den Herstellern 2-Propanol gibt ? Da liegen doch die Versäumnisse, der Pandemieplan wurde doch schon 2016 von der Bundesapothekerkammer und der BGW aufgestellt!

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Handlungsunfähig

von norbert brand am 06.03.2020 um 9:29 Uhr

wenn man das durchliest, dann sieht man, zu welch handlungsunfähigen pharmazeutisch minderbemittelten Tröpfen weite Teile unseres Berufsstandes abgestürzt sind.

Und hier sieht man auch wieder die standestypische "Hochwichtigskeitsmasche" (Danke Dr. Herzog) für einen an sich banalalen Sachverhalt: " … dass die Mindestreinheit von 2-Propanol mindestens 99 % (m/m) entsprechend 99,22 (V/V) entspricht. Bei Verwendung von 2-Propanol 99 % (m/m) müsse die Rezeptur entsprechend angepasst werden." wegen 1% rauf oder runter bei der Hände/Flächen-Desinfektion so ein Aufriß ; geht's noch?

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